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MARKT/2187: Milch - Menge runter durch Abschläge und Bonuszahlungen (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 401 - Juli/August 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Menge runter durch Abschläge - und Bonuszahlungen
Erfahrungen österreichischer Molkereien mit Konzepten zur Milchmengensteuerung

Von Christine Weißenberg


Die Gmundner Molkerei eG in Österreich hatte sich bei ständig steigenden Milchanlieferungsmengen entschlossen, Anfang März ein Bonus-Malus-Modell zur Mengensteuerung einzuführen. "Die Milcherzeuger orientieren sich deutlich daran", beobachtet Michael Waidacher, Geschäftsführer des genossenschaftlich organisierten Unternehmens mit 2.800 beteiligten Betrieben. "Das läuft jeden Monat besser, es müssen alle erst mal lernen, sich optimal danach zu verhalten. Der administrative Aufwand für uns ist ohne große Probleme leistbar." Das Konzept wirkt: 3,5 Prozent weniger Milch wurden im Mai 2016 gegenüber dem Vorjahr angeliefert. 38 Prozent der Betriebe nehmen den Bonus mit, 32 Prozent landen bei plus/minus null und die restlichen 30 Prozent bekommen Abschläge. Den meisten ist eine ziemlich punktgenaue Lieferung gelungen - viele liefern 104,9 Prozent im Vergleich zur Vorjahresmenge. "Finanziell gleichen sich die Zu- und Abschläge für uns aus", ordnet Waidacher die Auswirkungen auf die Molkerei ein: "Wir haben weniger Milch, die über den Spotmarkt verkauft werden muss. Aber es ist nicht so, dass man einen Markt verliert." Der Beschluss für das Steuerungskonzept ist bis auf Widerruf einstimmig von den 40 Vorstands- und Aufsichtsratsvertretern aus der Bauernschaft gefasst worden. Auf vorausgegangenen Regionaltreffen hatte sich eine deutliche Mehrheit der Betriebe für das nun geltende Modell ausgesprochen und trägt es nach wie vor mit.

Bremsen statt unrentabel verkaufen

Als Referenzmenge die durchschnittliche Vorjahresmonatsmenge heranzuziehen anstatt z. B. die ausgelaufene Milchquote, ist ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Ansichten und bezieht Wachstumsbetriebe ausgehend von ihrer jetzigen Situation mit ein. Waidacher sieht die Entlastung der Molkerei von unrentablen Spotmarktgeschäften. Für weiterreichende Wirkungen und höhere Auszahlungspreise für Milchbäuerinnen und -bauern verweist er auf größere Zusammenhänge: "Wir haben auf eine Marktsituation reagiert und das Modell nicht eingeführt, weil wir dachten, wir könnten damit die Welt verändern. Für den Milchmarkt insgesamt wäre es schön, wenn mehr Molkereien so etwas machen würden. Es sind zu wenige, das müsste europaweit passieren." Einer der österreichischen Milchverarbeiter` die in Richtung Mengensteuerung mitgezogen haben, ist die Ennstal Milch KG, die im April ein gestaffeltes reines Abschlagsmodell eingeführt hat. Johann Ilsinger, Milchbauer mit 16 Kühen, eigener Verarbeitung und Direktvermarktung über Almwirtschaft, ist einer der 800 genossenschaftlich zusammengeschlossenen Lieferbetriebe. Er findet es "fair gegenüber den anderen", wenn diejenigen, die mehr liefern, als sie Anteile gezeichnet haben, einen Abschlag in Kauf nehmen müssen. Als Problem sieht er, dass "die Molkereien sich mit Tiefstpreisen unterbieten, um im Wettbewerb im Handel Marktanteile zu gewinnen bzw. nicht rauszufliegen. Da ist es gewollt, die Milch billig zu halten."

Eine dritte Molkerei, die Pinzgau Milch Produktions GmbH, an der zu 20 Prozent eine Genossenschaft mit 1.000 Bäuerinnen und Bauern beteiligt ist, hat immerhin für drei Monate Einfluss auf die Liefermengen genommen. Deren Geschäftsführer Hannes Wilhelmstätter ist zufrieden mit der bremsenden Wirkung des umgesetzten Mengensteuerungsmodells: "Wir hatten in den ersten drei Monaten des Jahres 30 Prozent mehr Milch als 2015. Bei uns in der Region verstärkte sich das durch ein vorangegangenes außergewöhnlich gutes Grundfutterjahr."

Ausprobiert haben die Pinzgauer ein reines Abschlagsmodell für überlieferte Mengen im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat; möglichst einfach sollte es sein. 50 Prozent der Milcherzeuger wirtschaften ökologisch. Auch dort machen sich steigende Milchmengen bemerkbar. Der halbe Abschlag zeigte dort jedoch keinen Effekt. Allerdings ist der Grundpreis auch um einiges höher. Nach drei Monaten wird das Modell nun ab Juli wieder eingestellt, als Instrument jedoch beibehalten. "Die Diskussion war durchweg positiv. Befürchtungen von heftigen Abwehrreaktionen haben sich nicht bewahrheitet", so der Geschäftsführer.

Verantwortung

Auch Josef Tiefenbacher, Biobauer mit 30 Kühen und Almwirtschaft, der seine Milch an die Pinzgauer Milch liefert, meint: "Wenigstens haben sie erkannt, dass sie etwas machen müssen. Einen Bonus wie bei den Gmundnern haben sie wohl vergessen", stichelt er und merkt an: "Es gibt diese Notlösung. Dadurch dass monatsweise mit letztem Jahr verglichen wird, werden aber eben nicht hauptsächlich die Verursacher - diejenigen, die zum Quotenende hin alles auf Wachstum gesetzt haben - zur Verantwortung gezogen, sondern es trifft gleichermaßen alle, die in diesem Jahr mehr erzeugen." Tiefenbacher lieferte z. B. 1.500 Liter mehr Milch als letzten Mai ab - und bekam bei der Milchgeldabrechnung einen entsprechenden Abzug. Seit acht Jahren liefert er jedoch monatlich rund 5.000 Liter Milch weniger ab, als er an Milchquote hatte. Weil er Kraftfutter reduziert und auf reine Heumilch umgestellt hat: "Ohne Kraftfutter verdient man Geld, weil die Zusatzkosten eingespart werden. Ich habe zwar etwas geringere Milchleistungen, aber hier ist eine Grünlandregion, das wollte ich nutzen. Es hat mich auch sehr gestört, dass wir mit exponierter Milch aus unseren Hochleistungen Märkte in armen Ländern schädigen."

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Milchmengensteuerung

Gmundner Milch (unbefristet seit März): Für eine Basismilchmenge, die der 2015 gelieferten durchschnittlichen Monatsmilchmenge entspricht, gilt der aktuelle Grundpreis. Liefert ein Betrieb mindestens 5 % weniger, erhält er für seine Liefermenge 1 Cent pro Kilogramm (Et/kg) Zuschlag. Ab i0 % weniger Milch erhöht sich der Zuschlag auf 2 Ct/kg. Gleichzeitig gibt es für Betriebe mit einer Überlieferung von 5 % und mehr einen Abzug von 2 Ct/kg für die gesamte Liefermenge, der ab 10 % auf 4 Ct/kg steigt.

Ennstaler Milch (seit April): Alle 800 Genossen haben Anteile in Höhe von 20 Ct/kg entsprechend ihrer Jahresanlieferungsmenge gezeichnet. Das gestaffelte Abschlagsmodell greift, sobald ein Betrieb im Laufe des Jahres seine Anteilsmenge überschreitet: Für bis zu 5 % überlieferte Milch werden 3 Ct/kg Verwertungsabschlag erhoben, für bis zu 10 % 5 Ct/kg und für mehr als 10 % 8 Ct/kg. Die Betriebe können ihre abschlagsfreie Liefermenge um bis zu 20 % ihrer überlieferten Menge steigern, indem sie dafür neue Anteile zeichnen.

Pinzgauer Milch (April bis Juni): Bei mehr als 5 % im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr angelieferter Milch wird für die überlieferte Milchmenge 10 Ct/kg für konventionelle und 5 Ct/kg für ökologische Milch abgezogen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 401 - Juli/August 2016, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2016

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