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LANDWIRTSCHAFT/1416: Seltene Nutztierrassen - Zucht und Erhaltung (PROVIEH)


PROVIEH Heft 1 - März 2010
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Seltene Nutztierrassen - Zucht und Erhaltung

Von Susanne Aigner


Alle zwei Wochen stirbt auf unserem Planeten eine Rasse aus. Auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) stehen 90 Rassen allein für Deutschland. Betroffen sind alle Tierarten: Rinder, Schweine, Pferde, Ziegen, Schafe, Hunde, Bienen. Mit ihrem Aussterben geht auch ein breit gefächerter Gen-Pool unwiederbringlich verloren. Ohne gezielte Erhaltungsmaßnahmen wären zum Beispiel die robusten Rinderrassen mit hoher Grundfutterverwertung (gute Milchleistung aus Heu, Gras, Silage), einer hohen Milch-Lebensleistung und hoher Widerstandsfähigkeit bald von unseren Weiden verschwunden.


Die Arche-Höfe der GEH

Die GEH wurde 1981 gegründet und hat heute 2.200 Mitglieder, die zum größten Teil Tiere alter Rassen halten. Im Jahr 1995 wurde das Arche-Hof-Projekt initiiert. Der Arche-Hof ist ein vom Patentamt anerkanntes Warenzeichen. 85 Arche-Höfe gibt es in Deutschland. Mindestens drei gefährdete Rassen werden auf einem Arche-Hof in einem landwirtschaftlichen Umfeld gehalten. Sie sind in drei Kategorien unterteilt: Zu Gruppe A gehören Rinder, Pferde, Schweine und Esel. Schafe und Ziegen bilden Gruppe B, Gruppe C umfasst Geflügel, Kaninchen, Bienen und Hunde. Zu jeder Tierart ist eine bestimmte Anzahl an Individuen nötig - einschließlich Vatertiere - als Basis für eine Zucht auf breiter genetischer Basis. Ziel ist die Erhaltung der Rassen mit ihren typischen Eigenschaften und in ihrer Typenvielfalt.

Die Tierzucht auf einem Arche-Hof erfolgt nach wissenschaftlichen Kriterien: Die Tiere mindestens zweier Rassen müssen in einem von der GEH anerkanntem Herdbuch eingetragen sein. Ein regelmäßiger Austausch mit anderen Züchtern hilft, Inzucht zu vermeiden. Bevor ein Hof als Arche-Hof ausgewiesen wird, kontrolliert die Arche-Hof-Koordinatoren-Gruppe Bestand und Herkunft der Tiere, ihre Eintragung im Herdbuch, Kennzeichnung und Ohrmarken genauso wie die Rahmenbedingungen: ihre Unterbringung in den Stallgebäuden, Fütterung und Weidegang. Denn eine artgerechte Haltung ist Voraussetzung. Die Tiere müssen außerdem veterinärmedizinisch untersucht werden und gesund sein. Alle zwei Jahre kontrolliert die GEH, ob alle Bedingungen erfüllt sind, um das Prädikat "Arche-Hof" weiter zu tragen. Auch die Weidefläche ist verplant: für 1,4 Großvieheinheiten (1 GV = 1 Kuh) je Hektar.

Als Arche-Hof ausgewiesen werden kann ein Betrieb, der bereits GEH-Mitglied ist, für einen einmaligen Beitrag von 200,- EUR, neben 50,- EUR jährlich. Der Hof erhält dafür das Arche-Hof-Schild, Informationsmaterial und den Arche-Hof-Vertrag. Damit eine erfolgreiche Erhaltungszucht durchgeführt werden kann, ist ein intensiver Austausch zwischen Arche-Höfen und GEH-Mitgliedern innerhalb einer Region nötig.


Die Nutztierarchen von VIEH

Viele Liebhaber alter Rassen möchten seltene Nutztiere vor dem Aussterben bewahren, können oder wollen aber keine Erhaltungszucht nach wissenschaftlichen Kriterien betreiben. Oft reicht auch nicht der verfügbare Platz, um mehr als ein oder zwei Rassen zu halten. Für diese Nutztierfreunde steht das Netzwerk der "Nutztierarchen" offen. Das ist ein Zusammenschluss von Hobby-Tierzüchtern im Neben- und im Haupterwerb und von Liebhabern seltener Rassen, die in ländlicher Umgebung wohnen. Die erste Nutztierarche wurde 2004 durch Herwig zum Berge von VIEH - einer Initiative zur Erhaltung bedrohter Rassen - gegründet. Mittlerweile umfasst das Projekt rund 3.000 Tiere auf insgesamt 175 Höfen. Im Jahr 2009 waren etwa 1.000 Tiere im Herdbuch eingetragen, 1.250 wurden als Zuchttiere geführt.

Auch in der Nutztierarche gilt es, Regeln zu beachten: Die Rasse muss innerhalb der letzten vier Jahre auf der Roten Liste gestanden haben. Neben Herdbuch- und Zuchttieren werden auch Tiere akzeptiert, deren Herkunft nicht in dieser Form nachgewiesen ist. Jedoch sollten sie reinerbig und frei von Inzucht sein. Und vorausgesetzt wird eine artgerechte Haltung. Herwig zum Berge oder eine von ihm beauftragte Person kontrolliert, ob der Tierhalter diese Bedingungen erfüllt. In diesem Fall kann der Halter der Tiere für 25,- EUR ein Schild mit dem Slogan "Nutztier-Arche - Mit Genuss erhalten" erwerben sowie Werbeprospekte, Aufkleber und Ähnliches mit dem Logo der Nutztierarchen auf seinem Hof verwenden.


Lebenderhaltung

Bei allen Zuchtbemühungen ist es wichtig, Tiere vom Aussterben bedrohter Rassen lebend zu erhalten. Die Einlagerung von tiefgekühltem Sperma, um später ein Tier dieser Rasse daraus zu gewinnen, sei keine nachhaltige Lösung, meint Antje Feldmann (GEH). Nur lebend können sich Tiere den sich ständig verändernden Umweltbedingungen anpassen. Auch sei es wichtig, dass die Produkte alter Rassen - Milch, Wolle, Eier, Fleisch - verkauft oder vom Halter selbst genutzt werden. Denn: Nur eine Rasse, die genutzt wird, bleibt langfristig erhalten.


Quellen:

Feldmann, Antje, GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.), www.g-e-h.de

Die Nutztierarche: www.vieh-ev.de


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Quelle:
PROVIEH Heft 1, März, 2010, Seite 14-15
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2010