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MARKT/1782: Stärkekartoffeln vor dem Aus? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 333 - Mai 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Stärkekartoffeln vor dem Aus?

Nach dem Ende der Marktordnung droht Preisdruck


"Verschenke Kartoffelstärke-Lieferrechte, zahle 100 je Lieferrecht zu" - so zahlreiche Anzeigen von Stärkekartoffel-Anbauern in den Landwirtschaftszeitungen. Die Rentabilität des Anbaus ist schon seit langem katastrophal, die Lieferverträge mit den Stärkefabriken beinhalten aber Lieferpflichten. Jetzt steht das Auslaufen der Marktordnung an: Der Anbau von Stärkekartoffeln war bisher durch Kontingente begrenzt. Diese staatlichen Quoten gaben die Stärkefabriken dann im Vertragsanbau an Bauern weiter. Die Fabrik bekam eine Verarbeitungsbeihilfe, die Vertragsbauern einen Mindestpreis je Tonne. Begründet wurde diese Regelung mit den Kosten der Erzeugung von Kartoffelstärke, die deutlich höher liegen als die Kosten bei der Stärkeerzeugung aus Weizen oder Mais.


Mit Bauerngeld

Der Anbau von Stärkekartoffeln ist ein wesentliches Standbein vieler Betriebe im Umkreis der Stärkefabriken: Drei deutsche Konzerne betreiben die Produktion von Kartoffelstärke: die niederländisch-deutsche AVEBE (deutsche Werke: Dallun, Lüchow), Emsland Group (Emlichheim, Kyritz, Golßen, Wietzendorf) und Südstärke (Schrobenhausen, Sünching). Die meisten Bauern haben Anteile an diesen Firmen gezeichnet: Nicht nur wegen der einst lukrativen Lieferrechte, sondern teilweise auch gezwungenermaßen, weil die Fabrik ohne diese bäuerliche Kapitalspritze in den letzten Jahren schon wegen hausgemachter Fehler in Konkurs gegangen wäre. Trotz der schlechten Rentabilität des Anbaus sind viele Landwirte auf diese Frucht angewiesen, weil sie entsprechend in Maschinen investiert haben und ihre aussortierten (minderwertigen) Speisekartoffeln sonst nicht verwerten könnten. Diese Verwertung von Speisekartoffelresten und -überschüssen war bisher auch ein wesentlicher Stabilisator des Speisekartoffelpreises.


Neue Berechnung

Nun werden die Quoten und Mindestpreise abgeschafft. Für Fabriken und Anbauer gibt es keine direkten Subventionen mehr, die bisher dafür aufgewendeten Summen werden auf die Flächenprämien aller Landwirte der jeweiligen Bundesländer aufgeteilt. Ab 2013 gibt es in Deutschland nur noch einen liberalisierten Markt für Stärke. Der Preis der Stärke wird dabei auch vom Preis der konkurrierenden Rohstoffe Weizen und Mais abhängen. Etwa 600 bis 1.000 Euro weniger Deckungsbeitrag je Hektar drohen derzeit.


Verschärfter Konkurrenzdruck

Die Avebe als weltweiter Kartoffelstärke-Marktführer (im Aufsichtsrat sitzt Bauernverbands-Vize Werner Hilse) plant folgende Maßnahmen: Kostenführerschaft im verschärften Wettbewerb durch "weitere Optimierung der Produktion", Wachstum durch Innovation vor allem auch im Lebensmittelbereich (die Kartoffelstärke geht bisher vor allem in die Papierindustrie) und Rationalisierung durch Zusammenarbeit mit anderen Herstellern (offen bleibt, ob damit neben der Emsland-Stärke auch Weizenstärke-Konzerne wie Cargill gemeint sind). Die Menge der unter Vertrag genommenen Kartoffeln will Avebe auf ca. 80 Prozent reduzieren, die man für "ordentlich vermarktbar" hält. Es drohen verschärfte und ruinöse Kämpfe um Marktanteile. Viele Bauern vermuten, dass die Fabriken von der Kartoffel auf andere Billigrohstoffe überschwenken oder auf Billigstandorte in Osteuropa wechseln.


Erzeugerpreise drücken

Das alles soll zu Lasten der Arbeitnehmer gehen (es gab bereits Streiks bei Avebe) und der Kartoffelbauern: Die Fabriken werden beim Abbau der Preise und Konditionen alle Landwirte ins Visier nehmen und gegebenenfalls große, kostenminimierende Betriebe in Fabriknähe und auf Gunstlagen bevorzugen. Steigen die Landwirte aus, und das überlegen viele, gehen ihre Anteile und die Verwertungsmöglichkeiten von Restkartoffeln verloren. Ohne einen Außenschutz gegen Dumpingangebote der US-Stärkekonzerne und ohne eine effektive und fabrik- und konzernübergreifende Interessenvertretung der Bauern wird es weder eine Mengenbündelung noch erfolgreiche Preisverhandlungen geben. en


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 333 - Mai 2010, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2010