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ASYL/1257: Niedersachsen - Recht auf Familienleben jetzt umsetzen (Flüchtlingsrat Niedersachsen)


Flüchtlingsrat Niedersachsen - Pressemitteilung vom 17. April 2018

Recht auf Familienleben jetzt umsetzen


Anlässlich der für Donnerstag geplanten Aktuellen Stunde im Landtag "Eskalation in Syrien - Familiennachzug in Niedersachsen ermöglichen, Menschenleben retten!" fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen die Landesregierung auf, alle in ihrer Zuständigkeit liegenden Maßnahmen zu ergreifen, um Familienzusammenführungen zu Schutzberechtigten in Niedersachsen zu ermöglichen und zur Beschleunigung beizutragen. Beim Blick auf die Entwicklung des Krieges in Syrien wird deutlich, dass eine Rückkehr dorthin auf absehbare Zeit keinerlei Option sein wird.

"Das Grundrecht auf Familienleben als Menschenrecht gilt für alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit", so Karim Alwasiti, Referent des Flüchtlingsrats Niedersachsen. "Für Geflüchtete folgt daraus das Recht auf Familienzusammenführung in Deutschland, wenn das Familienleben andernorts nicht möglich ist. Dies trifft im Falle Syriens zu."

Die Bundesregierung verfolgt seit Jahren die politische Strategie, das Recht auf Familienleben einzuschränken und Familienzusammenführungen zu verhindern. Allein aus innenpolitischen Erwägungen werden Kinder, Frauen und Männer weiter der Kriegsgefahr ausgesetzt oder müssen unter schlimmsten Bedingungen in den Nachbarländern Syriens ausharren.

Für von Tod und Folter bedrohte Menschen (in Bürokratendeutsch: "Subsidiär Schutzberechtigte") hat die neue Berliner Koalition ungeachtet aller menschenrechtlich begründeten Einwände den zunächst ausgesetzten Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung abgeschafft und zu einer bloßen Ermessensentscheidung herabgestuft, die ab August 2018 greifen soll.

Dem Flüchtlingsrat ist bewusst, dass das Land Niedersachsen hier nur begrenzten Einfluss nehmen kann. Es gibt aber Spielräume, die in Niedersachsen noch viel zu wenig genutzt werden. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert, dass das Land Niedersachsen das - im Juni 2015 (vorläufig) beendete - niedersächsische Aufnahmeprogramm neu startet und syrischen Familien die Möglichkeit einräumt, Familienangehörige auf eigene Kosten in Niedersachsen aufzunehmen. Andere Bundesländer wie Berlin, Thüringen oder Schleswig-Holstein machen vor, dass es möglich ist, auch als Bundesland Verantwortung zu übernehmen und das Leid der Betroffenen zu lindern.

Darüber hinaus sollte die Landesregierung die Ausländerbehörden dazu anhalten, beim Nachzug von Geschwisterkindern mehr Großzügigkeit an den Tag zu legen. Derzeit wird der Nachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen systematisch über die Blockade des Nachzugs von Geschwisterkindern verhindert. Eltern erhalten Visa, minderjährige Geschwister nicht. Eine weitere Familientrennung ist die Folge. Die Landesregierung könnte hier über die kommunalen Ausländerbehörden zu menschlicheren Lösungen beitragen, indem sie etwa auf unzumutbare Anforderungen an den Nachweis von Lebensunterhaltssicherung und Wohnraum verzichtet und für umsetzbare Alternativen der Aufnahme von Angehörigen Sorge trägt. Im März 2017 hatte sich der Staatssekretär des nds. Innenministeriums Manke an die Bundesregierung gewandt und beim Geschwisternachzug für eine humanere Gestaltung des Aufenthaltsgesetzes appelliert.

Anfang des Jahres hatte sich der Flüchtlingsrat Niedersachsen bereits gemeinsam mit über 50 Initiativen und Gruppen aus Niedersachsen in einem Appell an die niedersächsischen Abgeordneten der CDU und SPD gewandt und die Beendigung der Aussetzung der Familienzusammenführung für subsidiär Geschützte gefordert. Von der SPD steht bis heute eine Antwort aus. CDU/CSU halten ungeachtet des Bekenntnisses der Partei zum "Schutz der Familie" Familientrennungen bei Geflüchteten weiterhin für richtig.


Hintergrund:
Hinter dem technischen Begriff "subsidiär Geschützte" verbergen sich Personen, deren Schutz nicht nur, wie öffentlich oftmals dargestellt, eingeschränkt besteht. Vielmehr sind unter diesem technischen Begriff Menschen gefasst, denen Schutz vor Folter, Todesstrafe und Lebensgefahr in kriegerischen Konflikten gewährt wurde. Dieser Schutz besteht auch keineswegs nur vorläufig. In nahezu allen Fällen wird die Aufenthaltserlaubnis nach einem Jahr um zwei Jahre verlängert, so dass faktisch dieselbe Aufenthaltsdauer wie bei übrigen anerkannten Flüchtlingen besteht.

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Quelle:
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Röpkestr. 12, 30173 Hannover
Telefon: 0511/98 24 60 30, Fax: 0511/98 24 60 31
Mo-Fr: 10.00 bis 12.30, Di+Do: 14.00 bis 16.00
E-Mail: nds@nds-fluerat.org
Internet: www.nds-fluerat.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2018

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