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ENTWICKLUNGSHILFE/418: Eckhard Deutscher fordert Neuausrichtung globaler Strategien gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2010

Entwicklung:
DAC-Vorsitzender fordert Neuausrichtung globaler
Strategien


Paris, 14. Dezember (IPS/IDN*) - Das Thema Sicherheit hat sich im 20. Jahrhundert auf alle Bereiche der Politikgestaltung ausgewirkt. In diesem Jahrhundert gilt das Gleiche für die Entwicklungspolitik. Daher muss deutlich kommuniziert werden, was Entwicklungszusammenarbeit in einer sich rasch wandelnden Welt bedeutet.

Das bestehende globale System der Entwicklungszusammenarbeit trägt allerdings nicht den Veränderungen in der Welt Rechnung. Die Tatsache, dass sich das globale Gleichgewicht immer mehr in Richtung der Schwellenländer verlagert, wird nicht berücksichtigt. Die Zukunft der globalen Zusammenarbeit liegt vor allem im Multilateralismus und weniger in den bilateralen Beziehungen.

Eckhard Deutscher, der scheidende Vorsitzende des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC), hat zehn Thesen formuliert, die er 'IDN-InDepthNews' und 'Global Perspectives' zur Verfügung gestellt hat. Dort zeigt er künftige Perspektiven auf. "Den großen Herausforderungen dieses Jahrhunderts wie dem Klimawandel, der Wüstenbildung, der Migration und der Nahrungssicherheit können wir nur begegnen, wenn alle ihre Entwicklungsdimensionen berücksichtigt werden", erklärt Deutscher. Alle Felder der Politik würden davon zunehmend berührt. Eine kohärente Entwicklungspolitik sei eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die Regierungen bessere Strategien umsetzen könnten. Die traditionellen Geber müssten akzeptieren, einen Teil ihrer Kontrolle abzugeben.

Deutscher betont auch die Bedeutung der Kommunikationsstrategien. "Unterstützung für die Entwicklungspolitik wird es nur dann geben, wenn die Öffentlichkeit versteht, worauf die Entwicklungszusammenarbeit gründet", schreibt er. Es sollte klar werden, dass es sich um keine wohltätigen Initiativen handele, sondern um eine strategische Investition, die eine Entwicklungspolitik jenseits bloßer Solidarität ermögliche. Der technokratische 'development speak' müsse sich ändern, weil er Fortschritt und Reformen aufhalte.


Bestehende Strukturen nicht effizient

Der DAC-Vorsitzende kritisiert außerdem die bestehenden Strukturen des internationalen Entwicklungshilfesystems als zu teuer, komplex, langsam und patriarchalisch. Die Zeiten, in denen die klassischen Geber-Empfänger-Schemata gegolten hätten, seien vorbei, erklärt er. "Entwicklungszusammenarbeit kann ihre Relevanz nur dann behalten, wenn die Partnerländer die Geber als zuverlässige und engagierte Ko-Investoren erleben und selbst die Entscheidungen treffen." Ob die Geber als vertrauenswürdig betrachtet werden könnten, hänge besonders davon ab, ob sie internationale Verpflichtungen einhielten.

Nach Ansicht von Deutscher muss außerdem die Kluft zwischen dem traditionellen Entwicklungshilfesystem und den Akteuren aus den Schwellenländern überbrückt werden. Bislang habe man sich vor allem auf die unterschiedlichen Herangehensweisen und nicht auf die Ergebnisse konzentriert. "Die Schwellenländer müssen mit an Bord sein, wenn die internationalen Entwicklungsbemühungen erfolgreich sein sollen", bekräftigte Deutscher.

Zum Verhältnis zwischen Bilateralismus und Multilateralismus sagte der DAC-Chef, dass es eine natürliche Befangenheit gegenüber bilateralen Initiativen gebe, die nationale Kontrollen und politische Präferenzen in den Vordergrund stellten. Dadurch könnten die Erfordernisse der Entwicklungspolitik nur mit zunehmenden Schwierigkeiten erfüllt werden. "Eine stärkere Renationalisierung der Entwicklungspolitik versperrt den Blick auf die Komplexität der globalen Herausforderungen, die international koordinierte und multilaterale Herangehensweisen immer wichtiger machen."

Die Vorlage von Ergebnissen wird nach Auffassung von Deutscher in den kommenden Jahren für die Geber Priorität haben. Eine solche Agenda habe allerdings nur dann Sinn, wenn die Geber eng mit ihren Partnern zusammenarbeiten, um die Auswirkungen der Entwicklungshilfe zu dokumentieren, meinte er. Externe Partner müssten akzeptieren, dass die Ergebnisse in die Verantwortung der Partnerländer fallen und nicht von anderen gemanagt werden könnten.

Deutscher rät Gebern wie der Europäischen Union außerdem dazu, nicht zu viele unterschiedliche Strategien zu verfolgen, sondern ihre Initiativen zu bündeln. Ansonsten wären die Partnerländer, die am meisten auf Hilfe angewiesen seien, die Leidtragenden. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten ihre Ressourcen und Kompetenzen auf europäischer Ebene konzentrieren und auf längere Sicht eine 'EU-Entwicklungsbank' gründen. Damit erhielte die EU den Einfluss, der ihrem Status als größte Geberin entspreche.


Größere Beteiligung der Empfänger von Entwicklungshilfe gefordert

Eine Arbeitsteilung sieht Deutscher als wichtige Voraussetzung für die Reduzierung der Transaktionskosten und der institutionellen Komplexität. Auch in diesen Bereich müssten die Partnerländer eingeschlossen werden. "Dort wo die Bereitstellung von Hilfe an individuelle Gebermechanismen geknüpft wird, lassen sich kaum Fortschritte erzielen", heißt es. Die Weiterleitung über lokale Programme werde dagegen ausschlaggebend für die Arbeitsteilung sein.

Deutscher hält bessere Informationen für unverzichtbar, um die komplexe Konstruktion der Hilfsschemata verständlich zu machen. "In einer sich rasch verändernden Welt ist eine Evolution des Entwicklungssystems unvermeidlich", schreibt er. Die Akteure am Markt - also die Regierungen und Bürger der Geberstaaten als Investoren und die Partnerländer als Kunden - müssten transparente Informationen über die Leistungen und die Ergebnisse erhalten.

Abschließend hebt Deutscher hervor, dass die Entwicklungszusammenarbeit sich stärker an den Grundsätzen von Investoren orientieren solle. Dazu müssten mehr Innovationen in Angriff genommen und Risiken eingegangen werden. Wenn die Risikokontrolle verschärft werde, werde die Rendite der Entwicklungshilfeinvestitionen sinken. (Ende/IPS/ck/2010)


* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte Informations- und Analysendienst IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland.

Links:
http://www.oecd.org/department/0,2688,en_2649_33721_1_1_1_1_1,00.html
http://www.indepthnews.net/news/news.php?key1=2010-12-14%2000:22:24&key2=1


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2010