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ENTWICKLUNGSHILFE/458: Reiche US-Amerikaner bestimmen Entwicklungspolitik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Dezember 2015

Entwicklung: Reiche US-Amerikaner bestimmen Entwicklungspolitik

von Rodney Reynolds


NEW YORK (IPS/IDN) - Nicht nur multinationale Konzerne, auch reiche Philanthropen geben der Politik vor, wohin ihre Entwicklungshilfe fließen soll. Mit Stiftungen beeinflussen sie maßgeblich, wie Armut reduziert, nachhaltige Entwicklung durchgesetzt, der Klimawandel aufgehalten und Menschenrechte geschützt werden, kritisiert eine Studie der kirchlichen Entwicklungsorganisationen Brot für die Welt und MISEREOR und dem in Berlin ansässigen Global Policy Forum.

Nicht erst seit Mark Zuckerberg einen öffentlichen Brief an seine neu geborene Tochter Max schrieb, sind US-amerikanische Stiftungen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit aktiv. "Aber erst in den letzten Jahren haben sich mit der wachsenden Anzahl von Stiftungen und vor allem mit der Gründung der Bill & Melinda Gates Foundation deren finanzielle Leistungen rapide erhöht", heißt es in der Studie mit dem Titel 'Philanthropic Power and Development: Who Shapes the Agenda'. "Stiftungen beeinflussen aktuelle Diskurse und politische Entscheidungen zum gleichen Anteil wie private Akteure oder gehen sogar über deren Einfluss hinaus."

Gerade die Gates-Stiftung, die Rockefeller-Stiftung und die United-Nations-Foundation geben nicht nur viel Geld für Entwicklungshilfe aus, sondern sind auch treibende Kraft globaler Multi-Stakeholder-Partnerschaften. Sie sind insbesondere im Gesundheits- und Ernährungsbereich aktiv.


Politik in der Verantwortung

Es wäre irreführend, so die Autoren der Studie, reiche Individuen wie Bill Gates, Warren Buffett oder Ted Turner allein dafür kritisieren zu wollen, dass sie einen Teil ihres Vermögens philanthropischen Zwecken stiften. Es müssten vielmehr jene politischen Entscheidungsträger und Gesetzgeber kritisiert werden, die die massive Anhäufung von Privatvermögen politisch ermöglicht und damit massive Einbußen öffentlicher Einnahmen in Kauf genommen haben - und weiterhin nehmen.

Denn, so heißt es weiter, die Politik heiße diese zusätzlichen Gelder in Zeiten stagnierender öffentlicher Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit willkommen. "Regierungen und internationale Organisationen wollen geradezu an die positive Rolle von Philanthropie in der globalen Entwicklung glauben", so die Autoren Jens Martens und Karolin Seitz.

Exemplarisch geht die Studie der drei Organisationen auf eine "bemerkenswerte Veranstaltung" vom Juni 2013 ein. Damals trafen sich im Rahmen des 'UN Trusteeship Council' geladene Gäste zum jährlichen Philanthropie-Gipfel, den die Zeitschrift Forbes ausgerichtet hatte. Die Eröffnungsrede hielt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Unter den Gästen waren bekannte Philanthropen wie Bill Gates, der Sänger Bono und Warren Buffett. Gesponsert wurde die Veranstaltung von der Bank Credit Suisse.

Dem Forbes-Magazin zufolge war mit den Anwesenden "fast eine halbe Billion des weltweiten Reichtums" im 'UN Trusteeship Council' versammelt. Vor Ort soll darüber verhandelt worden sein, wie ein Teil dieses Geldes, die Bekanntheit der Versammelten und ihre unternehmerischen Fähigkeiten dazu genutzt werden könnten, "die Armut abzuschaffen".


Schlecht koordinierte Lösungen

Doch die vielen unterschiedlichen Aktivitäten, Organisationen und Initiativen bedeuten häufig isolierte und schlecht koordinierte Lösungsansätze für die vielfältigen Probleme. Statt Kräfte zu vereinen, würden dadurch die Vereinten Nationen und ihre spezialisierten Unterorganisationen geschwächt und nationale sowie lokale Ansätze untergraben.

Auch Stiftungen reicher Einzelmenschen an sich seien ein Problem. Stiftungen sind weder gegenüber der Bevölkerung noch gegenüber den Empfängern ihrer Fördermittel rechenschaftspflichtig, seien es Regierungen, internationale Organisationen oder lokale Gemeinschaften. Üblicherweise sind sie nur ihren Stiftern und den eigenen Gremien gegenüber zu Rechenschaft verpflichtet.


Wachsende Ungleicheit

"Der Boom privater Stiftungen ist die Folge einer (Steuer-)Politik, die Reiche begünstigt und die Anhäufung privaten Vermögens von Multimilliardären wie Bill Gates ermöglicht. Die Kehrseite der Medaille sind eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und zunehmende sozio-ökonomische Ungleichheiten innerhalb und zwischen Gesellschaften."

Auch im Abschlussdokument der Dritten Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung vom Juli, die sogenannte 'Addis Abeba Action Agenda', hießen Regierungen das schnelle Wachstum philanthropischer Wohltätigkeit willkommen. Doch sie forderten von den Philanthropen auch Transparenz ein, regelmäßig Rechenschaft über ihre Aktivitäten abzulegen und die jeweiligen lokalen Umstände zu berücksichtigen. Abstimmungen mit nationalen Politiken und Prioritäten seien notwendig.

Die nationalen Regierungen und die Vereinten Nationen müssten den zunehmenden Einfluss großer philanthropischer Stiftungen kritischer beobachten, fordern die Autoren. "Sie sollten den geplant und ungeplant herbeigeführten Risiken und Nebenwirkungen mehr Beachtung schenken. Dies gilt insbesondere für den Einfluss mancher Stiftungen und der von ihnen propagierten Wirtschaftslogik auf den politischen Diskurs und die politische Agenda."

Auf unternehmens- und marktbasierte Instrumente zu setzen, wie dies viele private Stiftungen tun, bedeutet meist auch, dass sie dies von den Empfängern ihrer Fördermittel fordern. Messbare Ergebnisse und kurzfristige Wirkungen stehen im Vordergrund. Strukturelle Maßnahmen mit längerfristigen und schwerer messbaren Resultaten würden häufig vernachlässigt, so die GPF-Studie.

Hinzu komme, dass private Stiftungen den größten Teil ihres Vermögens in den Finanzmärkten investieren. Deshalb hänge ihr Einkommen und damit auch ihr Fördervolumen von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ab. Die Vergabe von Fördermitteln durch Stiftungen sei somit eher pro-zyklisch und tendiere dazu, in Krisenzeiten, in denen zusätzliche Mittel am dringendsten benötigt werden, zurückzugehen. (Ende/IPS/jk/16.12.2015)


Links:

http://www.indepthnews.info/index.php/global-issues/2623-study-unveils-how-big-philanthropy-shapes-development-agenda
https://www.globalpolicy.org/component/content/article/270-general/52829-philanthropic-power-and-development-who-shapes-the-agenda.html

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2015

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