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INTERNATIONAL/130: Mit Recht Kleinbauern und -bäuerinnen schützen! (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014
Goldgräberstimmung
Bioökonomie zwischen Welthunger und Rohstoffalternativen

Mit Recht Kleinbauern und -bäuerinnen schützen!
Industrieländer blockieren Weg zur UN-Erklärung

Von Gertrud Falk


80 % der chronisch Hungernden leben in ländlichen Regionen und bestreiten ihren Lebensunterhalt durch kleinbäuerliche/kleinfischerliche Produktionsweisen. 70 % der Hungernden sind Frauen und Mädchen. Als Reaktion auf diesen anhaltenden Skandal hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im September 2012 beschlossen, eine Internationale Erklärung der Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, zu formulieren. Doch vor allem die Industrieländer stellen sich quer.


Seit über zehn Jahren weisen die Menschenrechtsorganisation FIAN und La Via Campesina, der internationale Verband kleinbäuerlicher Organisationen, den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) gezielt auf den anhaltenden Skandal hin, dass die ländliche Bevölkerung, insbesondere Frauen, aufgrund mehrfacher Diskriminierungen überdurchschnittlich unter Hunger leidet. 2010 beauftragte er daraufhin seinen Beratenden Ausschuss mit einer Studie zu den Ursachen.

Mehrfache Diskriminierungen ländlicher Bevölkerung

In seinem abschließenden Bericht aus dem Jahr 2012 (A/HRC/19/75) nennt der Beratende Ausschuss fünf Hauptgründe für den Hunger in ländlichen Regionen:

  • Landenteignungen, Vertreibungen und Umsiedlungen
  • Geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen
  • Fehlende Agrarreformen und politische Maßnahmen für ländliche Entwicklung
  • Fehlende Mindestlöhne und soziale Sicherheit
  • Repression und Kriminalisierung von Bewegungen, die die Rechte von Menschen schützen, die auf dem Land leben.

Der Beratende Ausschuss hat ein Bündel an Gegenmaßnahmen empfohlen. Auf der einen Seite sollen bestehende Menschenrechtsinstrumente besser durchgesetzt sowie normative Lücken geschlossen und zum Beispiel das Recht auf Land als Menschenrecht anerkannt werden. Vor allem soll aber eine internationale Erklärung der Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, entwickelt werden. In ihr sollen einerseits bestehende Menschenrechte für die Zielgruppe zusammengeführt werden, sie soll andererseits aber auch neue Rechte enthalten, wie die Rechte auf Land, Saatgut und Produktionsmittel.

Wenn die Betroffenen aktiv mit in den Erarbeitungsprozess einbezogen würden, sei das aus Sicht des Beratenden Ausschusses der beste Weg, um die lang anhaltenden Diskriminierungen zu beenden. Als Basis für die Entwicklung des Textes hat er einen Entwurf von La Via Campesina vorgeschlagen, der das Spektrum der Diskriminierungen der Betroffenen anschaulich darstellt.

Industrieländer stimmen gegen Menschenrechtserklärung

Im September 2012 ist der UN-Menschenrechtsrat einer Empfehlung seines beratenden Ausschusses gefolgt und hat die Earbeitung einer Erklärung der Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, beschlossen. Die neun Gegenstimmen kamen ausschließlich von EU-Mitgliedern und der USA. Deutschland war damals kein Mitglied des UNMenschenrechtsrats, hatte sich aber im Rahmen der vorgeschalteten Konsultationen gegen eine Internationale Erklärung ausgesprochen. Seitdem das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) sich in den Prozess eingeschaltet hat, zeigt sich die Bundesregierung verhandlungsbereit.

Zentrale Fragen strittig

Zur Erarbeitung der Erklärung hat der Menschenrechtsrat eine offene Arbeitsgruppe(1) unter Vorsitz von Bolivien eingerichtet. Deren jüngste Mandatsverlängerung (A/HRC/26/L.13) im Juni 2014 hat er mit dem Auftrag verbunden, informelle Konsultationen mit allen relevanten Interessengruppen zu führen und einen neuen Text zu entwerfen. Denn vor allem Industriestaaten lehnen den Entwurf von La Via Campesina als zu weitgehend ab. Zunächst sollten bestehende Menschenrechtsinstrumente konsequent umgesetzt werden. Zudem sei die Zielgruppe schwierig einzugrenzen und die formulierten Rechte auf Land, Saatgut und landwirtschaftliche Produktionsmittel seien völkerrechtlich nicht begründet.

Dem stellt La Via Campesina sein Modell der Ernährungssouveränität gegenüber. MenschenrechtsexpertInnen argumentieren, dass Land für die darauf arbeitenden Bevölkerungsgruppen, insbesondere für Frauen, eine so bedeutende Ressource darstelle, dass die Zeit reif sei, ein Recht auf Land zu formulieren. Landgrabbing habe mit den existierenden Schutzinstrumenten nicht gestoppt werden können. Existierende Menschenrechtskonventionen gelten zwar auch für die ländliche Bevölkerung. Aufgrund ihrer massiven Diskriminierung und Ausgrenzung werde jedoch ein neues Menschenrechtsdokument benötigt, in dem sowohl bestehende, für die Zielgruppen bedeutende Menschenrechte zusammengefasst sind, als auch nötige neue Rechte formuliert werden.


Autorin Gertrud Falk arbeitet bei FIAN zu den Bereichen Ernährungssicherndes Einkommen, Gender, Jahresthema, Rechte von BlumenarbeiterInnen, MultiplikatorInnen.


Anmerkung

1. Alle Dokumente der Arbeitsgruppe sind online abrufbar:
http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RuralAreas/Pages/2ndSession.aspx


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014, Seite 37
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2015

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