Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → ERNÄHRUNG


MARKT/2152: Ernährungstrend - Fleischalternativen (PROVIEH)


PROVIEH Magazin 4/2015
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Ernährungstrend: Fleischalternativen

von Sandra Lemmerz


Veggie is(s)t in aller Munde. Kochshows zelebrieren vegetarische Gerichte. Vegane und vegetarische Rezeptbücher tummeln sich in den Bestsellerlisten. Fleischlose Ernährung? Kein Problem mehr. Die Zeiten, in denen man als Vegetarier oder Veganer im Supermarkt mühsam nach in Frage kommenden attraktiven Lebensmitteln suchen musste, sind vorbei. Es gibt inzwischen eine große Anzahl an Alternativprodukten, die auch noch gut schmecken. Und die Auswahl wird immer größer. Von Tofu über Seitan bis zu Schnitzeln aus Lupinen, es gibt alles, was das Herz begehrt. Ganz ohne Tierleid. Das spricht immer mehr Leute an.

Während man noch vor einigen Jahren die meisten Produkte nur in Spezialgeschäften bekam oder per Versand bestellen musste, kann man nun einfach in den nächsten Supermarkt spazieren und wird sicher fündig. Denn Fleischalternativen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und sie verkaufen sich gut. Der Umsatz hat sich in den letzten Jahren vervielfacht und zwar so stark, dass große Firmen, die sich eigentlich auf die Herstellung von Fleischprodukten spezialisiert haben, auf einmal auf den profitablen Veggiezug aufspringen. So produziert die Rügenwalder Mühle plötzlich eine vegetarische Variante ihrer "Schinken Spicker". Wiesenhof bringt sogar vegane Alternativen zu diversen Fleischprodukten auf den Markt und der Fleischvermarkter Vion Food vertreibt seit einiger Zeit erfolgreich die Produktreihe "Vegetaria". Verkehrte Welt?


Ei statt Fleisch

Viele Tierfreunde bemängeln, dass die Rügenwalder Mühle für seine vegetarische Wurst auf große Mengen Hühnereiweiß zurückgreift. Eine Wurst mit einem Eigehalt von ungefähr 70 Prozent mildert das Tierleid nicht, sondern verschiebt es nur. Die Hühner mit einer Legeleistung von fast 300 Eiern pro Jahr sind nach kurzer Zeit ausgelaugt und werden mit 15 Monaten geschlachtet. Ihre Brüder sterben bereits direkt nach dem Schlupf. Wer aus ethischen Gründen zu dieser Veggie-Wurst greift, sollte also lieber andere Produkte wählen, denn die vegetarische Variante ist in diesem Fall kaum "besser" als die Variante mit Fleisch. Ob sie gesund ist, steht auf einem anderen Blatt.


Ökobilanz

Die Weltbevölkerung steigt und ein schonender Umgang mit unseren Ressourcen ist unumgänglich. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen wird zur Produktion von Futtermitteln für "Nutz"tiere verwendet, die selbst die Weide und den freien Himmel nie zu Gesicht bekommen. Das ist ein Umweg, der nicht nötig wäre. Der Anbau von Pflanzen für den direkten Verzehr könnte viel mehr Menschen mit hochwertigen Kalorien versorgen. Zudem weist Fleisch eine deutlich höhere negative Umweltbilanz auf, weil für die Produktion sehr viel mehr Wasser und Energie verbraucht wird als für die Produktion von pflanzlicher Nahrung. Die Massentierhaltung verursacht insgesamt mehr Klimagase als alle Autos, Schiffe und Flugzeuge zusammen.

Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang auch der Anbau von Soja, das vor allem als Futterpflanze verwendet wird. Auch für Fleischersatzprodukte wird Soja häufig verwendet, aber hier ist die verbrauchte Menge deutlich niedriger, da es nicht den Umweg über das Tier geht. Soja hat im Gegensatz zu heimischen Pflanzen eine schlechte Ökobilanz. Der Anbau führt zur Vernichtung von Flächen, unter anderem durch Abholzung von großen Regenwaldbereichen. Auf diesen Flächen werden Monokulturen errichtet, die unter Pestizid- und Düngemitteleinsatz schnell Pflanzen hervorbringen, aber auch schnell ausgelaugt sind. Es müssen also immer wieder neue Flächen her: ein Teufelskreis. Dabei werden viele Kleinbauern von ihren Feldern vertrieben und zu der Arbeit für große Agrarfirmen gezwungen.

Aus ökologischer Sicht sind industrielle Produkte aus Eiern statt Fleisch also ebenfalls keine Lösung. Denn auch hierfür werden Tiere in Massen unter tierquälerischen Umständen gehalten und mit viel Soja gefüttert. Eier in einem Fleischersatzprodukt müssen nicht sein, besonders nicht als Hauptzutat und erst recht nicht aus der Massentierhaltung. Es gibt gute Alternativen von Biofirmen, die aus rein pflanzlichen Inhaltstoffen bestehen (zum Beispiel Taifun, Viana, Wheaty).

Auch die Sojaproduktion für den Nahrungsmittelbedarf ist nicht immer nachhaltig. Hier sollte nach Möglichkeit auf Biosoja aus EU-Landwirtschaft zurückgegriffen werden. Eine heimische Alternative sind Lupinenprodukte. Lupinen sind sehr eiweißreich und können ohne Probleme in Deutschland angebaut werden. Sie haben eine bessere Ökobilanz als Soja.


Fazit

Immer mehr Menschen nähern sich einer pflanzlichen Ernährungsweise an. Es gibt jede Menge spannende vegetarische/vegane Rezepte und Fleischalternativen. Aus gesundheitlicher Sicht sind weniger stark verarbeitete Produkte vorzuziehen. Aber wenn es einmal schnell und unkompliziert sein soll, finden wir unter den neuen Alternativ-Produkten bestimmt etwas, was uns schmeckt. Wenn alle weniger Fleisch essen, können wir viel bewegen. Abschließend bleibt zu sagen, dass bei vegetarischen/veganen Ersatzprodukten als Kaufempfehlung ähnliches gilt wie bei allen anderen Lebensmitteln. Bevorzugen Sie regionale, nachhaltige Produkte, die fair produziert werden und unterstützen Sie (kleine) lokale Firmen, die dies gewährleisten können.

*

Quelle:
PROVIEH Magazin 4/2015, Seite 6-7
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0, Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang