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AKTUELL/052: Wahlkampf und Internet - Politikwissenschaftler erforschen den digitalen Wahlkampf (idw)


Otto-Friedrich-Universität Bamberg - 29.08.2013

Wahlkampf und Internet - Politikwissenschaftler erforschen den digitalen Wahlkampf



Sommer 2013 - Wahlkampfzeit! Politiker versuchen nun, mit möglichst allen Medien möglichst viele Stimmen zu gewinnen. Online-Kampagnen sind deshalb fester Bestandteil von Wahlkampf-Kampagnen. Den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema "Internet im Wahlkampf" haben die Bamberger Politikwissenschaftler Andreas Jungherr und Harald Schoen nun zusammengefasst.

Alle nutzen das Netz: Politiker und Parteien verkünden dort ihre Botschaften, Bürger informieren sich über das politische Geschehen. Eine wissenschaftliche Untersuchung über Einsatzmöglichkeiten und Wirkungen des Internets in Wahlkämpfen veröffentlichten Prof. Dr. Harald Schoen, Lehrstuhl für Politische Soziologie, und sein Mitarbeiter Andreas Jungherr. Das Buch steht als E-Book kostenlos auf den Seiten der Konrad-Adenauer-Stiftung unter www.kas.de/wf/de/33.34855/

Andreas Jungherr promoviert derzeit zum Thema "Politische Kommunikation in sozialen Netzen" und untersucht, wie sich politisches Tagesgeschehen und Kampagnen online niederschlagen. Er unterteilt die Funktion des Internets für Wahlkampagnen in drei Bereiche: Erstens als Werkzeug, um die Sichtbarkeit des politischen Akteurs und seiner Themen zu erhöhen. "Wie sichtbar ist beispielsweise eine Partei oder ein Kandidat, wenn jemand nach Begriffen sucht, die mit einer Kampagne besetzt werden sollen?", fragt er sich. Zweitens ist das Internet ein Werkzeug, um die Infrastruktur einer politischen Kampagne zu unterstützen und drittens ein Symbol für die politische Unterstützung der Anhänger - über die idealerweise dann in traditionellen Medien berichtet wird.

Twitter-Resonanz der Spitzenkandidaten

Insbesondere die erste Funktion, also die Sichtbarkeit eines politischen Akteurs, steht aktuell im Fokus der Untersuchung. Zwar hat Andreas Jungherr festgestellt, dass "weder die Zahl der Nennungen einer Partei noch die Zahl der Nutzer, die Parteinamen in ihren Tweets verwendeten, eine stabile Voraussage des Wahlergebnis erlaubten". Einen Einblick in die "Fieberkurve der Kampagne" geben solche Tweets aber durchaus. Deshalb untersuchte Jungherr zusammen mit Harald Schoen den "Twitter-Schatten" der Spitzenkandidaten in den letzten Monaten, also wie häufig und mit welchen Themen sie auf Twitter erwähnt wurden. Dabei kam heraus, dass Angela Merkel sowohl im Mittelwert als auch beim Maximalwert mehr Tweets erhält als Peer Steinbrück.

Darüber hinaus sind die meisten von Merkels Nennungen Nachrichtenereignisse, wenn also die Medien über politisches Tagesgeschehen berichten und die Twitter-Aktivität daraufhin steigt, beispielsweise bei Merkels "Neuland"-Äußerung. Bei Steinbrück handelt es sich dagegen überwiegend um Kampagnenereignisse, also um Aufrufe, Aussagen oder Interviews politischer Akteure im Rahmen politischer Kampagnen, die auf Twitter auftauchen. "Dieser Unterschied dürfte in den Rollen beider Politiker liegen. Als Kanzlerin wird Angela Merkel sehr viel stärker mit dem tagesaktuellen Geschehen in Verbindung gesetzt. Peer Steinbrück als Oppositionsakteur und Herausforderer muss dagegen stärker selbst die Initiative ergreifen und für Berichterstattung oder Online-Reaktionen sorgen", so die Wissenschaftler.

Sichtbarkeitsreport von Partei-Webseiten

Doch auch die Sichtbarkeit politischer Akteure außerhalb der Neuen Medien haben die Bamberger Politikwissenschaftler untersucht. Ihr Sichtbarkeitsreport hat gezeigt: "Die Webseiten deutscher Parteien sind in Google-Ergebnislisten zu populären Suchanfragen fast unsichtbar. Die Seiten der meisten deutschen Parteien erscheinen nur dann prominent in den Ergebnissen von Suchmaschinen, wenn gezielt nach ihren Namen oder den Namen ihrer Spitzenkandidaten gesucht wird." Einzige Ausnahme bildet die Piratenpartei. Daraus folgt, dass die Webseiten der Parteien mit großer Wahrscheinlichkeit in erster Linie Nutzer erreichen, die bereits parteipolitisch festgelegt sind.

Um eine politische Webseite für Suchmaschinen sichtbarer zu machen, muss sie zum einen von anderen Webseiten und auf Social Media-Kanälen verlinkt werden - was die Seitenbetreiber natürlich nicht direkt beeinflussen können. Zum anderen sollte sie aber auch bewusst suchmaschinenfreundlich angelegt sein und aktiv redaktionell betreut werden.

Bundeswahlkompass 2013

Ein neues Projekt zum aktuellen Wahlkampf ist der Bundeswahlkompass 2013. "Es handelt sich dabei um eine Onlinewahlhilfe, die ähnlich funktioniert wie der bekannte Wahl-O-Mat, aber mehr Möglichkeiten eröffnet", erklärt Projektleiter Harald Schoen. Der Bundeswahlkompass ermöglicht es Nutzern, mit ihren Antworten zu 30 Thesen ihre Position in der politischen Landschaft Deutschlands herauszufinden und sich so bei der Wahlentscheidung zu orientieren. Die Aussagen wurden von einer Gruppe angesehener deutscher Politikwissenschaftler entwickelt. Die Positionen der deutschen Parteien zu diesen relevanten Themen wurden den offiziellen Wahlprogrammen oder anderen Parteidokumenten entnommen. Der Bundeswahlkompass ist unter www.bundeswahlkompass.de erreichbar.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution93

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Freyja Ebner, 29.08.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2013