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MILITÄR/835: Ringen um die Abrüstung (IPPNWforum)


IPPNWforum | 119 | 09
Mitteilungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Ringen um die Abrüstung
Kräftiger Gegenwind für Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt

Von Xanthe Hall


150 Friedens- und Abrüstungsorganisationen - darunter die IPPNW - haben anlässlich der historischen Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Abrüstung am 24. September 2009 in einem Brief einen sofortigen Plan für die Abschaffung aller Atomwaffen gefordert. Die Situation erfordere dringliches Handeln. Die Organisationen haben auf die katastrophalen Auswirkungen eines regionalen Atomkrieges auf das weltweite Klima hingewiesen sowie auf die ca. 2.500 Atomwaffen in den USA und Russland, die noch immer in höchster Alarmbereitschaft gehalten werden. Sie forderten den UN-Sicherheitsrat auf, innerhalb eines Jahres einen Plan vorzulegen, wie eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen sei.


Die von den USA zu dieser Sitzung eingebrachte Resolution, die vom UN-Sicherheitsrat einstimmig angenommen wurde, ruft zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt auf. Doch sie enthält wenig konkrete Maßnahmen zur Abrüstung. Genannt wird lediglich ein neuer Vertrag zur Reduzierung von strategischen Atomwaffenarsenalen in den USA und eine US-Ratifizierung des Atomteststoppvertrags. Die Resolution beschränkt sich im Wesentlichen auf die Nichtverbreitung von Atomwaffen.

Trotzdem ist die Verabschiedung ein Beitrag zur internationalen Konsensbildung im Vorfeld der Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags im nächsten Jahr. Sie bedeutet zwar keine grundlegende Veränderung der Atomwaffenpolitik, bestätigt aber, dass die USA wieder multilateral arbeiten und den Atomwaffensperrvertrag stärken wollen. Die Resolution zeigt den Willen der US-Administration mit der Abrüstung weiter voranzukommen. Positiv hinzu kommt Obamas Entscheidung, die Raketenabwehrpläne der Bush-Administration nicht weiter zu verfolgen.

Allerdings erfährt Obamas Abrüstungsvision in den USA zur Zeit kräftigen Gegenwind. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte am 18. September erklärt, es sei wichtig, weiterhin in die Modernisierung der atomaren Infrastruktur zu investieren, z.B. in Labore und Expertise, um Ressourcen für Betriebzeitverlängerungen zu haben und zukünftig über Atomwaffen zu verfügen, die sicherer und verlässlicher seien. Gates ist ein Befürworter des Reliable Replacement Warhead-Program, das bereits vom US-Kongress gestrichen wurde, und die Entwicklung neuer Atomwaffen beinhaltete. Jetzt wird die geplante Modernisierung unter dem Begriff "Life Extension Programm" (Betriebszeitverlängerung) vorangetrieben.

Momentan berät der US-Senatsausschuss für Energie und Wasser über eine Modernisierung des US-Atomwaffenarsenals. Die drei Abgeordneten und Mitglieder des Internationalen Abgeordnetennetzwerks für Abrüstung, PNND, Uta Zapf (Deutschland), Patrik Vankrunkelsven (Belgien) und Federica Mogherini (Italien) haben ihre US-Kollegen in einem Brief darauf hingewiesen, dass die in Europa stationierten B-61 Atombomben für eine Verteidigung Europas nicht notwendig seien. Sie dokumentieren entsprechende Beschlüsse und Äußerungen der nationalen Parlamente.

Obamas Abrüstungspläne und die gleichzeitige Diskussion über die Modernisierung des bestehenden Atomwaffenarsenals hängen eng zusammen. Präsident Obama kann seine ehrgeizigen Pläne für Verträge mit Russland und einen Atomwaffenteststopp in den USA nur durchsetzen, wenn er gleichzeitig das US-Arsenal für die Zukunft rüstet. Sonst würden die Republikaner die Abrüstung blockieren.

Julian Borger schrieb Mitte September im Guardian, dass das Pentagon offensichtlich an dem bestehenden US-Atomwaffenarsenal festhalten will. Es werde für die "erweiterte Abschreckung" gebraucht. Auf dem Spiel stehe das Vertrauen der Allierten in die US-Bereitschaft zur Verteidigung Europas. Im Mai hatte Obama den Haushalt für Atomwaffen der nächsten Jahren gesperrt und der US-Kongress die Gelder für die Modernisierung der B-61-Bombe bereits gestrichen.

Die B-61 ist die älteste Bombe im US-Arsenal. Bill Gertz von der Washington Post schreibt, die Bombe könne nicht länger stationiert bleiben, wenn sie nicht modernisiert würde, da ihre Betriebslaufzeit demnächst auslaufe und die Trägerflugzeuge ersetzt werden müssten. Der "Blue Ribbon"-Bericht hatte Fehler im gesamten US-Arsenal gefunden. Die Modernisierung der B-61-Bombe könnte daher nur ein erster Schritt sein. 60 B-61 Atombomben sind der NATO unter der sogenannten nuklearen Teilhabe zugeteilt und in Belgien (Klein Brogel), Deutschland (Büchel), und den Niederlande (Völkel) gelagert. Darüber hinaus sind ca. 150 Atomwaffen in US-Basen in Italien (Aviano), und der Türkei (Incirlik) stationiert.


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Quelle:
IPPNWforum | 119 | 09, Oktober 2009, S. 12
Herausgeber:
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2009