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MARKT/2113: Bio und die hundertprozentige Verfügbarkeit (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 386 - März 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bio und die hundertprozentige Verfügbarkeit
Wenn im Laden immer alles verfügbar sein soll, geraten die Grundlagen des Ökolandbaus in Gefahr

Von Marcus Nürnberger


Der Bioumsatz lag im vergangenen Jahr bei knapp 8 Mrd. Euro und damit rund fünf Prozent über dem Vorjahr. Der Wermutstropfen: Die Ökofläche und die Anzahl der Biobetriebe nahmen im gleichen Zeitraum deutlich langsamer um 2,7 % bzw. 2,9 % zu. Ein Grund hierfür, so Martin Hofstetter, Agraringenieur und Political Advisor bei Greenpeace: "Biobauern verdienen zurzeit schlechter als konventionelle Betriebe. Landwirte, die aus Überzeugung zum Biolandbau gewechselt sind, haben inzwischen alle umgestellt. Nun entscheiden vor allem Kosten und Preise darüber, ob Landwirte auf Ökoanbau umstellen oder nicht. Doch während die Biopreise auch durch den Preisdruck von Importware stagnieren, haben einige konventionelle Landwirte sehr gutes Geld gemacht." Ein Grund für die stagnierenden Preise trotz steigender Nachfrage ist die Aufnahme von Bioprodukten ins Sortiment der Discounter und Lebensmittelketten. Spätestens in diesem Moment zogen die international agierenden Einkäufer mit ihrer Suche nach den günstigsten Anbietern auch im Biobereich ein, mit massiven Auswirkungen auf das Preisgefüge zwischen Produzent und Abnehmer. Der internationale Biohandel verspricht Gewinne und wuchs schnell. Schneller, als die Kontrollorganisationen wirksame Strukturen aufbauen konnten. In regelmäßigen Abständen werden Betrügereien mit konventionellen Produkten, die als Bio deklariert werden, bekannt. Besonders ärgerlich, dass die zuständigen Behörden in den Herkunftsländern sehr unterschiedlich mit derartigen Verstößen umgehen. Der Betrug bleibt zwar ein Betrug, aber die Konsequenzen für die Abnehmer umdeklarierter Ware können sehr unterschiedlich ausfallen. Während in Deutschland beispielsweise der Einsatz konventionellen, in Italien zu Bio umdeklarierten, Weizens und Sojas bei den betroffenen Betrieben zu einer Aberkennung des Biostatus für einen begrenzten Zeitraum führte, wurde dies in anderen Ländern entspannter gesehen und die Eier wurden weiterhin als Bio vermarktet. Dieses Ungleichgewicht soll zukünftig durch eine Clearingstelle vermieden werden.

Stoffkreisläufe

Derzeit scheint es unerreichbar, den Bedarf an Bioprodukten aus regionalen, einheimischen Quellen zu decken. Dies betrifft nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Futtermittel. Vor allem Eiweißträger sind nur in begrenzter Menge aus heimischer Produktion verfügbar. Die Ware über weitgehend anonyme Händler im Ausland zu beziehen, birgt große Risiken, wie das oben beschriebene Beispiel zeigt. Mit Donau-Soja hat sich im Südosteuropäischen Raum eine Organisation gegründet, die vor Ort für hohe Qualitätsstandards garantieren will. Die enge Zusammenarbeit mit den hiesigen Bioverbänden und Futtermischern soll Transparenz schaffen und nachvollziehbare Warenströme garantieren. Längst sind seriöse Unternehmen dazu übergegangen, sich die Betriebe ihrer Handelspartner vor Ort anzusehen, anstatt allein Kontrollzertifikaten zu vertrauen.

Kreisläufe

Auch wenn es gelingt, sichere Herkünfte und Warenströme zu etablieren, so bleibt ein Grundproblem bestehen: Das dem Ökolandbau zugrunde liegende Denken und Wirtschaften in Kreisläufen wird durch immer größere Transportwege und Transportmengen empfindlich gestört. Die Versorgung mit Kali und Phosphor kann im Ökologischen Landbau nur durch die Rückführung von Nährstoffen von außen aufrecht erhalten werden. Im Tiere haltenden Betrieb kann der Bedarf auch durch den Zukauf von Futter ausgeglichen werden. Ansonsten gilt es, die Nährstoffbilanz mittels Zuführung von Bioabfall-Komposten auszugleichen. Dies wird allerdings nur bei einer kleinräumigen Vernetzung zu realisieren sein. Niemand wird versuchen, Biokomposte nach Serbien zu transportieren, um die Nährstoffverluste des dortigen Sojaanbaus für deutsche Legehennen auszugleichen. Aber auch eine Verlagerung der gesamten Produktion nach Serbien wäre nährstofftechnisch betrachtet keine Lösung, denn am Ende entscheidet der Ort des Verbrauchs über den Verbleib der Rohstoffe. "Der Ackerbauer kann nur so lange nachhaltig Nährstoffe abgeben, als er auch wieder etwas zurückbekommt - sei es vom Tierhalter oder (beispielsweise in Form von Komposten) vom Verbraucher", schreiben Walter Zwingel und Dr. Peter Manusch von der Naturland-Fachberatung in einem aktuellen Text zur Bedeutung der Nährstoffkreisläufe in den Naturland-Nachrichten. Bei einem immer stärker an Verkaufsmargen und Zuwächsen von Marktanteilen ausgerichteten Biohandel dürfen die Produzenten die Nachhaltigkeit ihrer Produktion nicht aus den Augen verlieren. Die selbstverständliche Verfügbarkeit fast aller Rohstoffe, ganz unabhängig von ihrer Herkunft, darf nicht dazu führen, die Grundlagen des ökologischen Wirtschaftens, den Kreislaufgedanken, zu vergessen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 386 - März 2015, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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