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BERICHT/171: Futtermitteltag - Eiweißfutter, global oder regional? (UBS)


unabhängige bauernstimme, Nr. 368 - Juli/August 2013
Eine Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Eiweißfutter: Global oder regional?
Futtermitteltag setzt auf Stabilisierung

Von Christine Weißenberg



Die Mischung macht's - auf dem Acker in der Fruchtfolge genauso wie bei einer Fachtagung und deren TeilnehmerInnen. Auf ihrem ersten Futtermitteltag am 3. Juni in Hamm machten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die entwicklungspolitische Organisation Germanwatch eingangs ihren Standpunkt deutlich: Der intensive Einsatz importierter Eiweißfuttermittel für die exportorientierte Erzeugung von Fleisch und Milch bringt regionale und globale Probleme mit sich und verschärft die Hungersituation. "Es braucht eine umfassende positive Vision für die weltweite Landwirtschaft, statt Hantieren an einzelnen Stellschrauben", formulierte Tobias Reichert von Germanwatch als globalen Auftrag zur Bekämpfung des Hungers. Für Christoph Dahlmann, Leiter des AbL Projektes "Vom Acker in den Futtertrog", gehört dazu vor allem der Blick auf die eigenen, naheliegenden Möglichkeiten und Aufgaben. Der heimische Anbau von Leguminosen kann in vielerlei Hinsicht fortschrittliche Beiträge leisten: "Im Grundsatz geht es immer um die Stabilisierung von Fruchtfolgen. Damit verbunden ist die Möglichkeit, energieaufwendige Dünge- und Pflanzenschutzmittel einzusparen. Und es kann eine stärkere Eigenversorgung mit eiweißreichen Futtermitteln auf den uns verfügbaren Flächen erreicht werden."


Arbeitsteilig und intensiv?

Dr. Thomas Schmidt vom Verband der Ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID) betonte hingegen die internationale Arbeitsteilung mit regem Handel als die effektivste Form der landwirtschaftlichen Nutzung von Flächen und Gunstregionen. Als Argument zog er Ertragsvergleiche von Weizen heran: Dieser bringe in Deutschland den 2,6-fachen Flächenertrag verglichen mit anderen Standorten weltweit. Auf diese Produktivität auf einem Teil der hiesigen Fläche zu Gunsten des Eiweißpflanzenanbaus zu verzichten, sei international nicht verantwortbar. (Daten zu Sojamengen und -handel siehe Bauernstimme 06/2013) Nicht berücksichtigt hatte er dabei nach Ansicht eines Teilnehmers, dass Europa weniger eine Getreidegunstregion durch natürliche Standortbedingungen als viel mehr durch hohe Züchtungsintensität und inputintensives Wirtschaften ist. Der Anbau und Züchtungsfortschritt bei heimischen Leguminosen ist jedoch gerade durch die internationale Rollenverteilung in den letzten Jahrzehnten fast zum Erliegen gekommen. Durch das Eiweißpflanzenprojekt ist es gelungen, ganz unterschiedliche Sichtweisen und Interessen zu vernetzen, wie an der bemerkenswerten Vielfalt der Teilnehmer deutlich wurde: u. a. einige Bauern mit mehr oder weniger Erfahrung im Leguminosenanbau, Vertreter der Landwirtschaftskammer, Wissenschaftler vom Julius-Kühn-Institut, der Uni Hamburg und der Uni Kassel sowie mehrere Mitarbeiter aus dem Futtermittelhandel und der Fleischverarbeitung. Anhand von Leistungsdaten aus Fütterungsversuchen wies Dr. Gerhard Stalijohann, Tierernährungsexperte der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (NRW), auf die Grenzen und Möglichkeiten von Futtermischungen mit reduzierten Anteilen Sojaschrot hin - unter Einsatz von Rapsschrot und heimischen Leguminnosen. Sein Fazit: Futtermischungen ohne Soja sind machbar. In der konventionellen Tierhaltung bestehen zudem durch die Beimischung synthetischer Aminosäuren viele Regulierungsmöglichkeiten. Derzeit werde jedoch eine sojaarme Fütterung häufig als reine "Ökoalternative" abgetan. Die größte Einschränkung sah Stalljohann in der Verfügbarkeit von heimischen Eiweißfuttermitteln - es gebe zur Zeit fast keinen Markt: "Die Fütterungsempfehlungen passen sich der Zeit und der Futterverfügbarkeit an. Zur Zeit wird wenig alternatives zu Soja gehandelt, also wird es im konventionellen Bereich nur in geringen Mengen eingesetzt". Bleibt die Frage, wie also das Interesse an Leguminosen und dem Handel mit ihnen steigern, wenn das so viele Vorteile hätte?


Heimischer Anbau

Dass sich der Anbau von Leguminosen in Deutschland sinnvoll regional einbinden lässt, schilderte der niedersächsische Bauer Jan Wittenberg: Im norddeutschen Klima baut er seit einiger Zeit erfolgreich ökologisch Soja an. Er hat sich eine Aufbereitungsanlage gebaut und verkauft Öl und Schrot in einem Umkreis von maximal 250 Kilometern. Auf Dauer hofft er ein stärkeres Netzwerk mit mehr Anbau und Abnehmern aufzubauen: "Wichtig dafür ist vor allem, dass der Anbau klappt. Deshalb schaue ich da besonders drauf, damit andere sehen können: es funktioniert". Unterstützend zu solchen beherzten Beispielen aus der Praxis wurde auf der anschließenden Podiumsdiskussion zu agrarpolitischen Handlungsfeldern eine konsequente Förderung von Anbau, Erfahrungsaustausch und Züchtung gefordert. Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, AbL Bauer in NRW, kritisierte die derzeit vom Bundeslandwirtschaftsministerium ausgerufene Eiweißpflanzenstrategie als nicht weitgehend genug. Zum einen entspreche die finanzielle Ausstattung der Projekte innerhalb des knappen Etats des BÖLN (Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen der nachhaltigen Landwirtschaft) nicht ihrer viel gepriesenen Bedeutung. Zum anderen muss es nach Baringdorf explizit um eine Leguminosenstrategie gehen, da die Hülsenfrüchte durch die Erweiterung der Fruchtfolgen weit mehr Nutzen mit sich bringen als nur Eiweißkomponente im Tierfutter zu sein: "Die Einsparung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie der Vorfruchtwert für Folgekulturen müssen unbedingt in die ökonomische Bewertung einfließen."

Vorträge und Infos unter www.vom-acker-in-den-futtertrog.de

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Quelle:
unabhängige bauernstimme, Nr. 368 - Juli/August 2013, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2013