Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 27.02.2019
Wichtigster deutscher Nachwuchspreis geht an drei Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftler
• DFG und BMBF vergeben Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2019
• Verleihung am 28. Mai in Berlin
Drei Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit die wichtigste Auszeichnung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Das hat ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzter Auswahlausschuss in Bonn beschlossen. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten die mit je 20 000 Euro dotierte Auszeichnung am 28. Mai in Berlin.
Seit 1977 wird der Heinz Maier-Leibnitz-Preis jährlich an hervorragende Forscherinnen und Forscher verliehen, die sich in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befinden und noch keine unbefristete Professur innehaben. Der Preis dient als Anerkennung und zugleich als Ansporn, ihre wissenschaftliche Laufbahn eigenständig und gradlinig fortzusetzen. Benannt ist er seit 1980 nach dem Atomphysiker und früheren DFG-Präsidenten Heinz Maier-Leibnitz, in dessen Amtszeit (1973-1979) er erstmals vergeben wurde. Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis gilt als der wichtigste Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland.
Für die diesjährige Preisrunde waren insgesamt 129 Forscherinnen und Forscher aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden. Die Auswahl traf der zuständige Ausschuss unter dem Vorsitz der DFG-Vizepräsidentin und Mathematikerin Prof. Dr. Marlis Hochbruck.
Stefan Cihan Aykut (38), Soziologie, Universität Hamburg
Stefan Cihan Aykuts Forschungsschwerpunkt liegt auf der
sozialwissenschaftlichen Erforschung von Klimadiskurs und Klimapolitik.
Besondere Bedeutung für seine Arbeiten hat der Vergleich zwischen
Deutschland und Frankreich. In beiden Ländern hat Aykut studiert und
geforscht, und so publiziert er nicht nur auf Deutsch und Englisch,
sondern auch auf Französisch. Im weiteren Verlauf hat er nationale
Diskurse und Politiken in den europäischen und globalen Kontext gestellt,
was in seine Dissertation "How to Govern a Global Risk? The Construction
of Climate Change as a Public Problem at the Global and European Levels,
in France and Germany" (im Original französisch) mündete. Aykuts Forschung
zeichnet sich durch eine neuartige Verknüpfung von Forschungsansätzen und
Methoden der Politikwissenschaft, Soziologie und der Science and
Technology Studies aus. Er verbindet empirische Beobachtungsformen mit
hermeneutischen oder diskursanalytischen Untersuchungen in historischer
Tiefenschärfe. Aykuts Analysen wirken auch in den politischen und
gesellschaftlichen Kontext hinein.
Karl Bringmann (32), Theoretische Informatik, Max-Planck-Institut für
Informatik, Saarbrücken
Karl Bringmann schrieb je eine Masterarbeit in Informatik und Mathematik
und veröffentlichte bereits zu Studienzeiten neun Konferenzpublikationen.
Seine Arbeiten auf den Gebieten der Algorithmik und Komplexitätstheorie
stellte er während der Promotions- und Postdoktorandenzeit auf zahlreichen
führenden internationalen Tagungen für theoretische Informatik vor, wo er
auch mehrfach auf Einladung in den Programmkomitees mitwirkte. Bringmann
hat äußerst wichtige Beiträge zu seinen beiden Forschungsgebieten
geliefert und dabei auch Fragestellungen in vielen weit
auseinanderliegenden Teilbereichen behandelt. Zu seinen wichtigsten
Erkenntnissen zählt die Berechnung neuer fundamentaler "unterer Schranken"
für wichtige Probleme wie beispielsweise der Fréchet-Distanz von Kurven.
Fabian Dielmann (38), Anorganische Molekülchemie, Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
Nach Stationen in Regensburg und in Kalifornien leitet Fabian Dielmann
seit 2013 eine DFG-geförderte Emmy Noether-Nachwuchsgruppe an der
Universität Münster. Dort befasst er sich mit Fragestellungen der
Molekülchemie und Katalyse, speziell der Entwicklung von Methoden zur
Aktivierung besonders reaktionsträger kleiner Moleküle wie
Kohlenstoffdioxid und Schwefelhexafluorid (SF6). Diese Moleküle sind von
fundamentaler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung, da sie
Ausgangsmaterialien für großtechnische Verfahren sind, aber auch als
Umweltschadstoffe anfallen, insbesondere Kohlenstoff-, Schwefel- und
Stickstoffdioxid. Dielmann gelingt es dabei, nicht nur die Lücke zwischen
akademischer Forschung und Anwendung, sondern auch für seine Disziplinen
gängige Paradigmen und Denkmodelle zu überwinden - wie bei der Aktivierung
von SF6 mit den von Dielmann entwickelten nukleophilen Phosphanen. Seine
in international einschlägigen Journalen publizierten Forschungsarbeiten
finden weltweit Beachtung.
Jonathan F. Donges (35), Statistische Physik und Klimaforschung,
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
Durch die Einführung neuartiger Methoden aus der statistischen Physik in
die Klima- und Erdsystemforschung hat Jonathan F. Donges diese
entscheidend vorangebracht. Er hat zudem in der Analyse wiederkehrender
Ereignisse Pionierarbeit geleistet und sie als Analysemethode für
Klima-Daten etabliert, bevor Big-Data-Methoden gängige Praxis wurden. In
jüngster Zeit hat er weitere netzwerkbasierte Herangehensweisen und
Methoden aus der Komplexitätstheorie für die Klimaforschung eingesetzt.
Von dem Artikel über "Trajectories of the Earth System in the
Anthropocene", zu dem er als Co-Autor beigetragen hat, wird erwartet, dass
er die Diskussion in der Klimaforschung für die nächsten Jahre
beeinflusst. Darin identifizieren die Autoren in den Übergängen zwischen
eher gleichmäßigen und eher wechselhaften Klimazuständen einen Auslöser
der menschlichen Entwicklung in Afrika und tragen zum Nachweis einer
Wechselbeziehung zwischen Klima- und Menschheitsentwicklung bei. Donges
studierte und promovierte in Bonn, San Diego, Potsdam und Berlin, seit
2013 ist er unter anderem einer von zwei Leitern eines Flaggschiffprojekts
(COPAN) am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Knut Drescher (35), Mikrobiologie und Biophysik, Max-Planck-Institut für
terrestrische Mikrobiologie, Marburg
Knut Drescher, der an der Grenze von Physik, Biochemie,
Materialwissenschaften und Biotechnologie arbeitet, hat wichtige Beiträge
zur Erforschung der zellulären Abläufe während der Entstehung von
bakteriellen Biofilmen geleistet. Seine Erkenntnisse helfen bei der
Entwicklung von Maßnahmen, um in das Wachstum und die Verbreitung dieser
multizellulären Kollektive einzugreifen. Dadurch rückt das Ziel in größere
Nähe, das Sterblichkeitsrisiko von Infektionen zu reduzieren, die durch
bestimmte Pathogene ausgelöst werden. Auch liefern Dreschers Arbeiten
bedeutende Hinweise zu einem verbesserten Verständnis davon, wie innerhalb
von zellulären Kollektiven selbstorganisiert Interaktionsmuster entstehen,
die sich von individuellen Verhaltensweisen unterscheiden. Nach Stationen
in Oxford, Cambridge und Princeton wurde Drescher 2014 Leiter einer
Max-Planck-Forschungsgruppe, seit 2015 ist er zudem Professor für Biophysik
an der Philipps-Universität Marburg. 2016 warb Drescher einen ERC Starting
Grant ein und wurde Teilprojektleiter eines DFG-geförderten
Sonderforschungsbereichs.
Stefanie Gänger (36), Neuere und Neueste Geschichte, Universität
zu Köln
Seit 2013 ist Stefanie Gänger Juniorprofessorin für iberische und
lateinamerikanische Geschichte an der Universität zu Köln. Zuvor studierte
und forschte sie in Augsburg und Sevilla, Cambridge und Berlin sowie in
Konstanz an der Leibniz-Preis-Forschungsstelle "Globale Prozesse" von
Jürgen Osterhammel. Gänger, deren Schwerpunkte in der Wissens- und
Medizingeschichte vom 18. bis in das frühe 20. Jahrhundert liegen, hat mit
ihrer konsequenten Einbindung Lateinamerikas in global-historische
Zusammenhänge Neuland betreten. Ihre erste Monografie behandelt das
Sammeln und die Generierung von Wissen von und über vorspanische Objekte
sowie die Entstehung der Archäologie in Peru und Chile. Das zweite Buch
befasst sich mit der Geschichte der weltweiten Nutzung und dem globalen
Handel mit Medizinalpflanzen aus Südamerika. Auch hier verfolgt Gänger,
die eng mit Forscherinnen und Forschern aus dem internationalen Feld der
Wissens- und Globalgeschichte vernetzt ist, einen genuin
globalhistorischen Ansatz. Allein die Verwendung von Quellen aus vielen
Teilen der Welt in unterschiedlichen Sprachen ist bemerkenswert.
Nicolas Perkowski (34), Wahrscheinlichkeitstheorie,
Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Leipzig, und
Humboldt-Universität zu Berlin
Perkowski ist seit 2015 Juniorprofessor für Stochastische Analysis an der
Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet seit 2018, gefördert durch das
Heisenberg-Programm der DFG, am Max-Planck-Institut für Mathematik in den
Naturwissenschaften in Leipzig. In seiner Forschungsarbeit befasst er sich
mit singulären stochastischen partiellen Differentialgleichungen (SPDE),
Fragen der angewandten stochastischen Analysis sowie robusten Verfahren
auf dem Gebiet der Finanzmathematik. Gemeinsam mit Co-Autoren entwickelte
er unter anderem einen viel beachteten alternativen Zugang zur Lösung
singulärer SPDE wie der Kardar-Parisi-Zhang-Gleichung und konnte auch
erstmalig die Eindeutigkeit von Energielösungen für diese beweisen.
Perkowski ist seit 2016 Teilprojektleiter in einer DFG-Forschungsgruppe
und beteiligt sich seitdem auch an einem DFG-geförderten Internationalen
Graduiertenkolleg.
Uta Reinöhl (32), Allgemeine Sprachwissenschaft, Johannes
Gutenberg-Universität Mainz
Uta Reinöhl forscht auf dem Gebiet der Historischen Sprachwissenschaft,
wobei sie sich mit der Entwicklung einzelner Sprachen befasst. Zugleich
betreibt sie Grammatikalisierungsforschung, eine Fachrichtung, die
Vertrautheit mit vielen verschiedenen Sprachen, aktueller Theoriebildung
sowie die Fähigkeit zur Generalisierung verlangt. Reinöhl führt damit zwei
weitgehend nebeneinander existierende Wissenschaftstraditionen zusammen.
Ihr Schwerpunkt liegt auf syntaktischen, also die Struktur des Satzes
betreffenden Fragen. In ihrer Dissertation warf sie neues Licht auf eine
der wichtigsten Entwicklungen im Bereich der Satzstruktur der
indogermanischen Sprachen, nämlich die Herauskristallisierung von
hierarchischen Strukturen im Bereich der Nominalphrase. Außergewöhnlich
ist auch, wie Reinöhl Daten aus sehr unterschiedlichen Bereichen
verbindet: So eröffnete sie neue Einsichten durch einen detaillierten
Vergleich des vedischen Sanskrits und verschiedener australischer
Sprachen. Reinöhl ist seit 2019 Leiterin einer DFG-geförderten Emmy
Noether-Nachwuchsgruppe an der Universität Mainz. Bereits seit 2017 ist
sie an der Universität zu Köln Teilprojektleiterin in einem
Sonderforschungsbereich sowie Mitantragstellerin eines DFG-Projekts zur
Entwicklung einer Forschungsumgebung für altindische Texte.
Thimoteus Speer (37), Nephrologie, Universität des Saarlandes
Fettstoffwechselstörungen gehören zu den wichtigsten Risikofaktoren für
arteriosklerotische Gefäßveränderungen, die zu Schlaganfällen oder
Herzinfarkten führen können. Allerdings sind nicht alle Blutfette
schädlich. Thimoteus Speer konnte zeigen, dass nur bestimmte modifizierte
Fette eine arterienschädigende Wirkung bei Nierenkranken haben.
Entscheidend ist, dass er diese Erkenntnisse mit neu entdeckten Prozessen
der chronischen Entzündungen verknüpfen und einige mechanistische Details
dieser fatalen Interaktion aufklären konnte. So gelang ihm ein wichtiger
Brückenschlag zwischen diesen beiden häufig auftretenden
Schädigungsprozessen. Speers Erkenntnisse ermöglichen die Etablierung
einer diagnostischen Präzisionsmedizin und mittelfristig auch die
Entwicklung neuer therapeutischer Strategien. Die Arbeit Speers besticht
somit durch ihren starken translationalen Forschungsansatz. Auf der Basis
einer Doppelpromotion in Humanmedizin und Biologie gelingt es ihm,
herausragende Grundlagenforschung und translationale Forschung zu
verbinden. Dies spiegeln auch seine Positionen als Oberarzt, Laborleiter
der experimentellen und translationalen Nephrologie sowie als
Teilprojektleiter eines DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs wider.
Nina Henriette Uhlenhaut (41), Experimentelle Endokrinologie,
Helmholtz Zentrum München
Gegenstand der Endokrinologie sind Erkrankungen von hormonproduzierenden
Drüsen, wie zum Beispiel der Schilddrüse, oder Erkrankungen, die durch
Überschüsse, Mängel oder andere Ungleichgewichte von Hormonen ausgelöst
werden. Nina Henriette Uhlenhaut untersucht die Signalübermittlung
sogenannter Glukokortikoid-Hormone auf molekularer Ebene sowie ihre
physiologischen Folgen für das Immunsystem und den Stoffwechsel.
Uhlenhauts Arbeiten haben entscheidend dazu beigetragen nachzuweisen, dass
diese Hormone sowohl stimulierende wie auch hemmende Effekte vermitteln
können, und diesen Mechanismus aufzuklären. Uhlenhaut ist seit 2018
Professorin für Stoffwechsel-Biochemie und -Genetik am Genzentrum der
Ludwig-Maximilians-Universität sowie Nachwuchsgruppenleiterin am Helmholtz
Zentrum München. Seit 2017 ist sie Teilprojektleiterin in einem
DFG-geförderten Transregio und in einem Sonderforschungsbereich. 2014
erhielt sie einen ERC Starting Grant und leitete 2013-2018 eine
DFG-geförderte Emmy Noether-Nachwuchsgruppe.
Die Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2019 findet am 28. Mai um 16 Uhr in der Hörsaalruine des ehemaligen Rudolf Virchow-Hörsaals, Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, statt.
Ausführliche Informationen zum Preis und den bisherigen Preisträgerinnen
und Preisträgern unter:
www.dfg.de/maier-leibnitz-preis
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), 27.02.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2019
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