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SICHERHEIT/068: Mehr private Wachmänner als Polizisten - Das Geschäft mit der Angst blüht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Juli 2011

Sicherheit: Mehr private Wachmänner als Polizisten - Das Geschäft mit der Angst blüht

Von Thalif Deen


New York, 8. Juli (IPS) - Terroranschläge, Rebellenaktivitäten und Drogenkriege haben der privaten Sicherheitsindustrie volle Auftragsbücher beschert und die Rolle eines bedeutenden Arbeitgebers zugewiesen. So beschäftigt die Branche bereits doppelt so viele Menschen wie die Polizei. Das Mehr an privaten Wachleuten bedeutet auch ein Mehr an Waffen, die sich wiederum als kontraproduktiv für die Sicherheit erweisen können.

Rund 20 Millionen Mitarbeiter beschäftigt die private Sicherheitsbranche weltweit. Ihr Arbeitsfeld ist weit gefasst. Sie werden zum Schutz von Personen, militärischen Einrichtungen und Kontrollpunkten abgestellt oder als Polizeiausbilder und Militärberater angeheuert. Auch die Bereitstellung und Wartung von Waffen und Munition fällt in ihren Aufgabenbereich. Zudem führen sie Verhöre durch, beschaffen geheimdienstliche Informationen und nehmen an Kampfeinsätzen teil.

Durch den Einsatz der privaten Sicherheitskräfte sind weltweit mehr Waffen in Umlauf gekommen. Das gilt vor allem - lässt man die Krisen- und Konfliktländer in Afrika und Asien außer Acht - für Lateinamerika, wo auf jeden Beschäftigten zehnmal mehr Waffen kommen als etwa in Westeuropa.

"Die Schlüsselfrage, auf die wir keine Antwort haben, lautet doch, ob alle diese Vorkehrungen der Sicherheit dienen oder sie verhindern", meinte Keith Krause vom Kleinwaffenkontrollprogramm des Genfer Graduierteninstituts für Internationale Studien und Entwicklung (HEID) bei der Vorstellung des diesjährigen 'Small Arms Survey'.

Doch trotz des rapiden Wachstums der privaten Sicherheitsindustrie befinden sich die meisten Waffen nach wie vor in den Arsenalen der regulären Sicherheitskräfte, wie die diesjährige Studie bestätigt. So hat die Auswertung von Informationen aus 70 Ländern ergeben, dass die privaten Sicherheitskräfte vier Millionen, die staatlichen hingegen 200 Millionen Feuerwaffen besitzen.


Kontrollmechanismen hinken Sicherheitsboom hinterher

Die 'Small Arms Survey' kritisiert, dass die Kontroll- und Haftungsmechanismen mit dem Wachstum der privaten Sicherheitsindustrie nicht Schritt halten konnten. So werden den Einsatzkräften immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, mit denen derzeit eine UN-Arbeitsgruppe befasst ist.

Auch haben mehr als 150 Experten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen den Entwurf einer internationalen Konvention über die Regulierung, Überwachung und Begrenzung privater Militär- und Sicherheitskräfte (PMSC) diskutiert.

Zu den PMSCs, die in etlichen Krisenherden im Einsatz sind, gehören die Firmen ArmorGroup International, Dyncorp International, EOD Technology Inc., KBR, Kulak Construction Co., Prime Projects International, PWC Logistics, Global Risks Solutions, Mitchell Jessen and Associates, die Shaw Group und Sallyport Global Services. Einigen dieser Firmen wird vorgeworfen, den US-Geheimdienst CIA und Polizisten in mindestens einem lateinamerikanischen Land in Foltertechniken unterwiesen zu haben.

Wie Nicolas Florquin, einer der Autoren des Kapitels, das sich im Small Arms Survey mit privaten Sicherheitsunternehmen befasst, schreibt, gibt es eine Reihe von Initiativen, die dazu beitragen könnten, die Regulierung der privaten Sicherheitsunternehmen zu verbessern. Dazu zählt eine vom UN-Menschenrechtsrat ins Leben gerufene zwischenstaatliche Arbeitsgruppe und der bereits genannte Konventionsentwurf.

Bisher sei nicht klar, wie viele Länder eine solche internationale Übereinkunft unterstützen würden, zumal sich diese einem äußerst kontrovers diskutierten Thema widme, sagte Florqin und verwies auf das Schicksal der UN-Söldnerkonvention aus dem Jahre 1989. Sie wurde bisher nur von 32 Vertragsparteien - in der Mehrheit von Mitgliedern der Blockfreien-Bewegung - unterzeichnet und ratifiziert.


Benimmregeln für private Sicherheitskräfte

Der Experte verwies ferner auf das 2006 erarbeitete Papier von Montreux hin, das 70 Benimmregeln für PMSCs beinhaltet und Staaten und Sicherheitsunternehmen gleichermaßen in die Verantwortung nimmt. Diese sollen dafür sorgen, dass Übergriffe privater Sicherheitskräfte rechtlich geahndet und die Opfer entschädigt werden.

Dieser Prozess wird von 36 Staaten unterstützt. Darunter fallen sowohl Länder wie die USA und Großbritannien, die private Sicherheitsfirmen in Anspruch nehmen, als auch Irak, Afghanistan und andere Staaten, in denen die Privattruppen zum Einsatz kommen. Das Dokument von Montreux ist zwar nicht bindend, doch die zusammengefassten Standards sind anderen rechtlich verbindlichen Dokumenten entnommen.

Der Montreux-Prozess hatte eine positive Nebenwirkung: den internationalen Verhaltenskodex für PMSCs. Rund 150 PMSCs haben das Dokument unterzeichnet. Über die einzelnen Kontrollmechanismen konnte bisher keine Einigung erzielt werden. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.smallarmssurvey.org/about-us/highlights/highlight-small-arms-survey-2011-states-of-security.html
http://ipsnews.net/text/news.asp?idnews=51768
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56387

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. Juli 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2011