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REDE/791: Franz Josef Jung - Aussprache zur Regierungserklärung der Kanzlerin, 12.11.09 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Dr. Franz Josef Jung, im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 11. November 2009 in Berlin


Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Chancen für Arbeit schaffen und den Zusammenhalt in Deutschland stärken, das sind die Ziele der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik dieser neuen Bundesregierung. Der soziale Frieden, die Partnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind mit die tragenden Säulen unserer sozialen Marktwirtschaft. Dazu gehört auch die Tarifautonomie. Wir brauchen in Zukunft noch mehr die gesellschaftliche Verantwortung unserer Unternehmen, auch im Interesse der Arbeitsplätze in Deutschland.

Für mehr Arbeit in Deutschland müssen wir Hürden für Beschäftigung abbauen, muss sich der Staat auf die Bereiche beschränken, in denen er Verantwortung übernehmen muss. Wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der nicht Fesseln anlegt, sondern Freiraum für Arbeit schafft. Deshalb werden wir mit dem Abbau von Bürokratie einen Aufbau von Beschäftigung bewirken.

Sozial ist, was Arbeit schafft. Mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslosigkeit, das stärkt zugleich die Grundlage für die soziale Sicherung aller. Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich: 100.000 Arbeitslose weniger bedeuten eine Entlastung von rund zwei Milliarden Euro im Haushalt und in den Sozialkassen. Ein Arbeitsmarkt, der Impulse für mehr Beschäftigung setzt, ist ein Pfeiler der solidarischen Leistungsgesellschaft, in der sich jeder nach seinen Fähigkeiten entfalten können muss.

Gerade in der größten Wirtschaftskrise, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg durchleben, sind Wachstumsimpulse und Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger die richtigen Signale für mehr Beschäftigung. Deshalb leisten das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die Entlastungen von circa 22 Milliarden Euro, die am 1. Januar 2010 in Kraft treten, einen entscheidenden Beitrag zu mehr Arbeit und Beschäftigung.

Wir haben in der letzten Woche am Arbeitsmarkt durchaus positive Zahlen im Vergleich zu den Prognosen von Anfang dieses Jahres zur Kenntnis nehmen können. Die Zahlen machen Mut, aber sie stellen noch keine Trendwende dar.

Die Entscheidung, die die Bundesregierung bei der Kurzarbeit getroffen hat, ist eine richtige Entscheidung gewesen und hat dem Arbeitsmarkt geholfen. Deshalb ist es auch aus meiner Sicht notwendig, dass wir Regelungen zur Kurzarbeit noch in diesem Jahr verlängern, um hier eine Perspektive für Arbeit in Deutschland zu schaffen. Wir wollen für die Unternehmen mit einem Mehr an Möglichkeiten zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen die Voraussetzungen schaffen, flexibel zu reagieren und damit ebenfalls Arbeitsplätze zu generieren.

Ferner wollen wir die neuen elektronischen Möglichkeiten nutzen, um einen Beitrag zur Entbürokratisierung zu leisten und die Betriebe bei den Pflichten aus der Sozialversicherung zu entlasten. Auch im Hinblick auf die Frage der Partnerschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist es ein richtiges Signal, wenn wir beabsichtigen, die Mitarbeiterbeteiligung in den Unternehmen auszuweiten. Auch wollen wir dafür sorgen, dass Lohndumping verhindert wird. Deshalb wollen wir die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidrig niedriger Löhne gesetzlich festschreiben.

In der Krise hat die Bundesagentur für Arbeit durchaus ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Ich möchte deshalb dem Chef der Agentur, Herrn Weise, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich für ihren Beitrag danken, den sie zur Vermittlung in Arbeit in Deutschland geleistet haben.

Wir wollen die Agentur im Interesse der arbeitsuchenden Menschen in Zukunft noch effektiver gestalten. Auch werden wir das durch die Krise entstehende Defizit für 2010 aus Mitteln des Bundes ausgleichen, damit der Beitragssatz in der Perspektive grundsätzlich stabil bleiben kann. Dies ist auch ein wichtiges Momentum, wenn ich über Arbeitsplätze in Deutschland spreche.

Auch bei der Betreuung und Vermittlung von längere Zeit Arbeit Suchenden werden wir nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Handlungsfähigkeit herstellen. Wir wollen die Erfahrungen der Kommunen und der Agentur in getrennter Verantwortung - so schreibt es das Gericht vor - auf der Basis der freiwilligen Zusammenarbeit nutzen und die Optionskommunen entfristen. Diesbezüglich werden wir einen Mustervertrag vorlegen.

Wir werden im Rahmen von Hartz IV, also dem Sozialgesetzbuch II, Regelungen beseitigen, die die Bürgerinnen und Bürger zu Recht als ungerecht empfinden. Wir werden deshalb das erarbeitete Vermögen bis zu 750 Euro pro Lebensjahr vor dem Zugriff verschonen. Bisher waren es 250 Euro. Dies ist auch im Interesse der privaten Altersvorsorge richtig. Deshalb werden wir dies im Interesse der Bürger umsetzen. In diesem Zusammenhang werden wir auch die selbstgenutzte Immobilie umfassend schützen.

Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet.

Deshalb werden wir auch die Hinzuverdienstregelungen entsprechend fortentwickeln, um zusätzliche Anreize für die Arbeitsaufnahme zu schaffen. Dazu gehören auch Komponenten, die im Zusammenhang mit der Weiterbildung bzw. einer Weiterbildungsallianz erforderlich sind. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir die Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse in die Weiterbildung miteinbeziehen, weil dies auch eine Chance für zukünftige Arbeit bedeutet.

Ich will ein Wort auch zu der aktuellen Debatte über die Rentensituation sagen. Ich denke, eines ist eindeutig: Konkrete Aussagen über die Rentensituation ab 1. Juli nächsten Jahres werden erst im März des nächsten Jahres möglich sein, wenn nämlich die konkreten Zahlen vorliegen. Es muss aber auch klar sein: Die Rente ist Alterslohn für Lebensleistung. Sie ist grundsätzlich an die Lohnentwicklung angepasst. Man kann heute aber auch sagen: Auch bei einer negativen Lohnentwicklung werden die Renten nicht sinken. Dies haben wir mit der Rentengarantie so beschlossen. Dies ist, wie ich finde, eine richtige und wichtige Botschaft für die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland. Außerdem weise ich darauf hin, dass in Zukunft der Beitragssatz in der Rentenversicherung stabil bleiben soll. Das ist ebenfalls ein wichtiger Tatbestand, der dazu beiträgt, dass die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen und damit zu einer zusätzlichen Belastung für die Arbeitssituation in Deutschland führen würden.

In dieser Legislaturperiode wollen wir ein einheitliches Rentensystem in Ost und West schaffen. Ich lade alle Fraktionen dazu ein, sich intensiv an der Diskussion und der Entscheidung darüber zu beteiligen; denn es ist eine Herausforderung, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ein einheitliches Rentensystem im Osten und Westen Deutschlands zu schaffen.

Im Hinblick auf mehr Arbeit wollen wir zudem die Anreize zur Frühverrentung beseitigen und die Beteiligung am Erwerbsleben erhöhen. Auch dies gehört zu unserem Programm, wenn es darum geht, in Zukunft mehr Menschen in Arbeit zu bringen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu einem anderen Themenbereich aus meinem Aufgabenfeld sagen. Dabei geht es um das Thema Menschen mit Behinderung. Eines muss klar sein: Menschen mit Behinderung haben unsere menschliche Unter-stützung verdient. Wir wollen die Rahmenbedingungen für diese Menschen positiv gestalten und einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung entwickeln. Hilfe zur Selbsthilfe, das ist auch in diesem Zusammenhang die richtige Politik.

Deutschlands Stärke gründet auf dem Fleiß und der Verantwortungsbereitschaft der Menschen. Sie gründet auf der Leistungsbereitschaft der Unternehmer und der Arbeitnehmer. Sie gründet auf dem sozialen Frieden. Diesem Fleiß und dieser Verantwortungsbereitschaft mehr Raum zum Wachsen zu geben, fördert Arbeit und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Der Mensch ist uns wichtiger als die Sache. In diesem Sinn machen wir eine wertorientierte Politik für die Menschen in Deutschland, für Arbeit und für den sozialen Frieden.


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Quelle:
Bulletin Nr. 113-4 vom 11.11.2009
Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Dr. Franz Josef Jung,
im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
vor dem Deutschen Bundestag am 11. November 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2009