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MARKT/1986: Regional besser als Bio? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 361 - Dezember 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Regional besser als Bio?
Immer neue Kriterien sollen den Mehrwert von Lebensmitteln verdeutlichen

von Marcus Nürnberger



Regionalität war in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit vornehmlich den Beschickern von Bauernmärkten, den Betreibern von Hofläden und dem Engagement einzelner Lebensmittelgeschäfte vorbehalten. Eine neue Initiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums soll nun Regionalität einer größeren Gruppe von Produzenten, aber vor allem von Verarbeitern zugänglich machen. Der Name der Initiative des BMELV lautet Regionalfenster. Erste Inhalte gibt es auch schon. Eine Arbeitsgruppe aus Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) und der MGH GUTES AUS HESSEN GmbH hat mittels eines Gutachtens die Kriterien für ein Regionalsiegel erarbeitet. Ziel war es, den Begriff der Regionalität als Verkaufsargument für den Verbraucher transparenter darzustellen.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass bei Produkten, die keiner weiteren Verarbeitung unterliegen, z.B. frisches Gemüse und Obst, eine transparente Kennzeichnung. relativ problemlos möglich ist, wenn zuvor die Herkunftsregion klar definiert wurde. Deutlich schwieriger wird die regionale Zuordnung bei verarbeiteten Produkten. Welche Bestandteile müssen aus der Region kommen? Bei Joghurt die Milch. Bei Fruchtjoghurt eigentlich auch die Früchte, der Zucker und die weiteren Zutaten. Schnell wird deutlich, dass für verarbeitete Produkte eine alle Bestandteile umfassende Zertifizierung nur in Ausnahmefällen erreicht werden wird. Der Vorschlag der Gutachter konzentriert sich deshalb auf die Hauptbestandteile. "Die erste Hauptzutat muss zu 100 Prozent aus dieser definierten Region stammen. Beträgt die erste Hauptzutat weniger als 50 Prozent des Produktgesamtgewichts, so müssen auch die weiteren Zutaten jeweils zu 100 Prozent aus der definierten Region stammen, bis mindestens 51 Prozent des Gesamtgewichts erreicht sind", so die Gutachter. Beim Fruchtjoghurt würde es also genügen, wenn die Milch aus der definierten Region stammt. Zusätzlich muss die Verarbeitung in der Region stattfinden.


Eifel oder Deutschland

Doch wer oder was macht Region aus? Was ist Region? Die Gutachter haben eine Lösung. Kleiner als die Nation, sprich Deutschland, aber größer als eine Kommune. Deutschland ohne Rügen ist demnach regional. Viele kleinere Initiativen, die einen nur wenige Kommunen oder einen definierten Naturraum, z.B. Biosphärenreservat Rön, als Regionalbegriff gewählt haben, muss dies irritieren. Wo bleibt das, auch von den Gutachtern angestrebte Ziel, den Regionalitätsbegriff transparenter zu definieren? Offensichtlich wird er zu Gunsten einer möglichst großen und dauerhaften Verfügbarkeit von Rohstoffen wenn nicht geopfert, dann doch zumindest durch eine große Beliebigkeit verwässert. Wer in Zukunft versucht, regionale Produkte über ein kleines aufgedrucktes Fähnchen, Siegel oder Logo im Supermarkt zu entdecken, der wird nicht fündig werden. Die Angaben werden nur im Deklarationsfeld, im Sichtfeld der Zutatenliste nachzulesen sein. Eine grafische Darstellung unterbleibt komplett.


Keine Werbung, kein Nutzen

Der Verbraucher muss also das Kleingedruckte lesen, wenn er über Regionalität informiert werden will. Das scheint wenig transparent. Ob das Regionalfenster unter diesen Rahmenbedingungen viel Zuspruch erfahren wird, bleibt ungewiss. Vielleicht soll es das aber auch gar nicht. Ganz maßgeblich mitbestimmt wurden die aktuellen Kriterien von den führenden Ökoverbänden und dem FiBL. Um die Kontrollkosten niedrig zu halten, sollen die Systeme der Ökokontrolle oder der Zertifizierungsverfahren der Länderzeichen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen anerkannt werden. Bio wäre damit schnell und ohne nennenswerte Mehrkosten auf regional zu trimmen. Neue Konkurrenz, aber vor allem die vielen Regionalinitiativen bleiben aufgrund der schlechten Darstellung ohne Logo oder Siegel faktisch außen vor. Die Ansätze der vielen Regionalinitiativen, die sich im Bundesverband der Regionalbewegung organisiert haben, finden keine Berücksichtigung. Ihr Schwerpunkt liegt auf naturräumlichen, geographischen Einheiten, gegebenenfalls auch auf einer Entfernungsbegrenzung im Bereich von bis zu 200 km. Ihr Motto "Aus der Region für die Region" soll Wertschöpfung bringen, Kreisläufe erzeugen und kulturelle Verbindungen schaffen.

Das jetzt geplante Regionalfenster bleibt weit hinter diesen Ansprüchen zurück. Es ist geprägt von der Suche großer Vermarkter nach einem neuen Verkaufsargument.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 361 - Dezember 2012 2012, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2012