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MILITÄR/857: Bewertung der Atomwaffenkonferenz in New York (IPPNW)


Pressemitteilung der IPPNW - Berlin, 31. Mai 2010

Kein Zeitplan für die Abrüstung


Die deutsche Friedensbewegung bewertet den Abschluss der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages, die am Freitag zu Ende ging:

Erstmalig wird die von der globalen Friedensbewegung geforderte Nuklearwaffenkonvention erwähnt und die Notwendigkeit eines rechtlichen Rahmens zur Abschaffung aller Atomwaffen anerkannt. Allerdings blockierten die Atomwaffenstaaten - China ausgenommen - einen Konsens zur Festlegung von Fristen. Auch die weitere Modernisierung von Atomwaffen war nicht zu stoppen.

Im Bereich der nuklearen Abrüstung sind 22 konkrete Aktionen beschlossen worden. So haben sich die Atomwaffenstaaten verpflichtet, ihren Fortschritt in der Abrüstung auf der Basis der bei der Überprüfungskonferenz in 2000 festgelegten 13 Schritte zu beschleunigen. Und: eine "To-Do-Liste" wurde hinzugefügt, über die die Atomwaffenstaaten bis zur Vorbereitungskonferenz (PrepCom) in 2014 zu berichten haben. Bei der Überprüfungskonferenz 2015 soll eine Bestandsaufnahme erfolgen und die nächsten Schritte vereinbart werden. Darüber hinaus bekräftigten die Atomwaffenstaaten erneut die so genannte "unzweideutige Verpflichtung" (unequivocal undertaking) zur vollständigen Abschaffung ihrer nuklearen Arsenale sowie die Grundsätze von Transparenz, Verifikation und Unumkehrbarkeit.

2005 waren die 13 Schritte von den Atomwaffenstaaten 2005 in Frage gestellt worden.

"Diese Vereinbarungen sind bei weitem nicht genug, um den schleichenden Verfall des Nichtverbreitungssystems zu stoppen", sagt Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW. "Dafür brauchen wir nach wie vor eine klare Verpflichtung, wann und wie Verhandlungen über die Ächtung von Atomwaffen durch eine Nuklearwaffenkonvention beginnen."

Reiner Braun, Geschäftsführer der deutschen Juristen gegen Atomwaffen (IALANA) ging in seiner Kritik des Abschlussdokuments weiter. Er hält die Verweigerung von vier der Atomwaffenstaaten (USA, Russland, Frankreich und Großbritannien), ihre Abrüstungsverpflichtung unter dem Atomwaffensperrvertrag einzuhalten, für einen Rechtsbruch: "Im Widerspruch zum Vertrag und zum Urteil des internationalen Gerichtshofes von 1996 verweigern vor allem diese vier durch ihre Ablehnung der Nuklearwaffenkonvention sofortige Verhandlungen in gutem Glauben über die Abschaffung der Atomwaffen zu beginnen. Dies ist ein permanenter Rechtsbruch, ja ein kriminelles Verhalten der atomwaffenbesitzenden Länder. Sie gehören auf die Anklagebank."

Aus Sicht der deutschen Friedensbewegung ist besonders enttäuschend, dass die Frage der Stationierung von Atomwaffen auf dem Territorium von Nichtatomwaffenstaaten, wie z.B. die US-Atomwaffen in Deutschland, nicht mehr behandelt wird. In einem früheren Entwurf des Schlussdokuments sollte diese Frage auf die "To-Do"-Liste der Atomwaffenstaaten gesetzt werden. Dieser Punkt wurde bis zur Unkenntlichkeit verwässert.

Ein Durchbruch ist mit der Forderung nach der Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Mittleren Osten gelungen. Ein Beauftragter ("Facilitator") soll eingesetzt und im Jahr 2012 soll eine Konferenz in der Region erste verbindliche Schritte zur Implementierung einer solchen Zone erzielen.

Als "sehr ärgerlich" bezeichnet Xanthe Hall den auf der Konferenz nicht zu erschütternden Stand der zivilen Nutzung der Atomenergie, die nach wie vor als "unveräußerliches Recht" aller Staaten angesehen wird. "Anscheinend haben die Mitgliedsstaaten noch nicht verstanden, dass die zivile mit der militärischen Nutzung verwickelt ist. Nur ein weltweiter Ausstieg aus der Atomenergie kann aus dieser unkontrollierbaren Zwickmühle helfen, das zeigt der Konflikt mit dem Iran ", so Hall.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 31. Mai 2010
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2010