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MENSCHENRECHTE/234: Zahl der Todesopfer in bewaffneten Konflikten dramatisch gestiegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Mai 2011

Menschenrechte:
Zahl der Todesopfer in bewaffneten Konflikten dramatisch gestiegen

Von Thalif Deen


New York, 13. Mai (IPS) - In Afghanistan, dem 'Friedhof der Weltreiche', ist die Zahl der Todesopfer derart dramatisch gestiegen, dass die Menschenrechtsorganisation 'Minority Rights Group International' (MRG) mit Sitz in London von einem regelrechten 'Killing Field' warnt. Eine Besserung der Lage sei angesichts einer schwachen Zentralregierung, internationaler Uneinigkeit und systematischer Korruption nicht in Sicht.

Wie der MRG-Chef Mark Lattimer am 12. Mai gegenüber IPS erklärte, starben im letzten Jahr am Hindukusch 3.000 Zivilisten. Drei Viertel der tödlichen Übergriffe gingen auf das Konto der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte. 440 zivile Opfer lastet die UN-Unterstützungsmission in Afghanistan den Pro-Regierungs-Truppen der NATO, der USA und anderen Bündnispartnern der Regierung von Staatspräsident Hamid Karsai an. Mehr als 170 dieser Zivilisten starben durch Luftangriffe.

Die UN-Untergeneralsekretärin für humanitäre Angelegenheit, Valerie Amos, gibt die Zahl der 2010 getöteten oder verletzten Afghanen mit insgesamt 7.000 an. Das sei gegenüber 2009 ein Anstieg um 19 Prozent, sagte sie am 12. Mai gegenüber dem UN-Sicherheitsrat. Staatsfeindliche Kräfte hätten den Tod und die Verletzung von mehr als 5.000 Afghanen verursacht. Rund 800 Fälle seien auf Militäreinsätze der Kabuler Bündnispartner zurückzuführen.

Selbstgebaute Sprengsätze und Selbstmordattentate fordern auch weiterhin viele Tote und Verletzte. Die Ankündigung der Taliban Anfang Mai, eine Frühlingsoffensive zu starten, bezeichnete Amos als "besorgniserregend". Zudem sei sie bestürzt über das Ausmaß der Gewalt gegen bahrainische, jemenitische und syrische Zivilisten, die zahlreiche Todesopfer und Menschenrechtsverletzungen nach sich gezogen habe.

Die UN-Untergeneralsekretärin nannte Somalia, die Demokratische Republik Kongo, Sudan, Kolumbien, die Zentralafrikanische Republik und Sri Lanka, wo gegen Ende des gewaltsamen Konflikts im Mai 2009 40.000 Zivilisten getötet worden sein dürften, als weitere Länder, in denen Zivilisten massiv gefährdet sind. "Einige Verstöße könnten als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet werden", sagte sie und fügte hinzu: "Nach internationalem Recht müssen die Vorwürfe angemessen untersucht werden."


Immer mehr Arbeit für den Weltstrafgerichtshof

Dass der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), Luis Moreno-Ocampo, die Verbrechen in Libyen untersucht, lasse darauf hoffen, dass sich etliche Regierungsvertreter vor dem Haager Tribunal wieder finden würden, sagte Lattimer gegenüber IPS und wies darauf hin, dass das Hager Tribunal auch im Zusammenhang mit den tödlichen Übergriffen in Cote d'Ivoire und Afghanistan ermitteln werde. "Wir beobachten, wie der ICC in immer mehr Fällen aktiv wird, und wie sich die Schlinge um eine größere Gruppe politischer Führer weiter zuzieht", sagte Lattimer.

In dem Report 'Peoples Under Threat' ('Menschen in Gefahr') warnt die MRG, dass eine Eskalation des Konflikts in Afghanistan und eine größere Veränderung der Machtverhältnisse in Kabul zu einem großen Blutbad in einem Land führen könne, das noch immer zwischen dem von Paschtunen dominierten südlichen Kerngebiet der Taliban und den tadschikisch-usbekischen Hochburgen der ehemaligen Nordallianz gespalten sei.


Schicksal von Zivilisten zweitrangig

Wie die UN-Untergeneralsekretärin Amos vor dem UN-Sicherheitsrat beklagte, zeichneten sich Konfliktparteien trotz bestehender verbindlicher Regeln nicht durch ernst gemeinte Bemühungen aus, das Leben von Zivilisten zu schonen.

Die Einhaltung von internationalem Recht, vor allem im Zusammenhang mit Kampfhandlungen, ist eine Kernforderung in den letzten beiden Berichten des UN-Generalsekretariats. Die Berichte appellieren an die Konfliktparteien in Bürgerkriegsländern, alle Gelegenheiten wahrzunehmen, Übergriffe auf Zivilisten öffentlich zu verurteilen. Auch muss schwere Gewalt gegen Zivilisten untersucht und die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt werden. Versagt die nationale Justiz, ist der ICC gefragt. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.minorityrights.org/10755/press-releases/afghanistan-most-significant-riser-in-global-peoples-under-threat-2011-survey.html
http://unama.unmissions.org/default.aspx?/
http://www.icc-cpi.int/Menus/ICC?lan=en-GB
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=55608

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2011