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MILITÄR/930: Nicaragua - Mehr Waffen für zweitärmstes Land Lateinamerikas (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. März 2015

Nicaragua:
Mehr Waffen für zweitärmstes Land Lateinamerikas - Modernisierung der Armee löst nationale und regionale Kontroverse aus

von José Adán Silva


Bild: Mit freundlicher Genehmigung der nicaraguanischen Armee

Nicaraguanische Soldaten entladen Wahlunterlagen aus einem Antonow-26-Militärflugzeug
Bild: Mit freundlicher Genehmigung der nicaraguanischen Armee

Managua, 13. März (IPS) - Nicaragua, das zweitärmste Land Lateinamerikas nach Haiti, will einen Teil seiner knappen Haushaltsgelder für die Modernisierung seiner Streitkräfte ausgeben. Die Entscheidung, die auf ein bilaterales Abkommen von 2013 zurückgeht, hat in- und außerhalb des Landes eine Kontroverse ausgelöst.

Angesichts internationaler Medienberichte, wonach die Regierung in Managua über die Anschaffung eines Geschwaders von bis zu zwölf russischen Kampfflugzeugen vom Typ Mig-29 nachdenkt, erklärte im Februar der Generalinspekteur des nicaraguanischen Heeres, Brigadegeneral Adolfo Zepeda, man sei auf der Suche nach Jagdfliegern, die im Verbund mit Artillerieschiffen die Flugzeuge der Drogenkartelle im nicaraguanischen Teil des Karibischen Meeres abfangen könnten.

Doch aufgrund der hohen Armut im Land fällt die Reaktion auf die Pläne, 29 Millionen US-Dollar pro Mig-29 auszugeben, weitgehend negativ aus. Nach den jüngsten Zahlen, die die Regierung der Weltbank zur Verfügung gestellt hat, lebten 2009 42,5 Prozent der 6,1 Millionen Nicaraguaner in Armut.

Nach Ansicht von Elvira Cuadra, Soziologin und Vorsitzende des unabhängigen Instituts für staatspolitische Studien und Strategien, wären die nicaraguanischen Steuergelder besser investiert, wenn sie zur Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) der Vereinten Nationen zur Armutsbekämpfung bis Ende 2015 ausgegeben würden.


Ressourcen für Entwicklung gebraucht

"Die wirtschaftliche Situation des Landes und insbesondere die Gefahr bestimmter Bevölkerungsgruppen, in die extreme Armut abzurutschen, verbieten es im Grunde, die kostbaren Mittel für andere Zwecke als die Armutsbekämpfung auszugeben", fügt sie hinzu. Der Regierung des linken Staatspräsidenten Daniel Ortega wirft sie vor, sich von Russland im Streit mit den USA instrumentalisieren zu lassen.

Nicaragua und Russland hatten im Dezember 1944 während des Zweiten Weltkriegs diplomatische Beziehungen aufgenommen. Als die Nationale Sandinistische Befreiungsfront 1979 nach dem Sturz von Diktator Anastasio Somoza die Macht übernahm, kam es vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs und der Tatsache, dass die USA die Contra-Rebellen militärisch unterstützten, zur Annäherung zwischen beiden Ländern. Russland stattete die neue Armee mit sowjetischen Waffen aus.

Die nicaraguanisch-russischen Beziehungen kühlten ab 1990 - nach dem Machtverlust der Sandinisten - wieder merklich ab, wurden nach der Rückkehr von Ortega an die Staatsspitze jedoch wiederbelebt. Seither unterstützt das zentralamerikanische Land die geostrategischen Aktivitäten Moskaus wie zuletzt in der Ukraine und auf der Krim. Russland revanchiert sich mit Hilfsgeldern, Technologien, Medikamenten, Transport- und Nahrungsmitteln. Für die Verpflegung und militärische Zusammenarbeit gab das Land zwischen 2009 und 2014 26 Millionen Dollar aus.

Russische Kriegsschiffe ankern in nicaraguanischen Häfen, und russische Bomber landen auf nicaraguanischen Flugpisten. Beide Staaten führen gemeinsam Patrouillen im Karibischen Meer durch. Gleichzeitig wird in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua mit Hilfe russischer Gelder und Experten ein Schulungszentrum zur Bekämpfung des Drogenhandels aufgebaut.

Vom 11. bis 12. Februar fand sich der russische Verteidigungsminister General Sergei Schoigu in Managua ein, um die bilaterale Zusammenarbeit in dem Bereich zu stärken, nachdem der russische Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow Nicaragua zusammen mit Kuba und Venezuela als die wichtigsten Bündnispartner bezeichnet hatte.


Bild: Mit freundlicher Genehmigung der nicaraguanischen Armee

Der russische Verteidigungsminister General Sergei Schoigu (rechts) und der nicaraguanische Heeresschef General Julio Cesar Avilés bei der Unterzeichnung von Kooperationsabkommen im Februar in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua
Bild: Mit freundlicher Genehmigung der nicaraguanischen Armee

Ricardo De León, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der 'Universidad American College' hält die Militarisierung des Anti-Drogen-Kampfes und den Kauf neuer Rüstungsgüter für einen schweren Fehler. Schon in El Salvador hätten sich repressive Strategien als wirkungslos herausgestellt. Außerdem gingen dem nicaraguanischen Staat auf diese Weise Gelder verloren, die dringend für die Entwicklung des Landes gebraucht würden.

2014 gab Nicaragua nach offiziellen Angaben 0,54 Prozent seines BIP in Höhe von 11,3 Milliarden Dollar für die nationale Verteidigung aus. Für Bildung stellte das Land 2,94 Prozent seines BIP bereit.


Nachbarn beunruhigt

Die Aufrüstungspläne des Landes sind aber auch in der Nachbarschaft auf Kritik gestoßen. Regierungsvertreter und Experten aus Costa Rica, Honduras und Kolumbien warnten vor der Zunahme von Gewalt und einem neuerlichen Wettrüsten in der Region. Zwischen Nicaragua und den Staaten bestehen Grenzstreitigkeiten.

"Zunächst einmal ist zu befürchten, dass es wie in anderen Ländern zu einer Gewaltspirale kommt", meint Carlos Murillo, Professor an der Nationalen Universität von Costa Rica. Zweitens könne es zu einer Militarisierung des Landes kommen. Seiner Meinung nach ist die Drogenbekämpfung ein vorgeschobenes Argument. Vielmehr gehe es Nicaragua vor allem darum, Kolumbien und Costa Rica von Aktionen abzuhalten, die die Territorialansprüche Managuas schwächen könnten, so Murillo. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnoticias.net/2015/03/mas-armas-en-el-segundo-pais-mas-pobre-de-america/

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IPS-Tagesdienst vom 13. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2015

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