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FISCHEREI/218: Von Krabben- und Milchmengen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Von Krabben- und Milchmengen
Nordseefischer kämpfen für einen höheren Preis und regulieren ihre Fangmenge selbst

Von Marlene Herzog


Was haben Krabbenfischer in der Nordsee und Milchbauern aus Niederbayern gemeinsam? Beide verdienen zu wenig Geld an ihrem Produkt und fürchten um ihre Existenz. Beide wollen eine flexible Mengensteuerung für ihre Ware, um einen angemessenen Preis erzielen zu können. Den Milchbauern in Deutschland werden von vielen Seiten Felsbrocken auf ihren Weg Richtung Milchmengenregulierung gelegt. Die deutschen Krabbenfischer umschippern die Felsbrocken, die man ihnen vor den Bug wirft. Sie wollen ihre Fangmenge jetzt selbst regulieren.


Menge selbst steuern

Gerold Conradi, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Kutter- und Küstenfischer "Emsmündung" e.V. hat in Schleswig Holstein an der dänischen Grenze seine Krabbennetze eingeholt. Eigentlich wohnt der Krabbenfischer mit seiner Familie im niedersächsischen Greetsiel nahe der Ems. Wenn er aber mit seinem Schiff auf Krabbenfang geht, ist er mehrere Tage unterwegs, um nachts seine Krabbennetze aus zu werfen. Geschlafen wird am Tag, da sich die kleinen Tiere bei schönem Wetter und klarem Wasser nicht fangen lassen. Seit neun Tagen ist er auf Fangtour. Normalerweise würde er noch einen Tag länger draussen bleiben, aber Conradi beteiligt sich, wie viele andere Krabbenfischer der Nordsee, an einem "Fangboykott". Insgesamt fünf Erzeugergemeinschaften haben gemeinsam beschlossen, innerhalb von 14 Tagen, anstatt wie üblich zehn, nur neun Tage zu fischen, um die Menge zu beschränken. Die organisierten Krabbenfischer lehnen eine von Brüssel verschriebene Fangquote ab. Die Mengensteuerung soll in ihren Händen bleiben. "Wir wollen uns selber eine Quote auferlegen. Wenn man das als Unternehmer selber noch regeln kann, ist das besser", so Conradi.


Talfahrt der Preise

Während die Preiskurven für Milch im Februar 2008 ihren Abstieg begannen, schlitterten sie für das kg Krabben schon Anfang Herbst 2007 ins Tal der Niedrigpreise. Zur Zeit liegt der Preis bei etwa 1,60 Euro pro kg Krabben. "Der Handel will sogar weiter runter auf 1 Euro pro kg", so Conradi, "für diesen Preis kann ich nicht mehr fahren. Dann leg ich mich vor die Kante". Der Dieselverbrauch für sein Schiff liegt bei zwei bis drei Litern pro kg Krabben. Im November zahlte er 52 Cent pro Liter Diesel. "Da brauch ich noch nicht mal einen Taschenrechner, um zu wissen, dass das nicht geht", so der Krabbenfischer. Und das, obwohl seine Forderungen bescheiden sind. "Ich habe zwei Angestellte zu bezahlen und meine Frau und Kinder brauchen auch was zu essen und ein warmes Haus." Zeitweise habe der Handel sogar bis zu 13 Euro pro kg Krabben gezahlt. Für den Endverbraucher sei das aber zu viel, so Conradi. "Ein gesunder Preis, mit dem Händler, Verbraucher und Fischer leben können, liegt zwischen 4 und 7 Euro".


Übermengen

Mit den Krabben ist es wie mit der Milch. Sie überschwemmen den Markt. Das drückt den Preis nach unten. Dirk Sander, Krabbenfischer aus Dornum in Niedersachsen und Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer im Weser-Emsgebiet e.V., weiss, weshalb zu viele Krabben aus dem Meer gefischt werden. "Nach der Einführung der Fangquote auf Scholle, Seezunge und Kabeljau durch die EU sind immer mehr große Schiffe auf den Krabbenfang umgestiegen, da dieser nicht lizenziert ist." "Free Rider" werden sie von den kleineren Krabbenfischern genannt. Die seien viel größer, stärker und effizienter als die traditionellen Kutter, so Sander. Free Rider halten sich nicht an die auferlegten Fangzeitbeschränkungen, da sie nicht in den Erzeugergemeinschaften organisiert sind. "Wir kümmern uns darum, dass wir irgendwie den Preis nach oben kriegen und dass der Markt nicht überfüllt ist. Die nicht organisierten Fischer halten sich an nichts und ziehen den Nutzen daraus, dass wir uns bemühen", ärgert sich der Nordseefischer Conradi. Schon lange fordern die deutschen Krabbenfischer eine Fangquote für die großen Neueinsteiger. "In Dänemark und Holland ist das anders. Da muss jeder eine Lizenz haben zum Krabbenfischen", weiss Sander.


Kartellamt

Auch die Versuche der Krabbenfischer, durch Bündelung in Erzeugergemeinschaften bei Preisverhandlungen einen höheren Preis für ihr Produkt auszuhandeln, hat das Kartellamt unterbunden. Allerdings nicht das Deutsche. 1998 versuchte die transnationale Erzeugergemeinschaft, in der auch die holländischen Krabbenfischer vertreten sind, die Preisverhandlungen für alle Krabbenfischer der Nordsee zu führen, um mit dem Handel einen kostendeckenden Preis festlegen zu können. Damals hat das holländische Kartellamt die Eigeninitiative der Krabbenfischer gestoppt. "Das holländische Kartellamt hat uns verklagt. Das Verfahren läuft immer noch und wir sollen 800.000 Euro Strafe zahlen. Das können wir nicht", so Sander. Mit der Genehmigung aus Brüssel haben sie vor vier Jahren eine neue Erzeugergemeinschaft gegründet, die jetzt mit einer eigenen Fangbeschränkung versucht, die Krabbenmenge zu drosseln.


Motivation

Auf Gewinn zu verzichten und sogar Verluste in Kauf zu nehmen, um längerfristig höhere Preise zu erzielen, fällt nicht nur vielen Milchbauern schwer. Das Schwierigste sei es, den eigenen Fischern zu sagen, sie sollen ihren Fang reduzieren und im Hafen bleiben, wenn gleichzeitig die größeren Schiffe munter drauf los fischten, erzählt Conradi. "Da gehört schon viel Enthusiasmus dazu, die Fischer zu motivieren, dass sie das über die Bühne kriegen." Die Kontrolle findet in der Nachbarschaft statt. "Die passen gegenseitig aufeinander auf, damit alle mitmachen", so Sander, "wer öfter gegen die Fangzeitbeschränkung verstößt, fliegt aus der Erzeugergemeinschaft raus." Dazu kommt es allerdings kaum. "Alle machen mit, auch wenn nicht jeder hundertprozentig von der Sache überzeugt ist", so Sander.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2009