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REDE/900: Bundesinnenminister Friedrich zum Haushaltsgesetz 2012, 22.11.2011 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 22. November 2011 in Berlin:


Sehr verehrter Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte mich zunächst bei den Haushältern und den Berichterstattern für die gute Zusammenarbeit und die Gespräche über das, was in diesem Haushalt notwendig ist, ganz herzlich bedanken. All das mündete dann in den Eckwertebeschluss. Darüber hinaus bedanke ich mich auch bei den Mitarbeitern der Fraktionen, die mit dem Bundesinnenministerium hervorragend zusammengearbeitet haben.

Die Vorgänge und die Diskussionen in den letzten zehn Tagen machen deutlich, dass die innere Sicherheit der Kernbestand und die Kernaufgabe des Staates überhaupt ist. Es ist ein Teil von Lebensqualität, zu wissen, dass man in einem Land sicher ist. Diese Lebensqualität ist sofort eingeschränkt, wenn man das Gefühl haben muss, dass das vielleicht nicht so ist.

Lieber Kollege Danckert, vielleicht ein Wort zu der Liste, die gefunden worden ist. In den Zeitungen ist alles Mögliche darüber geschrieben worden, was es mit dieser Liste auf sich hat. Auf dieser Liste stehen viele Tausend Namen, die wohl aus dem Internet heruntergeladen worden sind. Es gibt außer diesen etwa 10.000 Namen keinerlei Hinweise auf irgendeine akute Bedrohung. Aber allein die Tatsache, dass diese Liste existiert und dass jetzt alle informiert werden müssen, löst eine verständliche Verunsicherung aus.

Wie viel mehr mögen doch diejenigen verunsichert sein, die im Migrantenbereich plötzlich spüren: Nur weil ich anders aussehe und weil man mir ansieht, dass ich einen Migrationshintergrund habe, befinde ich mich vielleicht in einer Gefahr, von der ich bisher gar nicht ausgegangen bin. - Deswegen ist richtig, was hier schon gesagt wurde: Wir müssen im Migrantenbereich klarmachen, dass dieser Staat, dass dieses Land für die Sicherheit aller Menschen, die hier leben, sorgen will und dass wir gemeinsam alles tun werden, um das in der Zukunft sicherzustellen.

Aus diesem Grund habe ich auch angeordnet, dass alle Altfälle aufgearbeitet werden. Sie haben das angesprochen. Sind Vorgänge in der Vergangenheit vielleicht falsch zugeordnet worden? Hat man Dinge, die als einzelne Verbrechen oder Taten einzelner Täter angesehen wurden, vielleicht nicht in einen Zusammenhang gebracht, obwohl ein solcher Zusammenhang besteht und man jetzt vielleicht darauf kommt, weil man andere Informationen hat?

Das alles wird geprüft. Es sind überall viele Mitarbeiter und Ermittler bei der Arbeit.

Ich bin überzeugt, dass das die Länder auch tun. Kollege Schünemann aus Niedersachsen kam schon letzte Woche mit einer Meldung aus dem Jahr 2000 oder 2001. Es ist also ein wirklich alter Aktenbestand, der nun überall aufgearbeitet wird. Ich glaube, die Länder tun in dieser Sache ihre Pflicht. Man muss deshalb kein Misstrauen haben und auch kein Misstrauen säen.

Angesichts der Tatsache, dass die innere Sicherheit einmal mehr ins Zentrum des Geschehens und der Betrachtung tritt, glaube ich, dass es richtig ist, dass der Haushaltsentwurf eine Aufstockung der Mittel im Sicherheitsbereich um 25 Millionen Euro vorsieht. Das kann sich, glaube ich, schon sehen lassen und wird, Kollege Herrmann hat darauf hingewiesen, durch den Haushaltsausschuss noch in vielen Bereichen zusätzlich aufgestockt. Ganz herzlichen Dank dafür!

Wir haben neue Formen der Herausforderungen: neue Formen der Technologie, neue Medien und neue Kommunikationsformen. Das führt auch immer wieder zu Reaktionen, Veränderungen und Modernisierungsbedarf bei den Sicherheitsbehörden. Das Thema Software zur Überwachung von kriminellen Strukturen ist angesprochen worden.

Aber ich frage Sie: Wollen wir wirklich, dass man künftig nicht mehr, wie es in den letzten 50 Jahren im Bereich der organisierten Kriminalität mit Rauschgifthändlern, Waffenhändlern und Menschenhändlern möglich war, auf richterlichen Beschluss die Kommunikation abhören kann, nur weil es jetzt Skype gibt und man mit dem Telefon nicht weiterkommt? Das kann doch nicht sein. Das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung besteht doch weiter.

Insofern bedanke ich mich ganz herzlich, dass es - das war wirklich erstklassig - in ganz kurzer Zeit möglich war, dass wir diese Kompetenzen, die in den modernen Technologien notwendig sind, in einem Kompetenzzentrum selber aufbauen können und dafür die Mittel zunächst für den Personalbereich, aber auch für die sachliche Ausstattung zur Verfügung gestellt worden sind.

Neue Technologien bedeuten neue Chancen, Kollege Bockhahn. Durch das Internet entstehen Produktivitätsfortschritte, aber auch neue Risiken. Das alles baut auf einer unglaublich aufwendigen Technologie auf. Wenn wir diese Technologie und alles, was uns in unserem täglichen Leben Lebensqualität, aber auch Wohlstand bringt - die kritische Infrastruktur, unsere Stromversorgung, die Kommunikation, die Wasserversorgung, die Logistik und das Finanzwesen -, schützen wollen, dann müssen wir die Sicherheitsbehörden, insbesondere das BSI, in die Lage versetzen, all die Möglichkeiten der Abwehr vorzuhalten und mit den technologischen Herausforderungen Schritt zu halten.

Das ist teuer, aber es gibt keine Alternative dazu. Wir müssen in der Lage sein, unsere Bevölkerung, unsere Systeme und unsere Daseinsvorsorge zu schützen. Deswegen ist es richtig, das BSI zu stärken.

Die innere Sicherheit spielt nicht nur in der digitalen Welt eine Rolle, sondern sie ist leider auch in der analogen Welt immer wieder gefährdet. Was unsere Bundespolizisten an den Bahnhöfen und Flughäfen leisten, können Sie alle, die Sie auch ständig im Lande unterwegs sind, selber gut beurteilen. Wir tun alles, um ihnen zu signalisieren: Wir stehen nicht nur an eurer Seite, sondern wir wollen euch auch in eurer persönlichen Lebenssituation - dies ist auch immer mit Einkommensmöglichkeiten und Fortkommen im Beruf verbunden - entgegenkommen. Ich glaube, das war auch dem Haushaltsausschuss in allen Beratungen sehr wichtig.

Ich bin dankbar für die Möglichkeit, 150 Stellen zu heben. Natürlich ist es auf die Masse der 40.000 Polizisten gerechnet nur ein kleiner Betrag. Aber es ist die Möglichkeit, die wir angesichts der bestehenden Stellenobergrenzen ausschöpfen konnten. Der Kollege Herrmann hat es angesprochen.

Unsere Aufgabe und unser Bestreben muss jetzt sein, weitere Stellenhebungsmöglichkeiten zu schaffen und die Obergrenzen für die nächsten Haushalte zu ändern. Ich denke, das sollten wir gemeinsam angehen.

Ich glaube, dass unsere Bundespolizei jede Unterstützung verdient hat; denn sie steht auch jetzt wieder vor neuen Herausforderungen. Eine Paketbombe aus dem Jemen führte sofort zu neuen Bedarfen im Bereich der Luftfrachtsicherheit. Vielen Dank dafür, dass die haushaltsrechtlichen Grundlagen geschaffen wurden, damit wir dort weiter aufbauen können. Wir haben am 15. September mit den Kontrollen von Luftfracht auf dem Flughafen Leipzig begonnen. Wir werden die Kontrollen Stück für Stück aufbauen. Dafür ganz herzlichen Dank. Ich glaube, dies ist ein wichtiger Punkt.

Aber es geht nicht nur um Sicherheit, sondern es geht auch um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, der ein wichtiges Anliegen des Bundesministeriums des Innern ist. Es wurde das Programm "Zusammenhalt durch Teilhabe" angesprochen. Es ist, glaube ich, heute auch deswegen im Fokus, weil es zu unserem Thema passt. Es ist genau zugeschnitten auf die rechtsextremistischen und rechtsradikalen Strukturen, die wir in den neuen Ländern vorfinden.

Ich will auf etwas hinweisen, weil immer wieder von Programmkürzungen die Rede ist. - Frau Kolbe, Sie werden gleich noch reden und behaupten, wir würden alle Programme kürzen, die jetzt notwendig werden. - Deswegen zähle ich die Programme auf, die wir in allen Bereichen des Haushalts haben: "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" im Familienministerium mit 24 Millionen Euro. Dann gibt es ein Sonderprogramm zum Ausstieg aus der Szene und gegen Fremdenfeindlichkeit in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Unser Programm im BMI ist "Zusammenhalt durch Teilhabe". Das Xenos-Programm "Integration und Vielfalt" vom BMAS hat für die Zeit von 2008 bis 2012 ein Fördervolumen in Höhe von 132 Millionen Euro, das Xenos-Sonderprogramm "Ausstieg zum Einstieg", auch vom BMAS, ein Fördervolumen von 9,4 Millionen Euro. Ich glaube, man muss den Haushalt über die ganze Breite aller Ressorts sehen und kann nicht an einer Stelle, wo etwas umgeschichtet worden ist, sagen: Das ist eine Kürzung, und die ist nicht hinnehmbar. Wir versuchen auf ganzer Breite genau das zu erreichen, was Herr Wieland angesprochen hat, nämlich die Gebiete zurückzuerobern, die verloren gegangen sind. Das sind leider ganze Dörfer.

Ich weiß, was das Ganze bedeutet. In meinem Wahlkreis liegt Wunsiedel. Wir haben jahrelang gekämpft. Wenn Sie sich einmal das Lagezentrum der Polizei angesehen hätten, Herr Bockhahn, dann wüssten Sie, wie dort auch mit polizeilichen Mitteln gegen den Ansturm dieser braunen Horden aufgerüstet wird, und dann würden Sie nicht behaupten, die Polizei sei auf dem rechten Auge blind. Dort ist wirklich hervorragend und professionell gearbeitet worden, um diese braunen Angreifer abzuhalten. Da ist nichts unter den Tisch gekehrt worden. Da ist nichts verharmlost worden. Ich will Ihnen nur sagen: Überall, wo diese Bedrohungen stattfinden, ist die Polizei da und geht generalstabsmäßig vor.

Insofern sind wir mit diesem Haushalt hervorragend aufgestellt.


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Quelle:
Bulletin Nr. 123-4 vom 22.11.2011
Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich,
zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 22. November 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2011