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ASYL/1155: Nächster Abschiebeflug nach Kabul steht bevor (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 24. April 2017

Nächster Abschiebeflug nach Kabul steht bevor

PRO ASYL kritisiert Entrechtung afghanischer Schutzsuchender - Allen Fakten zum Trotz schieben Bund und Länder weiter in ein Kriegs- und Krisengebiet ab


PRO ASYL kritisiert scharf den für den heutigen Montag geplanten Sammelabschiebeflug nach Kabul, der vom Münchener Flughafen aus stattfinden soll und fordert die Annullierung. »Hunderte Tote und Verletzte am Freitag und Bund und Länder schieben weiter in ein Kriegs- und Krisengebiet ab«, kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. »Damit einher geht eine beispiellose Entrechtung afghanischer Flüchtlinge. Das Bundesinnenministerium wischt die Faktenlage beiseite und verbreitet weiter die Mär von angeblich »sicheren« Regionen, was sich dann auch in den Entscheidungen des BAMF wiederfindet. Die individuellen Fluchtgründe von AfghanInnen in den Asylverfahren werden dort in hohem Maße missachtet.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hervorgeht, sank die bereinigte Schutzquote afghanischer Flüchtlinge von 2015 von 77,6 % auf 60,5 % im Jahr 2016. Mit dieser Entwicklung konfrontiert antwortet die Bundesregierung ausweichend, es gebe keine politischen Vorgaben (Antwort 8). Die absolute Zahl der Ablehnungen steigt seit Herbst 2016 seit Abschluss des Rückübernahmeabkommens mit Afghanistan kontinuierlich an: 3.186 im Oktober, 4.783 im November, 5.924 im Dezember, 6.641 im Januar 2017, 7.704 im Februar und 10.246 im März (errechnet aus der Asylgeschäftsstatistik für März 2017). Von Januar bis März 2017 wurden fast 25.000 AfghanInnen vom BAMF abgelehnt.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Grüne hervorgeht, stammen Abgeschobene auch aus afghanischen Unruheprovinzen - aber das interessiert die Bundesregierung nicht. Beispielsweise wurde im Januar und Februar jeweils eine Person aus Masar-i-Scharif abgeschoben. Die Antworten der Bundesregierung sind teilweise schockierend. Wichtige medizinische Informationen werden nicht übermittelt (Antwort auf Frage 7). Es sind Zufälle, wenn eine Ausländerbehörde dem mitfliegenden Arzt Infos oder Medikamente zusteckt, die diesen zur »Selbstmedikation« mitgegeben werden. Über den Verbleib der Abgeschobenen hat die Bundesregierung keine Kenntnisse, ebenso nicht über die ethische oder religiöse Zugehörigkeit. Es ist noch nicht einmal sichergestellt, dass die Abgeschobenen ihr Gepäck mitnehmen können (Antwort auf Frage 21/22).

Am Wochenende zeigte ein Anschlag der Taliban in Masar-i-Scharif, bei dem mehr als 140 Soldaten getötet und Hunderte verletzt wurden, die neue Dimension der Unsicherheit im Land. Inzwischen ist der afghanische Verteidigungsminister zurückgetreten. Die Handlungsfähigkeit der afghanischen Armee ist nach 6.700 im letzten Jahr im Krieg getöteten Soldaten kaum noch gegeben. Zudem soll die afghanische Armee monatlich mehrere Tausend Soldaten durch Fahnenflucht verlieren. Wie ein Report der US-Behörde Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) offenlegt, hat die afghanische Regierung nur noch in etwas mehr als der Hälfte des Landes überhaupt die Kontrolle oder maßgeblichen Einfluss.

In 26 der 34 Provinzen Afghanistans wurden Vertreibungen aufgrund von Kampfhandlungen verzeichnet. Wie das Büro der Vereinten Nationen (OCHA) berichtete, gab es im Jahr 2017 bis dato fast 59.000 neue Binnenvertriebene.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 24. April 2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2017

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