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BERICHT/073: Tagungsbericht - Genug bäuerliche Wertschätzung transportieren (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Genug bäuerliche Wertschätzung transportieren
Welche Herausforderungen hält die Gesellschaft für die Landwirtschaft bereit?

Von Claudia Schievelbein


Trecker in Brüssel; Milch, die mit Güllefässern auf Ackern verteilt wird. Die Bilder gingen durch die Medien, die Gesellschaft nimmt den Protest der Bauern und Bäuerinnen wahr. Aber wie kommt er dort an, vor allem, wenn als Reaktion Geldzusagen von der Politik gemacht werden, die Bauern und Bäuerinnen aber nicht aufhören zu demonstrieren, weil sie kein Geld wollen? Und was für eine Landwirtschaft will die Gesellschaft, welche Ansprüche stellt sie, welche Bedingungen braucht es, um sie zu erfüllen? Mit vielen Fragen begann die Auftaktveranstaltung zur agrarpolitischen Tagung auf der AbL-Mitgliederversammlung in Altenkirchen. Schnell wurde deutlich, dass eine Landwirtschaft, wie sie die Gesellschaft sich wünscht, immer mit Multifunktionalität versehen ist. Benny Haerlin, Mitautor des Weltagrarberichtes, formulierte folgenden Anspruch: "Wir müssen Klimawandel, Zerstörung der Biodiversität und Hunger zusammen denken." Auch Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss Gaststätten spannte einen Bogen: "Nachhaltigkeit beinhaltet den Dreiklang aus Ökonomie, sozialer Verantwortung und Ökologie." Es gehe um Fairness, so Möllenberg, um regionale Erzeugung und eine Perspektive für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an möglichst vielen Produktionsstandorten. Da sind also die Arbeiter nicht weit weg von den Bauern. Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM), erinnerte noch einmal daran, dass der ehemalige EU-Agrarkommissar Franz Fischler als Ziel für die europäische Agrarpolitik formuliert hatte, die Landwirtschaft mit der Gesellschaft versöhnen zu wollen. "Praktisch hat die Politik dazu beigetragen, dass wir uns immer weiter entfernen von dem, was die Gesellschaft will", so Schaber. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, merkte an, dass es eine hohe ideologische Leistung der Politik sei, jedes Jahr viel Geld einzusetzen zur Überwindung der bäuerlichen Landwirtschaft und gleichzeitig zu vermitteln, dass man sie stütze. Für die Bevölkerung müsse das so aussehen als kriegten die Bäuerinnen und Bauern den Hals nicht voll genug, so Graefe zu Baringdorf.


"Genug, nicht zuviel"

Gerade im Hinblick auf die momentane Auseinandersetzung um die Milch kann das so wirken und doch ist ein langer Atem gefragt. "Wir brauchen nicht zu glauben, dass die Politik reagiert, solange wir nicht die Bündelung der Milch und damit die Macht haben", so der AbL-Vorsitzende. Seine Vorstandskollegin Maria Heubuch betonte, dass Umfragen unter den Bäuerrinnen und Bauern ergeben hätten, dass die Mehrheit einen geregelten Markt wollten, anstatt immer neue Subventionstöpfe. Als symbolischen Akt könne man doch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner die 20 Euro pro Kuh, die die Bäuerinnen und Bauern nun aus dem neuen nationalen Hilfsprogramm bekommen sollen, einfach wieder zurückschicken, schlug Benny Haerlin vor. "Milchbauern müssen sagen: 'Wir wollen genug. Wenn wir mehr produzieren als gebraucht wird, geht die Sache schief.' Unser Ernährungssystem ist nicht darauf ausgerichtet, alle zu ernähren, sondern Geld zu machen. Dabei geht es darum, genug zu produzieren, aber nicht mehr als nötig, genug zu verdienen, aber nicht zu viel." Genug sei ein lebensweltlicher Begriff und kein mathematischer, nimmt Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf den Begriff auf, den wahrscheinlich jeder mit etwas Unterschiedlichem verbinde. Nicht genug kriegen könne er als Gewerkschafter im Hinblick auf bestimmte Werte, warf Franz-Josef Möllenberg in die Debatte. Graefe zu Baringdorf füllte diesen Aspekt mit den Worten: "Wir brauchen Bündnisse, die die bäuerliche Wertschätzung transportieren."


"Gute Arbeit gut bezahlen"

Und immer wieder wurde auch die Bündelung nach innen beschworen, nur mit einem starken Milchboard sei das möglich. "Gute Arbeit muss gut bezahlt werden, wir brauchen eine Kalkulation von unten nach oben, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Sandwichposition und wir Bäuerinnen und Bauern von unten raus sind", brachte es Romuald Schaber auf die einfache Formel. Die konnten die Wortmeldungen im Publikum nur unterstreichen, mehrere Bauern berichteten von ihren Erfolgen, BDM-Kollegen in den Vertreterversammlungen der Hochwald-Molkereien wählen zu lassen. Damit rückt die Möglichkeit, das Milchboard als Instrument stärker zu machen, in greifbarere Nähe, da durch eine mögliche Satzungsänderung die Preisvorgabe durch das Milchboard als bindend installiert werden könnte. Dadurch wird auch die Idee des Milchboards sichtbar für den Einzelnen vor Ort - etwas, was momentan vielfach noch fehlt.


"Muss Spaß machen"

Bewegung, gelebter Widerstand, das ist etwas, aus dem nicht nur eine Menge Milchbauern und Milchbäuerinnen im vergangenen Jahr, Kraft, Selbstbewusstsein und ein solidarisches Gemeinschaftsgefühl ziehen konnten - trotz oftmals schwierigen finanziellen Bedingungen auf den Höfen. Gefragt ist nach wie vor Ausdauer bei der Durchsetzung der berechtigten Anliegen, die grundsätzlich auch von der Gesellschaft verstanden werden. Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung müssen als Herausforderungen mitgenommen werden. Und schließlich soll, so Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, die Auseinandersetzung "uns auch Spaß machen."


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 328 - Dezember 2009, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010