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UNIVERSITÄT/2375: Augsburg - Masterstudiengang "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung" (idw)


Universität Augsburg - 13.07.2009

Menschen für Konflikte und ihre Bearbeitung kompetent machen

Neuer Augsburger Masterstudiengang "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung" setzt auf engagierte, forschungsinteressierte Studentinnen und Studenten, die zum "Brillenwechsel" fähig sind. / Bewerbungsschluss für das Wintersemester 2009/10 ist am 21. Juli 2009.


"'Bewältigung' klingt für mich zu sehr nach einer negativen Bewertung von Konflikten", antwortet Prof. Dr. Christoph Weller auf die Frage, was und wie Friedens- und Konfliktforschung zur Bewältigung von Konflikten beitragen könne. "Konflikte sind die Motoren gesellschaftlicher Entwicklung, also positiv zu werten. Deshalb geht es nicht um Konfliktverhinderung oder -lösung, sondern um Formen einer konstruktiven Konfliktbearbeitung, die verhindert, dass es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kommt." Weller ist seit 2008 Inhaber des Augsburger Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung und zeichnet verantwortlich für den neuen Masterstudiengang "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung", der im Wintersemester 2009/10 an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg an den Start geht.

Ziel und Anspruch dieses neuen Studiengangs ist es, "Menschen, die in Konflikten stehen, kompetent zu machen", sagt Weller. "Das fängt mit den allfälligen Spannungen um Migranten in einer Stadt an oder bei den Lehrerinnen und Lehrern, die wir vorbereiten, damit sie mit den Konflikten, die in der Schule alltäglich vorkommen, in einer reflektierten Weise umgehen können. Dann geht es natürlich um die konstruktive Mitwirkung an politischen oder gesellschaftlichen Konflikten in Organisationen, in Parteien, Verbänden, Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen. Und das Spektrum reicht bis hin zu Friedensfachkräften, die sich im Auslandseinsatz für zivile Konfliktbearbeitung und Krisenprävention einsetzen."


Politische, gesellschaftliche, inter- und transnationale Konflikte

Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung definiert Weller als die systematische Analyse des gesellschaftlichen Umgangs mit Konflikten, die konkret z. B. danach fragt, ob man Terrorismus mit militärischer Gewalt bekämpfen kann; oder welche Konfliktpotentiale die zunehmende soziale Ungleichheit birgt; oder weshalb es in Demokratien weniger Gewalt gibt. Der neue Studiengang hat also politische und gesellschaftliche Konflikte ebenso im Blick wie inter- und transnationale. Er vermittelt die wissenschaftlichen Theorien und Methoden, mit denen die jeweiligen Konfliktverläufe und Friedensprozesse analysiert und erklärt werden können.


Sechs Vertiefungsrichtungen

Neben den Methoden der empirischen Sozialforschung wird im ersten von insgesamt vier Semestern ein fundierter Überblick über die drei grundlegenden Bereiche "Friedens- und Konfliktforschung", "Gesellschaftlicher Wandel und soziale Konflikte" sowie "Formen und Institutionen politischer Konfliktbearbeitung" erarbeitet. In den darauffolgenden Semestern haben die Studentinnen und Studenten dann die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte in zwei Vertiefungsmodulen zu setzen, von denen insgesamt sechs zur Wahl stehen, nämlich:

Analysen transnationaler Konflikte
Analysen gesellschaftlicher Konfliktpotenziale und -dynamiken
Politische Integration und Governance in Nordamerika und Europa
Ressourcenkonflikte und globale Gerechtigkeit
Friedensanalysen
Kultur und Konflikt


Forschungsorientiertes Studium

"Abgesehen von einer Interdisziplinarität, die über die Politikwissenschaft und die Soziologie hinaus viele weitere Fächer einbindet, legen wir in diesem Studiengang besonders großen Wert auf die enge Verknüpfung der Lehre mit der Forschung", betont Weller und verweist auf das im dritten Semester vorgesehene Forschungsseminar, in dem die Studierenden an laufenden Projekten mitarbeiten.


Hoher Bedarf an Absolventen mit entsprechenden Wissens- und Analysekompetenzen

Nicht zuletzt aufgrund dieser Forschungsorientierung geht Weller davon aus, dass wohl jeder dritte Absolvent des Masterstudiengangs "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung" anschließend promovieren wird. Doch auch für diejenigen, die unmittelbar in die Praxis gehen wollen, sieht Weller sehr gute Berufsperspektiven: "Politische, soziokulturelle, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Organisationen und Institutionen haben einen hohen Bedarf an Absolventen mit entsprechenden Wissens- und Analysekompetenzen." Neben Forschungseinrichtungen öffnen sich Regierungsadministrationen, Parteien, Verbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen als künftige Berufsfelder. "Besonders nachgefragt werden dürften unsere Absolventinnen und Absolventen z. B. von entwicklungspolitischen Organisationen", meint Weller. "Kirchliche Hilfswerke etwa legen großen Wert darauf, dass ihre Leute nicht nur politische Kompetenzen haben, sondern auch in Friedens- und Konfliktforschung geschult sind. Das gilt aber auch beispielsweise für den Deutschen Entwicklungsdienst oder die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit." Ein in das Studienprogramm integriertes Praxismodul sorgt dafür, dass die Studierenden bereits frühzeitig Personen aus ihren künftigen Berufsfeldern sowie deren Tätigkeiten und entsprechende Einstiegsmöglichkeiten kennenlernen.


Engagiert, möglichst international zusammengewürfelt und zum Brillenwechsel fähig

Jenseits der formalen Zulassungsvoraussetzungen erwartet Weller von seinen künftigen Master-Studentinnen und -studenten, dass sie ein ausgeprägtes persönliches Interesse an Friedens- und Konfliktforschung mitbringen. "In Marburg", erzählt er, "hatte ich eine Studentin aus Russland, die Querflöte studiert hatte, aber zuhause sehr engagiert in Nichtregierungsorganisationen war. Sie wollte besser verstehen, was sie für zivile Konfliktbearbeitung tun kann. Ich hoffe also auf eine engagierte und darüber hinaus auf eine international zusammengewürfelte Studierendenschaft. Denn das verändert etwas bei der Behandlung unserer Themen. Wenn etwa ein Serbe und eine Kosovarin den Jugoslawienkonflikt wissenschaftlich untersuchen, reden sie über die gleiche Geschichte, sehen sie aber mit verschiedenen Brillen. Diese Brillenwirkung müssen die Studierenden verstehen, das ist ganz wesentlich. Selbst wenn sie in einen Konflikt emotional involviert sind, sollten sie in der Lage sein, im Kopf ein, zwei Schritte zurückzutreten und eine andere Brille aufzusetzen."


Konfliktforschung in der Friedensstadt

Für Studentinnen und Studenten, wie Weller sie sich wünscht, sollte die "Friedensstadt" Augsburg als Studienstandort eigentlich ein zusätzlicher Anreiz sein: "Das Zusammenleben verschiedener Konfessionen und Religionen, die Regelung von Konflikten mit Hilfe von Institutionen, die Frage der Machtverteilung und Freiheiten von Mehrheit und Minderheit - auch heute, viereinhalb Jahrhunderte nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, stellen sich noch ähnliche Fragen wie im damaligen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten", meint Weller. Zugleich macht er aber deutlich, dass die "Friedensstadt" Augsburg seiner Auffassung nicht nur aus der Geschichte schöpfen und sich nicht in Historischem erschöpfen sollte. Vielmehr will er mit seinem Lehrstuhl und dem neuen Studiengang die Bemühungen der Stadt, in der Tradition von 1555 den Frieden in der Gegenwart zu leben und zu befördern, von wissenschaftlicher Seite her bereichern und diese Bemühungen darüber hinaus auch "mit anderen Institutionen der Friedens- und Konfliktforschung stärken. Mir schwebt vor, mit Unterstützung der Stadt Augsburg mindestens eine wichtige Institution der deutschen Friedens- und Konfliktforschung nach Augsburg zu holen und in Kooperation mit Augsburger Initiativen das Wissen der Konfliktforschung auch der breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen."



Bewerbungsfrist und -voraussetzungen:

Die Bewerbungsfrist für die Aufnahme in den Masterstudiengang "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung" zum Wintersemester 2009/10 endet am 21. Juli 2009. Bewerbungsvoraussetzung ist ein sozialwissenschaftlicher Hochschulabschluss mindestens mit der Note "gut". Bewerberinnen und Bewerber mit einem nicht- sozialwissenschaftlichen Abschluss können mit Auflagen zum Studium zugelassen werden. Den Bewerbungsunterlagen ist neben dem Abschlusszeugnis und einem Lebenslauf auch ein Motivationsschreiben beizufügen.

Details zum Studiengang und zur Bewerbung:
http:www.uni-augsburg.de/konfliktforschung



Weitere Informationen unter:
http://http:www.uni-augsburg.de/konfliktforschung
http://idw-online.de/pages/de/news288172

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution58


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 13.07.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2009