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GENTECHNIK/488: Kritik an Gentechnik-Broschüre (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 342 - März 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Kritik an Gentechnik-Broschüre
Die Deutsche Forschungsgesellschaft propagiert die grüne Gentechnik

Von Christiane Hinck


Die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist eine Organisation zur Forschungsförderung und wird von Bund und Ländern finanziert. Im Dezember 2009 publizierte sie die Broschüre "Grüne Gentechnik". Ihr Ziel war, die Öffentlichkeit ausgewogen, verständlich und kompetent über die grüne Gentechnik zu informieren. Vier Wissenschaftler - Friedhelm Taube vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Andreas Susenbeth vom Institut für Tierernährung und Stoffwechselphysiologie, Werner Theobald vom Zentrum für Ethik, Ethik in den Lebenswissenschaften und dem Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Grünland und Futterbau! Ökologischer Landbau der Christian-Albrechts-Universität Kiel sowie Michael Krawinkel vom Institut für Ernährungswissenschaften - Ernährung in Entwicklungsländern der Justus-Liebig-Universität Gießen kommen zu dem Schluss: "Die DFG-Broschüre "Grüne Gentechnik" genügt ihrem eigenen Anspruch nicht." Ihre Kritik veröffentlichten sie in ihrem gleichnamigen Diskussionsbeitrag vom Januar 2011. Sie zeigen, dass die DFG-Broschüre mehrere falsche Informationen enthält und zudem eine selektive Literaturauswahl zu Gunsten der grünen Gentechnik zugrundelegt. Den Autoren der Broschüre werfen sie darüber hinaus vor, das Thema primär aus der Perspektive des Wissenschaftsstandorts Deutschland zu betrachten. Die Sichtweisen der Ökologie, Agrar- und Ernährungswissenschaften sowie Sozialwissenschaften kämen zu kurz. Die Broschüre diskreditiere potentiell negative wissenschaftliche Ergebnisse als "Berichte der öffentlichen Medien, die sich nicht auf repräsentative Daten berufen."


Herbizidtoleranz und Koexistenz

Die Herbizidtoleranz gentechnisch veränderter Pflanzen gegenüber "Roundup Ready" wird von der DFG als unproblematisch in Bezug auf Mensch und Umwelt dargestellt. Die Kritiker der Broschüre zeigen jedoch, dass eine Vielzahl von Studien zu einem anderen Ergebnis kommen: Schon 2007 habe man in Brasilien festgestellt, dass der mittel- und langfristige Einsatz des Herbizids durch Transfer auf Nicht-Zielorganismen zu vermehrten Pflanzenkrankheiten, einer reduzierten Verfügbarkeit von Mikronährstoffen und toxischen Effekten auf Bodenbakterien und -pilze führt. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Resistenzbildung der Unkräuter. Andere Untersuchungen weisen auf eine Kontamination von Gewässern und dem Grundwasser hin. Für die DFG ist Koexistenz gentechnisch veränderter und konventioneller Kulturpflanzen grundsätzlich möglich. Dem widerspricht die von den Kritikern angeführte Bewertung von Tappeser et al.: "Eine ökologische Koexistenz ist für Arten mit kreuzbaren Verwandten in Europa, beispielsweise bei Raps, nicht oder bei der Zuckerrübe nur schwer zu gewährleisten."


Gesundheitliche Risiken

Die DFG lobt die hohen Standards, wegen derer nicht von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen sei. Dagegen verweisen die Wissenschaftler auf neuere Erkenntnisse zur Wirkung von Antibiotika-Resistenzgenen auf Bodenorganismen: Martinez gab 2009 zu bedenken, dass solche Antibiotika-Resistenzgene zu Veränderungen bei Mikroorganismen in der Umwelt führen können. Die Wissenschaftlerin Hug weist darauf hin, dass Antibiotika-Resistenzgene durch horizontalen Gentransfer auch auf menschliche Darmflora-Bakterien übertragen werden können. Expertengruppen der Welternährungs- und Weltgesundheitsorganisation fordern, dies in der Risikoabschätzung zu berücksichtigen.

Auch Informationen zur Tierernährung widerlegen die Kritiker. In der Broschüre heißt es, dass "Pflanzen unter dem Einfluss von Polyaspartat die wichtige Aminosäure Arginin bilden, die, als Zusatzstoff für Futtermittel eingesetzt, das Immunsystem stimuliert und gegen Tumorzellen wirkt. Neben der Stresstoleranz der Tiere fördert Arginin auch die Aufnahme von Stickstoff aus dem Futter, so dass die Tiere (hier: Schweine) schneller wachsen und weniger Stickstoff ausscheiden, der in zu hohen Konzentrationen Gewässer und Grundwasser belasten kann, wenn die Gülle als Dünger ausgebracht wird". In der praktischen Ernährung des Schweins, so die Wissenschaftler, hat ein Zusatz an Arginin - im Gegensatz zu anderen Aminosäuren - keine Wirkung und daher auch keinerlei Bedeutung, da Arginin schon in recht hohen Gehalten im Futter vorliegt. Tumorerkrankungen spielten beim Schwein keine Rolle. Die Aussagen, Arginin führe durch die verbesserte Aufnahme von Stickstoff zu einem schnelleren Wachstum und einer geringeren Ausscheidung von Stickstoff, würden schlicht jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren.

Desweiteren setzen sich die Kritiker kritisch mit den DFG-Darstellungen zum Antibiotikaresistenz-Gen bei Bacillus thuringiensis, dem Umwelteinfluss, dem durch die Gentechnik hervorgerufenen Landnutzungswandel, einer volkswirtschaftlichen Bewertung, aber auch sozialen Risiken, den wachsenden Monopolstrukturen im Saatguthandel sowie der Privatisierung der Forschung kritisch auseinander. Nach eigener Darstellung haben die Wissenschaftler, die selbst zur Forschungsseite gehören, der DFG ihre Kritikpunkte schriftlich und mündlich vorgetragen und ihr empfohlen, die Broschüre zurückzuziehen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, 342 - März 2011, S. 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2011