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LANDWIRTSCHAFT/1623: Bock auf Bohnen - Leguminosen und Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 378 - Juni 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bock auf Bohnen
Leguminosen und Agrarpolitik

von Christoph Dahlmann



Am Ende der Verhandlungen um die EU-Agrarreform hatten plötzlich alle etwas übrig für Leguminosen, jene kleinen Wunderorganismen, die durch ihre Kooperation mit den Knöllchenbakterien Luftstickstoff binden und nutzen können und damit auch dem Zeitgeist und seinem Thema Klimaschutz entsprechen. Das nur eine Alibiförderung im Greening übrig geblieben ist, ist bedauerlich und kann nur als Einstieg in entsprechend bessere Bedingungen bei der nächsten Reform gesehen werden.


Praktische Umsetzung

Nun sollen also auf den neu eingeführten ökologischen Vorrangflächen mit dem Gewichtungsfaktor 0,7 Leguminosen angebaut werden, chemischer Pflanzenschutz und Mineraldünger sind erlaubt. Rund 7 Hektar bei 100 Hektar Acker wären das. Die Frage ist nur, inwieweit der Leguminosenanbau für Betriebe eine Option ist, da auch der Anbau von Zwischenfrüchten mit einem Gewichtungsfaktor von 0,3 auf ökologischen Vorrangflächen möglich ist. Als Beispiel ein Betrieb aus einer Region mit hohem Maisanteil: Der Betrieb baut nach der ab 2015 geltenden Anbaudiversifizierung 75 Hektar Mais und 25 Hektar Getreide an. Will er die Vorgabe für die ökologischen Vorrangflächen über Zwischenfrüchte erfüllen, muss der Betrieb bis zum 1. Oktober des jeweiligen Jahres eine Zwischenfrucht, in der Regel bestehend aus zwei Arten, auf mindestens 16,67 ha aussäen, zum Beispiel ein Senf/Ölrettich-Gemenge oder ein Energiegetreidemix für die Biogasanlage. Was in solchen Betrieben eh schon Praxis war, gilt jetzt als Nachweis für die ökologischen Vorrangflächen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich BetriebsleiterInnen unter diesen Gegebenheiten mit dem für sie neuen Anbau von Leguminosen beschäftigen. Für einen Marktfruchtbetrieb bzw. flächenstarken Veredlungsbetrieb, welche möglicherweise bisher schon vier Kulturen in ihrer Fruchtfolge hatten, kann sich in Kombination mit der Agrarumweltmaßnahme "Vielfältige Kulturen im Ackerbau" die Erweiterung der Fruchtfolge um eine Leguminose sehr wohl rechnen. Die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen bieten diese Agrarumweltmaßnahme neu an, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und weitere Bundesländer werden sie fortführen. Da die Gelder mitunter aus der Gemeinschaftsaufgabe für Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) mit jährlich 600 Mio. Euro gedeckelt sind und auch andere Maßnahmen aus diesem Topf bezahlt werden, ist bei starker Nachfrage mit einer begrenzten Anzahl von Förderungen zu rechnen. Aus Schleswig-Holstein wurde schon kolportiert, dass das Programm sehr gut angenommen wurde...


Eiweißpflanzenstrategie

Die Eiweißpflanzenstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist mit den modellhaften Demonstrationsvorhaben für Soja seit 2014 in der Praxis aktiv. Für die Lupine wird es in der Praxis erst für 2015 reichen. Was die Vorhaben für die wichtigen Körnerleguminosen Ackerbohne und Erbse angeht, steht der Startschuss noch aus. Genauso wie für die wichtigen Feinleguminosen wie Klee und Luzerne. Der Ernährungsausschuss will drei Mio. Euro aus der Förderung nachwachsender Rohstoffe in einen neuen Haushaltstitel zur Finanzierung der Eiweißpflanzenstrategie umschichten - dies würde das Bundesprogramm Ökolandbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) entlasten. Ob diese Summe ausreicht, um adäquate Demonstrationsvorhaben auf den Weg zu bringen sei dahin gestellt.


Mehr Leguminosen

20 Prozent Leguminosen in der Fruchtfolge, damit die Agrarzahlungen vollständig an die Betriebe ausgeschüttet werden, war die Maximalforderung der AbL im Zusammenhang mit der jüngsten GAP-Reform. Ob die Höhe der sehr hohen Messlatte richtig ist, darüber mag man streiten. Wie berechtigt allerdings die Forderung nach einem höheren Anteil Leguminosen in der Fruchtfolge und damit auch die Erzeugung von hochwertigem Protein in der Fruchtfolge war, zeigt sich in unterschiedlichen Aktivitäten. Der Donau-Soja e.V. versucht seit seiner Gründung im Jahre 2012 den Anbau von europäischen und gentechnikfreien Soja voranzubringen. Die Initiative hat schon 135 Mitglieder, unter anderem die REWE Group und Hofer (der Aldi in Österreich). Ein derzeitiges Anbauvolumen von über 700.000 Hektar unterstreicht die ehrgeizigen Ambitionen in 2018 bei 1,5 Millionen Hektar zu landen. Der WWF und die UFOP (Union zur Förderung von Öl- & Proteinpflanzen) initiieren seit Herbst letzten Jahres innerhalb von Eiweißfuttermittelforen den Austausch zwischen den Playern zum Thema "Nachhaltigere Eiweißfuttermittel". Teile des Lebensmitteleinzelhandels haben in hot spot Analysen zur Nachhaltigkeit den Bereich Eiweißfuttermittel als Kernherausforderung ermittelt, und streben eine Umstellung auf heimische Eiweißfuttermittel, bzw. aus zertifiziertem und verantwortungsvollem Anbau stammenden Quellen, an. In Bayern ist im Frühjahr 2011 das Aktionsprogramm "Heimische Eiweißfuttermittel" mit einem beträchtlichen Volumen gestartet worden. Kleiner bezüglich des finanziellen Volumens, aber nicht weniger ambitioniert, startete kurz vorher das Projekt "Vom Acker in den Futtertrog" der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) NRW e.V. Vergessen darf man nicht die vielzähligen Initiativen, Verbände und Regionalprogramme, die schon seit Jahrzehnten die Thematik quasi inhaliert haben. Seien es Regionalprogramme, die mitunter auch im Süden Deutschlands den Anbau von Soja vorangebracht haben, Futtermittelwerke, die auf Gentechnikfreiheit setzen oder Landhändler, die aufgrund pflanzenbaulicher Probleme in der Region, bei der Suche nach Alternativen in der Fruchtfolge zu dem Anbau von Körnerleguminosen gefunden haben (siehe auch nebenstehenden Artikel [im Schattenblick unter www.schattenblick.de → Politik → Ernährung: LANDWIRTSCHAFT/1622: Gebt den Kühen das Gras zurück (UBS)]). Des Weiteren ist da das seit über 25 Jahren bestehende Programm NEULAND, welches als Fokus zwar die artgerechtere Tierhaltung hat, aber auch Gentechnikfreiheit in den Futtermitteln und den Einsatz von regionalen Eiweißfuttermitteln wie Ackerbohne & Co garantiert. Last but not least gibt es die vielen ökologisch wirtschaftenden Betriebe, in denen Leguminosen meist eine zentrale Rolle spielen.


Chance für Regionalisierung?

Die andauernde Hochpreisphase für Soja hat auch in den Mainstream Medien zu einer stärkeren Thematisierung von Möglichkeiten der Soja-Substitution geführt. Rapsschrot erhielt eine zunehmende Bedeutung. So konnte die Menge in der Fütterung von etwa 1,8 Mio. Tonnen zu Beginn des neuen Jahrtausends auf über 3 Mio. Tonnen in 2012 gesteigert werden. Diese Steigerung würde man sich für die wertvollen Eiweißträger Leguminose auch wünschen, birgt er doch den Vorteil, einer nicht intensiven Produktion gegenüber Rapsschrot. Ergebnisse aus dem Eiweißfuttermittel-Projekt "Vom Acker in den Futtertrog" zeigen, dass der Anbau in einigen Regionen bei Berücksichtigung der externen Effekte, wie Vorfruchtwert und phytosanitäre Leistungen, schon jetzt lohnenswert ist. Können Ackerbohne, Erbse und Kleegras betriebsintern verwertet werden, steigert sich die Ökonomie noch. Den Begriff der Gunststandorte hört man oft von den Vertretern der "arbeitsteiligen Welt". Sie meinen damit die klimatisch bevorzugten Regionen Europas für den Anbau von Weizen und Raps, und die angeblichen Vorteile überwiegend auf dem amerikanischen Kontinent für zum Beispiel Soja. Diese pauschale Herangehensweise führte zu einer Verengung von Fruchtfolgen mit den vielfach dokumentierten negativen Konsequenzen weltweit. Hier kann durchaus festgehalten werden, dass bei teilweise monokulturartigen Verhältnissen weder der Anbau von gentechnisch veränderten(gvo)-Soja noch der von nicht gvo-Soja umweltschonend sein kann. Die Ablehnung der Gentechnik ist schon aus sozioökonomischen Gründen und den zunehmenden Abhängigkeiten von Konzerninteressen keine Alternative. Aber auch aus Sicht des Umweltschutzes, durch den nur angeblich verringerten Einsatz von Pestiziden und der vereinfachten Durchführung konservierender Bodenbearbeitungsmaßnahmen, erzielen gvo-Pflanzen keinen Vorteil. Im Gegenteil, bei stagnierenden Erträgen hat sich die Anzahl der resistenten Beikräuter erhöht. Dies hat steigende Pestizidaufwandmengen und giftigere Herbizidformulierungen zur Folge.


Chance verpasst

Die Eiweißfuttermittel sind ein globales Thema. Jahrzehntelang ermöglichte billige Soja die zunehmende Intensivierung in der europäischen Landwirtschaft. Genauso lange werden schon die damit einhergehenden Probleme, wie Landnutzungsänderungen, Verlust der Bodenfruchtbarkeit und soziale Verwerfungen, diskutiert. Das hat die Soja-Lobby nie interessiert. Was sie aber auf der europäischen Seite interessieren müsste, sind die zunehmend teuer erkauften Verfügbarkeiten von Soja. Die europäische Union hätte mit der EU-Agrarreform eine Trendwende einläuten können durch eine stärkere Berücksichtigung der Leguminosen bei abnehmender Intensität in der Landwirtschaft. Sie haben es mal wieder verpasst.



Christoph Dahlmann,
www.Vom-Acker-in-den-Futtertrog.de

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 378 - Juni 2014, S. 11 + 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2014