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PARTEIEN/123: Jugendpolitischer Ratschlag der DKP beriet über die Lage und Kämpfe der Jugend (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 5 vom 1. Februar 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Gemeinsam diskutieren, streiten, kämpfen
Jugendpolitischer Ratschlag der DKP beriet über die Lage und Kämpfe der Jugend

von Wolfgang Teuber



Auf dem Jugendpolitischen Ratschlag der DKP am vergangenen Wochenende in Hannover legten Vertreter 10 eingeladener Jugendorganisationen ihre Positionen und Standpunkte vor den etwa 70 jungen und älteren Teilnehmern dar, die eine spannende und hochinteressante Diskussion und einen erkenntnisreichen Erfahrungsaustausch in Hannover erlebten.

In ihrem Eröffnungsbeitrag ging die Vorsitzende der DKP, Bettina Jürgensen, auf die von Armut und Arbeitslosigkeit geprägte Situation der Kinder und Jugendlichen in dieser mit Reichtum so maßlos protzenden Bundesrepublik ein. In diesem Land, in dem ein paar Millionen Millionäre und Multimillionäre immer größere Reichtümer zusammenraffen, gibt es für die Kinder nicht genügend Kindergarten- und Hortplätze, fehlen über 300 000 Ausbildungsstellen. Bettina Jürgensen rief zum Widerstand gegen diese unhaltbaren Zustände auf. "Wir wollen heute über Ursachen, Situation, aber auch die Forderungen zur Veränderung der Lage Jugendlicher diskutieren. Wir wollen uns über erfolgte Kämpfe austauschen und - soweit möglich - über gemeinsamen zukünftigen Widerstand beraten. Als mögliche nächste Aktivitäten nenne ich hier nur die Tarifkämpfe der Gewerkschaften, dezentrale Umfairteilen-Aktionen Mitte April und Blockupy - Frankfurt Ende Mai 2013."

In Kurzbeiträgen legten die Referenten der drei Arbeitsgruppen ihre Positionen vor dem Plenum dar. Für die Arbeitsgruppe zur Hochschulpolitik warf Anne Geschonneck vom SDS (Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband) der Partei "Die Linke" die Frage auf "Warum muss studentischer Protest antikapitalistisch sein?". Sie zeigte auf, dass die Hochschulräte in der Regel neben Angehörigen der Universität auch mit Personen aus Unternehmen und Konzernen besetzt sind. Darum, so beantwortete sie ihre anfangs gestellte Frage, muss "Hochschulbildung, die sich also nicht den Prioritäten kapitalistischer Warenverwertung unterordnen will, (muss) daher notwendigerweise systemkritisch sein. Systemkritisch, weil die Hochschule nicht im luftleeren Raum existiert, also genauso den Zwängen der Kapitalakkumulation unterworfen ist. Vor dem Hintergrund, dass es auch in diesem Jahr Angriffe auf das soziale System geben wird, das an den Hochschulen auch weiterhin für den Krieg geforscht wird, die Mieten vor allem in den Universitätsstädten steigen", unterstrich sie, dass es "auch in diesem Jahr eine Menge Anknüpfungspunkte für linke, antikapitalistische Politik, für Protest und Widerstand" geben wird. Zwei Vertreter des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan gaben vor dem Plenum eine Stellungnahme ab, in dem sie auf die Situation der Jugend und der jugendlichen Migranten in diesem Land eingingen und Schlussfolgerungen daraus zogen, was dies für die Jugend heute bedeutet. Dem Plenum trugen sei einen Vorschlag zu einer gemeinsamen Resolution vor, in der ein weiterer Jugendpolitischer Ratschlag, gemeinsame Treffen der verschiedenen hier beteiligten Organisationen und gegenseitige Besuche von Veranstaltungen, Festen, aber auch Demonstrationen vorgeschlagen wurde und luden alle Jugendlichen und Jugendorganisationen dazu ein, "sich an den angestoßenen Diskussionen zu beteiligen und einen politischen Prozess gemeinsam zu gestalten".

Kolja Griebner von der ver.di-Jugend Hamburg, ging auf die allgemeine Situation der Studierenden und vor allem auf die miserablen prekären Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen ein.

"Dabei sind mittlerweile 84 % der Arbeitsverhältnisse befristet und bis auf die Professuren häufig auch nur noch in Teilzeit zu haben." Durch unzählige Überstunden wird schamlose Lohndrückerei betrieben. Er trat für eine stärkere gewerkschaftliche Arbeit an den Hochschulen und ein elternunabhängiges Bafög ein und forderte nicht nur das Kriegsstudium an den Hochschulen zu verweigern, sondern auch das Studium zum Wissenschaftskrieg. Für die zweite Arbeitsgruppe zur beruflichen Ausbildung und Arbeitssituation ging Sebastian Zöppel Gewerkschaftssekretär der IG BAU auf die Situation der jugendlichen Beschäftigten im Handwerk und Bauhauptgewerbe ein. Die Situation sei geprägt von vermehrt tariflosen Subunternehmen, Scheinselbstständigkeit und einer hohen Anzahl ausländischer Arbeitnehmer. Er warf die Frage auf, wie man Jugendthemen zu Gewerkschaftsthemen machen kann. Er verwies darauf, dass ausgehend von der ökonomischen Krise, das Leben vieler Jugendlicher in dieser Gesellschaft geprägt ist von Unsicherheit und Angst, die auch von den Medien alltäglich weiter geschürt wird. Problematisch ist für die Jugend auf dem Bau, dass immer weniger ausgebildet wird. Im Bereich der Gebäudereiniger gibt es beispielsweise keine Ausbildungsplätze, oder große Baukonzerne mit 10 000 Beschäftigten, stellen gerade mal 10 Ausbildungsplätze zu Verfügung. "Was ist als Gewerkschafter in dieser Situation also zu tun?", fragte er und regte dazu eine streitbare und kontroverse Diskussion in der Arbeitsgruppe an.

Tim Reuter, Jugendvertreter bei VW in Braunschweig, gab einen Überblick über die Ausbildungssituation bei VW. Von Anfang bis Ende sei alles durchgeplant. Der Anteil der Studierenden in der Ausbildung wachse, ebenso die Zahl der Frauen, zur Zeit 28 %, die mit Förderprogrammen in der Ausbildung begleitet werden. Doch trotz eines gewerkschaftlichen Organisationsgrades von 100 % und jugendlicher Vertrauensleute in allen Ausbildungsgruppen heißt dies nicht, dass sich alle Auszubildenden darüber bewusst sind und bereit sind, für ihre Interessen einzutreten. Ausgehend von der Diskussion unter den Auszubildenden, die die JAV zur Zeit organisiert, werde in der laufenden Tarifrunde bei VW für die Auszubildenden die Forderung nach einem elternunabhängigen Einkommen zum Auskommen aufgestellt. Das führt zu nicht einfachen Diskussionen mit den erwachsenen Kollegen, aber gerade auch zu intensiven Diskussionen und einer stärkeren Mobilisierung der Auszubildenden in der Tarifrunde.

Zum ersten Mal war eine Vertreterin der Alevitischen Jugend auf einer DKP-Veranstaltung. Die Alevitische Jugend steht, so Hatun Aycik, für Humanismus, Toleranz, interreligiösen und interkulturellen Dialog. Ihre Schwerpunkte sind beispielsweise die Erhaltung der alevitischen Kultur und Lehre, die politische Sensibilisierung, Antirassismus Projekte, Genderthemen und Anti-Homophobie.

"Ausbildungssituation und Ausbildungschancen; lernen und arbeiten unter rassistischer Anmache," das ist das Thema. zu dem sie in ihrem Statement sprach. Rassistische Anmache gehe aber nicht nur von Nazis aus, sondern ebenso "von fundamentalistischen und nationalistischen Angriffen aus den Gruppierungen wie den Grauen Wölfen oder der Gülen Bewegung. Rassismus kann somit ganz unterschiedliche und vielfältige Gesichter haben, "die es heißt, zu erkennen und gemeinsam zu bekämpfen".

Klaus Sieck, Berufschullehrer und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gab in seinem Kurzreferat einen Überblick über die Situation an den Berufschulen. Auch hier - wie an den Unis - nimmt der Einfluss von Unternehmen und Konzernen immer mehr zu. So forderten die Handwerkskammern in Hamburg die Berufschulen zu privatisieren und verlangten, dass Themen im Schulunterricht, wie Armut in der Welt und Rassismus gestrichen werden. Mit gemeinsamen Aktionen von Schülern und Lehrern, Demonstrationen, Unterschriftensammlungen für ein Volksbegehren "Bildung ist keine Ware", das erfolgreich durchgeführt wurde, konnte dieses Ansinnen der Kapitalvertreter zumindest vorläufig weitgehend verhindert werden. Für die Diskussion in der Arbeitsgruppe stellte er Thesen auf, u. a. "Wir brauchen keine Warteschleifen sondern mehr qualifizierte Ausbildungsplätze - wer nicht genügend ausbildet muss zahlen.

Wir brauchen besser Lernbedingungen auch an den Berufsschulen, vor allem kleinere Klassen. Wir brauchen kostenlose Weiterbildung auch nach der Berufsausbildung. Wir brauchen Integration von Allgemeiner und Beruflicher Bildung, eine Schule für alle auch nach dem 10. Schuljahr, betonte Klaus Sieck. Aram Ali vom Bundesvorstand der SDAJ ging auf die prekäre Beschäftigungssituation der Jugendlichen ein. Zeit- und Leiharbeit träfe immer mehr Jugendliche. Über 50 % der Leiharbeiter sind unter 35 Jahren. Was sei zu tun? Aus Sicht der SDAJ, so Aram Ali, hemmt das schwach entwickelte Klassenbewusstsein die notwendigen Klassenkämpfe. Das Problem sei, dass es zu wenig Kampferfahrungen unter der Jugend gebe. Hinzu kommt, das die Standortlogik in der Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaftsführung mit dem Kapital gipfelt. "Nicht blumige Phrasen wie 'gerechte Löhne' und 'gute Arbeit', sondern den Widerspruch zwischen Beschäftigten und Unternehmern rücken wir in den Mittelpunkt."

Diese Position führte in der Diskussion in der Arbeitsgruppe zu Widerspruch. Uwe Fritsch, Betriebsratsvorsitzender im VW-Werk Braunschweig, betonte, statt gewerkschaftliche Kampagnen für Arbeit sicher und fair und für ein gutes Leben abzulehnen käme es doch darauf an, dass wir unsere Vorstellungen als Kommunisten für ein besseres Leben einbringen. Indem wir anknüpfen an das vorhandene Bewusstsein der Kollegen, könnte man die subjektiven Interessen der Beschäftigten mit ihren objektiven verbinden.

Hieraus entwickelte sich eine interessante Diskussion über die Lage und Probleme der Jugend, über die Frage, wie Jugendliche für ihre Rechte mobilisiert werden können, über den Bewusstseinstand der Jugend heute und was unter Klassenbewusstsein zu verstehen ist. Sebastian Zöppel von der IG BAU berichtete in diesem Zusammenhang von einem Erlebnis auf einer Baustelle. Die Kollegen interessierten sich wenig für den laufenden Tarifkampf, "für sie war am wichtigsten das fehlende Scheißhaus auf der Baustelle".

Er gab zu bedenken, dass in diesen Zeiten gewerkschaftliches Bewusstsein zerbröselt, dass der Neoliberalismus Milieus in der Arbeitswelt zerstört, dass die Beschäftigten keine Vision für die Zukunft mehr haben. Daher komme es darauf an, die Themen der Beschäftigten zu den eigenen zu machen und mit gewerkschaftlicher Kleinarbeit kontinuierlich zu beginnen.

Kritisch angemerkt wurde in einer Arbeitsgruppe von einer Teilnehmerin, dass die Lage der Jugendlichen, die von Hartz IV leben, die ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung, ohne Berufs- und Lebensperspektive sind, "die es nicht gelernt haben, sich zu wehren, die nicht gelernt haben, dass sie was wert sind", auf diesem Jugendpolitischen Ratschlag zu kurz kamen.

In der Arbeitsgruppe zur Hochschulpolitik, in der unter anderem über den Bewusststeinstand der Studierenden, über Form und Inhalt von Gremienarbeit, über ja oder nein des Kampfes auf der Straße diskutiert wurde, wurde der Wunsch aller Beteiligten nach einem zweiten Jugendpolitischen Ratschlag der DKP als wichtigstes Ergebnis festgehalten, nach stärkerer Vernetzung untereinander, um die gemeinsame Arbeit zu verstärken.

Das Ziel des Ratschlags, die Möglichkeit zu bieten, sich aus erster Hand über die Probleme der Jugendlichen, ihre Situation in verschiedenen Bereichen und deren Forderungen und Kämpfe kennen zu lernen, wurde voll und ganz erreicht.

Ein sehr qualifizierter, gelungener Jugendpolitischer Ratschlag der DKP, der auch die Schnittmengen der anwesenden Jugendorganisationen und die Notwendigkeit der besseren Zusammenarbeit verdeutlichte. Der aber vor allem, wie die DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen in ihrem Schlusswort betonte, "ein Auftakt sein soll, weiter zu diskutieren über die aufgeworfenen Fragen, weiter gemeinsam zu kämpfen, Widerstand zu entwickeln, gegen dieses System und für eine lebenswerte Zukunft".

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 5 vom 1. Februar 2013, Seite 3+8
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2013