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MENSCHENRECHTE/283: Mönch sorgt für Streit zwischen Spanien und China (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. März 2014

Menschenrechte: Mönch sorgt für Streit zwischen Spanien und China

von Saransh Sehgal


Bild: © Saransh Sehgal/IPS

Der buddhistische Mönch Thubten Wangchen hat einen Streit zwischen Spanien und China über die Menschenrechte in Tibet ausgelöst
Bild: © Saransh Sehgal/IPS

Barcelona, 18. März (IPS) - Thubten Wangchen, ein tibetischer Mönch mit spanischem Pass, ist zu einem Stachel im Fleisch der spanisch-chinesischen Politik geworden, seitdem auf seine Strafanzeige hin ein spanischer Richter internationalen Haftbefehl gegen fünf ehemalige chinesische Entscheidungsträger ausgestellt hat.

Thubten geht es nach eigenen Angaben darum, dass Chinas Ex-Staatspräsident Jiang Zemin, der frühere Ministerpräsident Li Peng und drei weitere hochrangige Politiker wegen Völkermord in Tibet angeklagt werden. Sie alle seien über Folterungen und Hinrichtungen von Tibetern sowie über "Zwangsfamilienplanungsmaßnahmen einschließlich Abtreibungen und Zwangssterilisationen" im Bilde gewesen, erklärte er gegenüber IPS.

Kurz nachdem Richter Ismael Moreno im letzten Monat Interpol angewiesen hatte, die fünf chinesischen Führer zur Fahndung auszuschreiben, gab Chinas Außenminister der Regierung in Madrid zu verstehen, dass man aufgrund der "Einmischung in innere Angelegenheiten" eine baldige Kreditrückzahlungsforderung in Erwägung ziehen könnte.

"Unabhängig davon, ob die Angelegenheit angemessen geklärt werden kann, betrifft sie die gesunde Entwicklung der Beziehungen", erklärte die Außenamtssprecherin Hua Chunying nach Ausstellung der Haftbefehle durch den spanischen Richter. "Wir hoffen, dass die spanische Regierung zwischen richtig und falsch unterscheiden kann."

China ist dem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Spanien mit hohen Krediten beigesprungen, was das spanische Parlament Anfang März dazu veranlasste, einem Vorschlag der Regierungspartei PP stattzugeben, für eine Einschränkung der globalen Reichweite der spanischen Gerichtsbarkeit für in Übersee begangene Fälle von Völkermord und anderer Menschenrechtsverbrechen zu sorgen.


Menschenrechte versus Wirtschaftsinteressen

Am 4. März stimmte das Parlament mit einer Mehrheit von 179 zu 163 Stimmen für die Gesetzesänderung, die noch vom Senat gebilligt und dann ans Parlament zurückgegeben werden muss. Der Abschluss dieses Verfahrens wird frühestens innerhalb eines Monats erwartet.

Wie Thubten gegenüber IPS erklärte, ist die geplante Gesetzesreform "nicht nur für das tibetische, sondern auch für das spanische Volk eine traurige Nachricht". Die spanische Volkspartei PP habe sich aus wirtschaftlichen Gründen dem Druck Chinas gebeugt, erklärte er. Kritik kommt auch von Menschenrechtsorganisationen wie 'Amnesty International' und 'Human Rights Watch'. Sie bezeichneten die geplante Gesetzesreform in einem offenen Brief als einen "verheerenden Schlag gegen die universelle Gerichtsbarkeit und Spaniens internationale Verpflichtungen, schwere Verbrechen nicht straffrei ausgehen zu lassen".

Thubten und seine Unterstützer berufen sich mit ihrer Strafanzeige auf ein spanisches Gesetz von 1985, das die strafrechtliche Verfolgung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzer erlaubt, auch wenn die Verbrechen im Ausland begangen wurden. Voraussetzung ist, dass spanische Bürger zu den Opfern gehören.

Spanische Richter haben bereits von der Doktrin der universellen Rechtsprechung zur Überprüfung von Menschenrechtsverstößen im Ausland Gebrauch gemacht. Das Gesetz diente beispielsweise dem ehemaligen spanischen Richter Baltasar Garzón als Grundlage, den ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet in London 1998 festnehmen zu lassen. Auch wurde es gegen den einstigen Al-Qaeda-Führer Osama bin Laden eingesetzt. Doch nur die wenigsten Fälle gelangten tatsächlich vor Gericht.


"Das große Leid des tibetischen Volkes"

Der 1954 in Tibet geborene Thubten floh 1959 - im gleichen Jahr, als der geistige Führer des Landes, der Dalai Lama, nach Indien flüchtete - mit seiner Familie nach Nepal. 2006 brachte er zusammen mit zwei spanischen Pro-Tibet-Organisationen den Fall vor ein spanisches Gericht, "um der Welt das große Leid des tibetischen Volkes unter chinesischer Herrschaft zu zeigen".

Die Zahl der Selbstverbrennungen, mit denen Tibeter gegen die repressive Politik Chinas protestierten, sei inzwischen auf 127 angestiegen, erklärte er. "Angesichts einer massiven Militärpräsenz zur Kontrolle der Menschen leben Tibeter in einem Zustand der konstanten Unterdrückung bar jeder Religions- und Bewegungsfreiheit."

Thubten ruft die Europäer im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in seinem Herkunftsland dazu auf, geeinter gegen China aufzutreten. "Wir fordern die EU auf, sich stärker zu engagieren, indem sie einen EU-Sonderkoordinator für Tibet ernennt", erklärte Thubten und fügte hinzu: "Mit meiner kleinen Aktion will ich mein Volk in Tibet moralisch unterstützen." (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/03/monk-sparks-row-spain-china/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014