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MARKT/1695: Rein in die Molkerei-Aufsichtsräte? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Rein in die Molkerei-Aufsichtsräte?

Doppelstrategie zwischen Milchboard und Aufsichtsrat muss scheitern


"Das sind doch Eure eigenen Unternehmen, bei denen die Bauern selber bestimmen können!" Diese Position des Bauernverbands gegenüber der BDM-Strategie soll Milchbauern bewegen, in die Aufsichtsräte und Vorstände der Genossenschafts-Molkereien zu gehen, statt den Milchboard stark zu machen. Dies ist auch die Auffassung von mehreren Aufsichtsratsmitglieder von Großmolkereien, mit denen wir zu diesem Thema gesprochen haben. Auf Wunsch unserer Gesprächspartner geben wir deren Antworten anonym wieder:

FRAGE: Weshalb haben Sie Ämter in den Genossenschaftsgremien übernommen?

AUFSICHTSRAT 1: "Das Genossenschaftsprinzip Raiffeisens, gemeinsam mit anderen Bauern die eigenen Interessen besser zu vertreten!"

AUFSICHTSRAT 2: "Die Genossenschaften sind doch die einzige Möglichkeit, sich am Markt durchzusetzen, um bessere Preise oder zumindest Absatzsicherheit zu bekommen!"

AUFSICHTSRAT 3: "Die genossenschaftlich organisierten Molkereien sind bei der Gestaltung der Milcherzeugerpreise maßgebend, weil die privaten Molkereien dieses Interesse nicht haben und sich allenfalls den von Genossenschaften ausgezahlten Milchpreisen anpassen!"

FRAGE: Warum sind dann die Milcherzeugerpreise seit Jahren so niedrig?

AR 3: "Das liegt am Markt, der Konkurrenz und am Druck der Handelsketten."

FRAGE: Könnten die Genossenschaftsmolkereien in gemeinsamer Absprache und koordiniert höhere Preise durchsetzen und dann auch auszahlen?

AR 2: "Nein, das scheitert schon an den 30% Privatmolkereien, außerdem daran, dass die Molkereien mit besserer Verwertung nicht bereit sind, die anderen mit aufzufangen."

Wer in den Entscheidungsgremien einer Genossenschaftsmolkerei sitzt, muss die Interessen dieses Unternehmens vertreten und wohl oder übel den entsprechenden Beschlüssen zustimmen: "ob es nun die Niedrigpreisabschlüsse mit dem Handel sind oder bessere, gestaffelte Erzeugerpreise für größere Bauern, die sonst mit Abwanderung zu anderen Molkereien drohen (AR 1)." Dazu verpflichtet nicht nur die Satzung, sondern vor allem die Konkurrenzlage.

FRAGE: Könnte man theoretisch die Niedrigpreise des Handels ausschlagen, die Staffelpreise ablehnen oder zunächst einmal hohe Erzeugerpreise auszahlen?

AR 3: "Dann bleibt die Molkerei auf den Produkten sitzen, verliert Milchlieferanten oder macht ruinöse Verluste - und das kann man auf die Dauer auch gegenüber den Milchbauern nicht vertreten!"

Deshalb ist das Konzept des Milchboards so zwingend: Die bundesweit ausgehandelten Erzeugerpreise würden für alle Molkereien gelten, würden also keine Konkurrenz-Verschiebungen unter ihnen schaffen, gäben den Molkereivorständen keine Gelegenheit zu obigen Ausflüchten. Unsere Gesprächspartner vertreten diese Meinung verständlicherweise nicht, zumal bei ihrem Amtsantritt diese Alternative noch nicht bestand. Aber "wer mit einer solchen Position in die Gremien geht und dort höhere Milchpreise durchsetzen will oder auch nur Horchposten sein will, der hält diese Doppelrolle nicht lange durch, der wird isoliert und wie ein Aussätziger gemobbt..."(AR 2) Aufsichtsratsmitglied 3 berichtet, man habe ihn wegen seiner öffentlich geäußerten Sympathie für den Milchstreik für Umsatzausfälle haftbar machen wollen und habe ihm im Protokoll entsprechende Zitate in den Mund gelegt.

Weitere Argumente unserer Gesprächspartner gegen eine solche Doppelstrategie: Man kann die meisten vertraulichen Dinge aus dem Aufsichtsrat nicht nach draußen tragen - das schafft Distanz zu den Mitgliedern. Viele Entscheidungen sind in gesonderte Verkaufs- und Marketing-GmbHs ausgegliedert. Die Arbeitnehmervertreter (zumeist Leitende Angestellte) haben nicht die gleichen Interessen. Man hat neben Versammlungen, Vorbereitungen, Telefonaten und Fortbildungen kaum noch Zeit für den Betrieb und schon gar nicht mehr für den BDM (die Aufsichtsrats-Gelder zwischen 15.000 und 60.000 Euro jährlich fangen das kaum ab). Es dauert eine ganze Weile, bis man den Weg in die Aufsichtsräte (über Beiräte und Nachwahlen) geschafft hat, vor allem in den Großmolkereien, wo die meisten Bewerber nur regional bekannt sind...

Fazit: Logischer, konfliktfreier, nachhaltiger und zielführender ist ein Engagement für den raschen Aufbau des Milchboards zur Durchsetzung flächendeckend fairer Milchpreise durch eine Mengenregelung in eigener Hand! (en)


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2009