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ASYL/797: Serbien - kein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 9. April 2013

Serbien - kein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden

PRO ASYL veröffentlicht eine Auswertung von Quellen zur
Menschenrechtssituation



Als im Herbst 2012 die Zahl der Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien in Deutschland zunahm, bewertete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dies pauschal als Resultat eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Dies war der Beginn einer "Roma-Raus-Strategie" mit rassistischen Untertönen. Dazu gehört auch die Drohung, die Visafreiheit für die Staatsangehörigen mehrerer Balkanstaaten auszusetzen. Die offizielle Doktrin, Roma würden in Serbien und Mazedonien nicht verfolgt, wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer Nullanerkennungspolitik im Asylverfahren umgesetzt. Weder die Menschenrechtslage in diesen Staaten noch die individuellen Fluchtschicksale interessierten.

Bundesinnenminister Friedrich ging weiter. Er kündigte an, Serbien und Mazedonien per Gesetzgebungsverfahren als sichere Herkunftsstaaten einstufen zu wollen. Praktisch hätte dies etwa zur Folge, dass Asylgesuche aus so eingestuften Ländern nach gesetzlicher Vorgabe als "offensichtlich unbegründet" abzulehnen wären. Aus diesem Anlass gab PRO ASYL eine heute veröffentlichte Untersuchung in Auftrag:

Die aktuelle Auswertung von Quellen zur Menschenrechtslage in Serbien verdeutlicht: Die Pläne des Bundesinnenministers entsprechen nicht den Vorgaben der Verfassung. Diese verlangt, dass bei der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat gewährleistet sein muss, dass in diesen Staaten aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Dabei geht es nicht nur um Gesetzestexte, sondern um praktische Fragen: Werden Gesetze, die menschenrechtliche Aspekte betreffen, angewendet und wirksam.

Die Autorin der jetzt veröffentlichten Dokumentation "Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?", Dr. Karin Waringo, hat eine Vielzahl von Quellen ausgewertet, die belegen, dass Menschen- und Minderheitenrechte in Serbien oft lediglich auf dem Papier gewährleistet sind. Dies betrifft politische Rechte wie Medien-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, aber auch weitere Bereiche. Von staatlicher Seite wird gegen rassistische und rechtsextreme Gewalt, der insbesondere Roma in besonderem Maße ausgesetzt sind, nur unzureichend vorgegangen. Nicht nur bei der Zwangsräumung von Romasiedlungen ist der serbische Staat selbst Urheber von Menschenrechtsverletzungen.

Internationale Organisationen stellen übereinstimmend fest, dass die Situation der Roma in Serbien unverändert katastrophal ist. Sie sind einer umfassenden gesellschaftlichen Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt, die zur Folge hat, dass sie ihre Rechte nur sehr bedingt in Anspruch nehmen können. Vor diesem Hintergrund müssten die Asylanträge von serbischen Antragstellern individuell und sorgfältig geprüft werden.

Auf Druck der Europäischen Union und einzelner ihrer Mitgliedsstaaten hat die serbische Regierung in den vergangenen drei Jahren Maßnahmen ergriffen mit dem Ziel, die Zahl der Asylantragsteller zu reduzieren. Die Dokumentation beschreibt eindringlich, dass dabei gegen das Recht auf Freizügigkeit verstoßen wird, das unter anderem durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt ist.

Nachdem die Kritik bereits Ende 2011 vom damaligen Menschenrechtskommissar des Europarats formuliert und die Praktiken der Ausreiseverhinderung inzwischen beschrieben worden sind, ist der EU vorzuwerfen, diese Praxis initiiert zu haben und weiter hinzunehmen.


Die Dokumentation "Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland? - Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation" von Dr. Karin Waringo finden Sie hier:
http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/Serbien_kein_sicherer_Herkunftsstaat.pdf

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 9. April 2013
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013