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VERBRAUCHERSCHUTZ/1004: "Analogkäse" (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03 / 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

"Analogkäse"
Gut oder schlecht für Verbraucher und Tierschutz?

Von Brigitte Bock


Wer heutzutage zur Tiefkühlpizza greift und glaubt, die gelblich schmelzenden Flocken darauf seien Käse, sollte lieber zweimal hinsehen. Was wie Käse aussieht, entpuppt sich meist erst bei genauerem hinsehen auf der Zutatenlistete als "Analogkäse", mit dem ein Käse-Imitat gemeint ist und nicht ein Milchprodukt. Was von Verbraucherschützern und Bauernvertretern als skandalöser Täuschungsversuch der Lebensmittelindustrie öffentlich kritisiert wird, lässt viele Tierschützer und Vegetarier aufhorchen: Endlich ein preiswertes Produkt, das sich anstelle von Käse einsetzen lässt und dabei überwiegend aus pflanzlichen Zutaten gewonnen wird? Endlich ein Fortschritt für den Tierschutz?

Doch mit der Produktion von Käse-Imitat hat die Industrie nicht etwa mehr Tierschutz im Sinn, sondern bedient sich dieser Möglichkeit aus rein wirtschaftlichen Gründen. Der "Analogkäse" ist billiger als richtiger Käse, weil er hauptsächlich aus Magermilchpulver und Palmöl hergestellt wird. Das Kunstprodukt aus dem Industrielabor tritt in unmittelbare Konkurrenz mit dem tierischen Erzeugnis und erhöht somit den Druck auf die Molkereien, noch billigeren Käse auf den Markt zu bringen. Dadurch erschweren sich die Voraussetzungen für besseren Tierschutz bei Milchrindern. Offene Laufställe, extensive Weidehaltung und reduzierter Milchertrag, der die Kühe schont, erfordern zumindest faire Preise für die Milch. Und die gibt es schon lange nicht mehr wegen verfehlter Subventionspolitik und Industrialisierungswahn.

Der leise Traum, in der Milchwirtschaft irgendwann einmal die teure Ammenkuhhaltung, als tierschutzgerechte Alternative zur Trennung der Kälber von ihren Müttern gleich am ersten Lebenstag, bauernhoffähig machen zu können, rückt wieder in weite Ferne. Stattdessen werden Zuchtziele hochgeschraubt auf noch höhere Milchleistung. Und diese ist nur möglich, wenn noch mehr Urwälder in Südamerika vernichtet werden für den Anbau von weiterem Sojakraftfutter.

Der Austausch von tierischen Inhaltsstoffen zu pflanzlichen Alternativen in speziellen vegetarischen oder veganen Produkten kommt nicht mit dem Anspruch daher, in Konkurrenz mit tierischen Erzeugnissen zu stehen. Tofu und andere Nahrungsmittel auf Sojabasis werden als gesunde, oft sogar ökologisch erzeugte Eiweißquelle vermarktet und von einer bewusst auswählenden, aufgeklärten Kundschaft gekauft. Sojaprodukte werden nicht als "Analog-Fleisch" wahrgenommen, sondern als eigenständige pflanzliche Eiweißprodukte. Dadurch sind die Marktpreise für Soja- und tierische Produkte entkoppelt. Nicht Tofu konkurriert also mit Biofleisch, sondern tierquälerisch und industriell erzeugtes Billigfleisch.

"Analogkäse" hingegen landet vom Kunden weitgehend unerkannt auf der Industriepizza, in Cräckern und in anderen "Convenience"- Produkten. Daher stellt er eine weitgehend unerkannte Konkurrenz zum ohnehin schon absurd billigen Kuhmilchkäse dar.

Ein weiteres Argument gegen das Käse-Imitat ist die Herkunft der billigen Zutaten. Palmölplantagen sind ähnlich wie Sojafelder ein Hauptgrund für die weltweite Abholzung der Regenurwälder. Billig um jeden Preis geht eben nicht nur zu Lasten der Tiere, sondern schadet immer auch der Umwelt und damit uns allen. Also Augen auf beim Pizzakauf und immer genau die Zutatenliste studieren! Denn nur dort wo Käse drauf steht, ist auch wirklich Käse drinnen.


INFOBOX
Was ist "Analogkäse"?

Das Käse-Imitat aus dem Labor wird aus Wasser, Pflanzenfett, Milcheiweiß, Stärke und Geschmacksverstärkern zusammengerührt. Es wird zum Beispiel verwendet für Pizza, überbackene Baguettes, Brötchen oder Käsesnacks. Vor allem Billig-Bäckereien, Imbissstände und Pizzerien, aber auch Discounter greifen verstärkt auf "Analogkäse" in ihren Produkten zurück.


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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03/2009, Seite 30-31
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2009