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MARKT/1961: Rohstoff Milch ist umkämpft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 357 - Juli/August 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Rohstoff Milch ist umkämpft
Zunehmende Bündelung von Änderungen im Marktstrukturgesetz bedroht

von Marcus Nürnberger



Mehr Marktmacht erlangen! Sich zusammenschließen. Die Milch bündeln. Das sind die wesentlichen Punkte, mit denen die Milchbauern und allen voran der Bundesverband deutscher Milchviehhalter versuchen, den durch Zusammenschlüsse und Fusionen immer stärker werdenden Molkereikonzernen zu begegnen. Ziel ist es, eine adäquate Verhandlungsposition. bei Preisabsprachen und Lieferbedingungen zur erlangen, um den regional oft monopolistischen Strukturen auf der Abnahmeseite kraftvoll begegnen zu können.

In Bayern hat sich mit der Bayern MEG, nach deren personeller Trennung vom Bauernverband, eine eigenständige, im Interesse der Bauern agierende Organisation gebildet. Gemeinsam mit dem BDM arbeitet man daran, in Verhandlungen faire Milchpreise für die Mitglieder zu erstreiten und den Bündelungsgrad weiter voranzutreiben. Derzeit bündelt die Bayern MEG die Milch von ca 50 Milcherzeugergemeinschaften und konzentriert damit nahezu 1,7 Mrd. kg Milch von ca. 10.000 Milcherzeugern. Inzwischen wird das erfolgreiche Modell der Bayern MEG auch in anderen Regionen des Bundesgebiets umgesetzt. Sowohl in Nord- als auch in Westdeutschland sollen Dachorganisationen gegründet werden, in denen sich die einzelnen Milcherzeugergemeinschaften zwecks einer gemeinsamen Vermarktung zusammenschließen können. Den großen Molkereikonzernen dürfte nichts an einer Bündelung ihrer Rohstoffversorger gelegen sein. Dabei haben sie, wie das Beispiel der Hochwald im Raum Lüneburg zeigt, selbst den Unmut ihrer Lieferanten zu verantworten. Anstelle eines dauerhaften Vertrags mit der Milcherzeugergemeinschaft Lüneburg bot das Unternehmen den Bauern nur einen jeweils einjährigen Vertrag an. Vor dem Hintergrund eines angespannten Markts, der Exportabsichten des Unternehmens, einer gescheiterten Zusammenarbeit mit der MUH und 10. bis 15.000 Tonnen Käse, die Arla derzeit unter Preis in den Markt schiebt, war dies den Bauern zu unsicher. Sie kündigten ihrerseits und verhandelten neu. Unter der beratenden Mithilfe der Bayern MEG erhält man jetzt 29,75 Cent, 2 Cent über dem Bundesdurchschnitt. Noch im Juli soll eine eigene MEG als Schwesterorganisation der Bayern MEG gegründet werden. Derzeit gibt es neun Milcherzeugergemeinschaften, die Mitglied werden wollen. Sieben wären zur Gründung nur nötig. Und das Interesse ist groß. "Vor allem aus Mecklenburg-Vorpommern haben wir viele Anfragen", berichtet Ottfried Wolter vom BDM.


Bayern MEG und BDM

Zu Zeiten der Gründung der Bayern MEG fiel es nicht schwer, diese als Bauernsverbandsopposition zur MEG Milchboard des BDM zu erkennen. Auch die selbstbewusste Entscheidung, unter anderem von Geschäftsführer Markus Seemüller, seine Anstellung beim Bauernverband zu Gunsten der Bayern MEG aufzugeben, machte den Weg auch für eine engere Zusammenarbeit mit dem BDM frei. Die anstehenden Neugründungen in Nord- und Westdeutschland unter Mithilfe der Bayern MEG kommentiert deren Aufsichtsratsvorsitzender als Reaktion auf die vom Bundeskartellamt festgestellte, einseitig zu Lasten der Molkereien verschobene Marktsituation. "Das Bundeskartellamt hat im Rahmen der Sektoruntersuchung Milch klare Rahmenbedingungen aufgestellt, mit dem Ziel, bestmöglichen Wettbewerb um die Milch zu generieren. Diese Spielregeln gilt es jetzt umzusetzen, aber auch als Chance zu begreifen."


Kleiner Trick, große Wirkung

Unsaubere Methoden! Das könnte der erste Impuls sein, wenn man vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen von dem neuen Entwurf zum Marktstrukturgesetz hört. Gesetz zur Anpassung des Rechts der Agrarorganisationen. Unter diesem Titel kommt der noch nicht abgestimmte Gesetzentwurf daher. Der neue Vorschlag soll, so scheint es, gezielt die Bündelungsaktivitäten der Bauern unterbinden. So wird es, wenn der Entwurf umgesetzt werden sollte, zukünftig verboten sein, in zwei Agrarorganisationen Mitglied zu sein: § 4 Doppelmitgliedschaft: (1) Eine Agrarorganisation darf nur über Mitglieder verfügen, die in keiner anderen anerkannten Agrarorganisation, die ganz oder teilweise denselben Erzeugnisbereich zum Gegenstand hat, Mitglied sind. Mit einem Streich wäre es gelungen, ca. 70 Prozent der genossenschaftlich mit ihrer Molkerei verbundenen Milchbauern die Mitgliedschaft in einer der Molkerei vorgeschalteten Erzeugergemeinschaft zu verbieten.

In Paragraph 2 (2) wird die Andienungspflicht geregelt: "Die Mitglieder einer Erzeugerorganisation sind verpflichtet, ihre Agrarerzeugnisse und Agrarverarbeitungserzeugnisse, die in den Erzeugnisbereich der Erzeugerorganisation fallen, der Erzeugerorganisation anzudienen." Unabhängig von den bestehenden Lieferverträgen wird hierdurch aus Sicht der Milchbauern eine Monopolstellung der Molkerei geschaffen. Wer wenn nicht die Milchindustrie kann hinter einem derartigen Gesetz stehen?

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 357 - Juli/August 2012, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2012