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LANDWIRTSCHAFT/1718: "Zukunft für die bäuerliche Tierhaltung" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Zukunft für die bäuerliche Tierhaltung"
Seminar von AbL, BN und Landesnetzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken

von Marcus Nürnberger


Wer weiß noch, woher sein Essen stammt, unter welchen Bedingungen es produziert wurde? Besonders in den Fokus der gesellschaftlichen Kritik gerutscht sind seit einiger Zeit die Bedingungen, unter denen in Deutschland Tiere gehalten werden. Das 2014 in Bayern gegründete Netzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken hat sich zur Aufgabe gemacht, neue Mastanlagen und Milchviehställe oberhalb der Schwelle der Umweltverträglichkeitsprüfung zu verhindern. Doch die Menschen im Netzwerk möchten nicht nur kritisieren, sondern auch Alternativen aufzeigen und voranbringen. Zu diesem Zweck hat der Bund Umwelt und Naturschutz, unterstützt von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und dem Landesnetzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken, zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung ins Kolpinghaus in München eingeladen.

Was ist Massentierhaltung?

Dieser Begriff wird immer wieder verwendet und nur selten definiert. Das Landesnetzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken orientiert sich in seiner Grenzsetzung an den Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes: 30.000 Mastgeflügelplätze, 1.500 Mastschweine, 15.000 Legehennen, 560 Zuchtsauen oder 600 Rinder. Neben einer klaren Abgrenzung zu Ställen, die das Bündnis ablehnt, wird auf dem Seminar aber vor allem deutlich, wohin man will.

München artgerecht

Auf eine ganze Reihe von Erfolgen kann die Initiative Artgerechtes München verweisen. Das breit in der Gesellschaft verankerte Projekt versucht seit mehreren Jahren, die Kantinen der öffentlichen Institutionen auf den Bezug artgerecht produzierten Fleisches mit regionalen Herkünften umzustellen. Im Oktober 2016 beschloss der Stadtrat bei städtischen Empfängen nur noch Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu verwenden. In Schulen und städtischen Institutionen starteten Pilotprojekte. Im Fokus von Artgerecht München ist jetzt das Wirtschaftsreferat, dass aufgefordert ist einen engagierten Vorschlag für die Münchner Großveranstaltungen machen, berichtet Stephanie Weigelt. Viele zehntausend Münchnerinnen und Münchner, die mehr wollen, stehen hinter der Initiative. Als zusätzliche Überzeugungshilfen hat Artgerecht München inzwischen auch wissenschaftliche Studien erstellen lassen, die belegen, dass die Mehrkosten in Kantinen unter zehn Prozent liegen. Deutliche Einsparungen wären auch im Bereich der Wasserreinhaltung zu erreichen.

Gute Preise

Dass sich eine tiergerechte Haltung auch für den Landwirt lohnt, das zeigte der stellvertretende Vorsitzende der Neuland-Erzeugergemeinschaft Süd (EZO Süd), Hans Möhrle. Derzeit hat die EZO ca. 35 Mitglieder, die auf der Grundlage der Neuland-Kriterien, der Premiumstufe des Labels des deutschen Tierschutzbundes oder nach ökologischen Kriterien produzieren. Neben einem guten Netzwerk mit "besten Marktkenntnissen" bietet die EZO auch eine intensive Beratung und Betreuung bei der Umstellung, z. B. der Haltung von Langschwanzschweinen. Wer mitmachen will, muss das ganz oder gar nicht tun. Teilumstellungen sind ausgeschlossen. Stroh im Liegebereich und eine Kastration unter Betäubung gehören ebenso zum Konzept wie feste Bestandsobergrenzen, ein gegenüber gesetzlichen Vorgaben circa doppeltes Platzangebot und gentechnikfreie Fütterung. Dafür winken den Mitgliedsbetrieben feste Abnahmebedingungen. Aktuell vor allem mit EDEKA, die eine Abnahme des unter der Marke Hofglück vertriebenen Fleisches bis 2025 zugesagt hat. Neben einem Grundpreis von 2,15 Euro/kg gibt es mindestens einen Aufschlag von 0,40 Euro/kg auf den üblichen Marktpreis. Diese gesicherte Abnahme zum definierten Preis ist natürlich der große Gewinn für die teilnehmenden Betriebe. Aber auch die Mehrkosten durch die Kastration unter Betäubung, den Strohbedarf, höhere Ferkelkosten (ca. 80 Euro) und vor allem den gestiegenen Betreuungsbedarf zeigte Hans Möhrle auf. Die höheren Stallbaukosten werden zumindest zum Teil durch die bis zu 40-prozentige Förderung für besonders artgerechte Tierhaltung aufgefangen.

Schweine im Stroh

Wie Schweine im Strohstall aussehen, das zeigte der Vorsitzende der EZ0, Karl Oesterle, anhand vieler Bilder bei der Vorstellung zweier Betriebe. Nachdrücklich sprach sich auch Josef Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bayern, für eine Abkehr von immer größeren Ställen, Futterzukauf und der Ausrichtung an Exportmärkten aus. Vielmehr, so Schmid, müsste eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung in regionalen Kreisläufen geschaffen werden. Eine bäuerliche Landwirtschaft, die Allianzen mit vielen Teilen der Gesellschaft bildet, sei der beste Weg um zu einer naturverträglichen, regional verankerten Lebensmittelproduktion zu kommen.

Der Blick nach Norden

Aus Niedersachsen war Thomas Dosch, Abteilungsleiter "Landwirtschaft, Agrarpolitik, Agrarumweltpolitik" im Landwirtschaftsministerium Niedersachsen, gekommen, um den Tierschutzplan Niedersachsens vorzustellen.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, zu der sich leider kein Vertreter der CSU eingefunden hatte, zeigten sich Rosi Steinberger von den Grünen und Herbert Woerlein von der SPD entschlossen, weiterhin für mehr Tierschutz und die Unterstützung kleinerer bäuerlicher Betriebe in Bayern einzutreten. Leopold Herz von den Freien Wählern plädierte für bessere kartellrechtliche Möglichkeiten, um Erzeuger gegenüber der Handelsmacht der Lebensmittelkonzerne besser zu stellen.

Auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Artgerechtes München wurde deutlich, dass es nicht genügt zu hoffen, die Politik würde von sich aus die Rahmenbedingungen ändern. Das Seminar zeigt, wie wichtig gesellschaftliche Bündnisse, das Engagement von Pionieren und Vordenkern sowie die Zusammenarbeit von Umweltverbänden mit z. B. der AbL Bayern sind, wenn bäuerliche Strukturen mit ihrer artgerechten Haltung auch in Zukunft erhalten werden sollen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2017

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