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INTERNATIONAL/125: Hunger und Lebensmittelverschwendung beschäftigen Medienforum in Neapel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Oktober 2014

Ernährung: Hunger und Lebensmittelverschwendung beschäftigen Medienforum in Neapel

von A. D. McKenzie


Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Ren Wang von der FAO
Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Neapel, 10. Oktober (IPS) - Gut 30 Jahre alt ist die Parodie auf den Michael-Jackson Song 'Beat it', die aus der Feder des US-amerikanischen Satirikers und Musikers Weird Al Yankovic stammt. "Iss auf", heißt es darin aus der Perspektive von Eltern, die ihren Zögling fragen, ob er denn nicht wisse, "dass Kinder in Japan verhungern".

'Eat it' hat auch heute noch Relevanz und eignet sich als Schlachtruf von Aktivisten, die auf den ernsten Zusammenhang zwischen drastischer Lebensmittelverschwendung und pervertierten Konsumverhaltens einerseits und dem chronischen Hunger von 805 Millionen Menschen andererseits hinweisen. Die Weltlandwirtschaftsorganisation FAO gibt die Zahl der Lebensmittelverluste mit 1,3 Milliarden Tonnen jährlich an.

"Obwohl sich die globale Nahrungsmittelproduktion seit 1946 verdreifacht hat und der Anteil unterernährter Menschen in den letzten 20 Jahren 20 Jahren von 18,7 Prozent auf 11,3 Prozent gesenkt werden konnte, ist Ernährungssicherheit eine große Herausforderung geblieben", sagte Ren Wang, stellvertretender FAO-Leiter der Abteilung für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. auf dem Elften Internationalen Medienforum in Nepal.

Organisiert von 'Greenaccord', einer Umweltorganisation mit Sitz in Rom, hat das Forum mit dem Thema 'Die Welt ernähren: Nahrung, Landwirtschaft und Umwelt' im derzeitigen UN-Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft vier Tage lang (vom 8. bis 11. Oktober) Experten, Journalisten und Entscheidungsträger in Neapel zusammengebracht.


Ein Drittel der produzierten Nahrung verloren

Der Anteil der Lebensmittel, die weltweit verderben und im Müll landen, entspricht einem Drittel der globalen Nahrungsmittelproduktion. Das bedeutet, dass es eigentlich keinen Grund für eine weitere globale Ertragssteigerung gibt. Tatsächlich produziert die Welt nach Ansicht von Forschern genug, um theoretisch jedem einzelnen Erdenbürger jeden Tag mit einem Überenergieangebot von 2.800 Kalorien zu versorgen. Doch während manche Menschen ihre Nahrungsmittel in die Mülltonne klopfen, sitzen andere vor leeren Tellern.

Auch wenn Verschwendung und Hunger nicht in einem direkten Zusammenhang stünden, sei unbestritten, dass globale Ernährungssysteme durch Ungleichheit gekennzeichnet seien, erklärte Gary Gardner vom 'Worldwatch Institute', einer um Nachhaltigkeitsstrategien bemühten Forschungs- und Aufklärungsorganisation.

"In wohlhabenden Staaten stellt sich die Verschwendung häufig auf der Ebene der Händler und der Verbraucher ein", meinte er gegenüber IPS. In Entwicklungsländern gehen Nahrungsmittel auf dem Weg von den Farmen bis zu den Märkten verloren. Es fehlt an adäquaten Kühl- oder Lagersystemen, die verhindern, dass die Ware verdirbt.

Lebensmittelverschwendung und -verluste schlagen nach Angaben der SAVE-FOOD-Initiative mit jährlich 680 Milliarden Dollar in den Industriestaaten und 310 Milliarden Dollar in den Entwicklungsländern zu Buche. SAVE FOOD ist ein Kooperationsprojekt der Messe Düsseldorf, der FAO und des UN-Umweltprogramms UNEP, das über weltweite Nahrungsmittelverluste informiert, Akteure vernetzt und Projektförderung betreibt.

SAVE FOOD zufolge verschwenden die Verbraucher in den reichen Staaten rund 222 Millionen Tonnen Nahrungsmittel. Das entspricht der gesamten Netto-Nahrungsmittelproduktion von Sub-Sahara-Afrika. "Schon ein Viertel der weltweit verschwendeten Lebensmittel zu retten, würde ausreichen, um 870 Millionen hungernde Menschen zu ernähren."

In Europa hat die Entsorgung von Nahrungsmitteln durch den Handel öffentliche Proteste hervorgerufen. Dies gilt vor allem dort, wo es Menschen untersagt wird, sich aus den Abfallcontainern der Geschäfte für den Eigenbedarf zu bedienen, und Aktivisten für den Verzehr von Lebensmitteln werben, die weggeworfen werden, nur weil ihr Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.

Die britische Supermarktkette 'Tesco' hat bestätigt, in den ersten sechs Monaten des letzten Jahres 28.500 Tonnen Lebensmittel ausgesondert zu haben. In ganz Großbritannien werden Berichten zufolge jährlich 15 Millionen Tonnen weggeworfen. In Deutschland waren es einer Untersuchung der Fachhochschule Münster im Jahr 2009 zufolge 11,4 Millionen Tonnen. Für die USA geht man davon aus, dass etwa 40 Prozent der produzierten Nahrungsmittel auf den Müllkippen landen.

Auf dem Forum in Neapel, auf dem über die sozialen und ökologischen Konsequenzen der Nahrungsmittelverschwendung diskutiert wird, berichtete Gardner vom Worldwatch Institute von den Erfahrungen, die der Aktivist Rob Greenfield bei seiner Fahrradtour durch die USA gemacht hatte, auf der er sich ausschließlich mit Nahrungsmitteln aus den Abfallcontainern der Lebensmittelläden ernährte.

"Vielfach stieß er auf ungeöffnete Kisten mit genießbaren Cerealien, Sprudelwasser und anderen Nahrungsmitteln, die ohne ersichtlichen Grund einfach weggeworfen worden waren", erläuterte Gardner gegenüber IPS. "Das ist wirklich keine optimale Art, Lebensmittel abzustoßen. Sie sollten gar nicht erst produziert werden."


Abfälle zu Biogas

Tesco und andere britische Supermarktketten haben inzwischen zugesagt, sich an einem Programm zur Müllverringerung zu beteiligen. Und in vielen Ländern ergreifen immer mehr Restaurants Maßnahmen, den Abfall nicht nur zu verringern, sondern aus ihm Biogas zu erzeugen. Anstatt Nahrungsmittel wegzuwerfen, sollten die Supermärkte die Nahrungsmittel lieber an Suppenküchen abgeben", so Gardner. "Doch am allerbesten wäre es, Lebensmittelabfälle von vornherein zu vermeiden."

"Ernährungssicherheit und Klimawandel weisen einige gemeinsame Herausforderungen auf", meinte Adriana Opromollo von der internationalen Hilfsorganisation 'Caritas International'. "Auf lokaler Ebene konnten wir beobachten, dass die Verwendung von Nahrungsmittelabfällen zur Herstellung von Biogas sinnvoll ist. Wir brauchen Lösungen, die speziell auf den jeweiligen Kontext zugeschnitten sind."

Müllvermeidungsstrategien sind keine Grenzen gesetzt, und oft können einfache Entscheidungen Großes bewirken. US-Schulkantinen machten die Erfahrung, dass die Ausgabe von Geschirr ohne Tabletts viele Schüler dazu bewegt, sich nur so viele Lebensmittel zu nehmen, wie sie auch verzehren können. Die Folge war, dass ein Viertel weniger Abfall produziert wurde. Vielleicht wäre auch diese Eat-it-Version einen Song wert. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/a-billion-tons-of-food-wasted-yearly-while-millions-still-go-hungry/

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IPS-Tagesdienst vom 10. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2014