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INTERNATIONAL/014: Nobelpreisträger Yunus sieht alternative Kreditmodelle gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2011

Entwicklung: Nobelpreisträger Yunus sieht alternative Kreditmodelle gefährdet

Von Kanya D'Almeida und Lily Hough


Washington, 16. August (IPS) - "Kauf jetzt, bezahle später": Mit dem Kreditmodell der Grameen-Bank hat Muhammad Yunus den Ärmsten auf der Welt neue Überlebenschancen gegeben. Doch dann geriet er in seiner Heimat Bangladesch in die Kritik. Experten warnen davor, dass neue Formen der Finanzierung inzwischen zunehmend auf Widerstände stoßen.

Begonnen hatte der Ökonom mit kleinen Darlehen an bangladeschische Dorfbewohner. Inzwischen hat die 'Grameen Bank', die zur internationalen Vorreiterin bei der Vergabe von Mikrokrediten wurde, umgerechnet mehr als 8,2 Milliarden US-Dollar an fast acht Millionen Menschen weltweit verliehen. 97 Prozent der Kreditnehmer sind Frauen.

Für seinen Einsatz erhielt Yunus 2006 den Friedensnobelpreis. "Wie ist das passiert? Die zivile Gesellschaft hat die Initiative ergriffen", erklärte er Ende der ersten Augustwoche vor Vertretern internationaler Hilfsorganisationen, die in Washington zum 'InterAction Forum 2011' zusammengekommen waren.

"Die Leute erkannten, dass es für sie keine Beschränkungen mehr gab", sagte Yunus. Viele hätten auf einmal gemerkt, dass sie selbst die Verantwortung über ihr Leben übernehmen könnten. Als die 'Grameen Bank' in den achtziger Jahren mit der Vergabe von Darlehen begann, gab es laut Yunus den nötigen Freiraum. Dieser schwinde inzwischen aber immer mehr, meinten er und andere Teilnehmer des Forums.


Yunus von Regierung in Bangladesch unter Druck gesetzt

Wie schnell sich das Blatt wenden kann, spürte der 'Banker der Armen' am eigenen Leib. Er verlor seine Arbeit, nachdem ihn die Regierung von Bangladesch beschuldigt hatte, "den Armen das Blut auszusaugen". In diesem Frühjahr sah er sich daher gezwungen, seinen Posten als Direktor der Grameen-Bank zu räumen.

Andere Redner auf dem Forum sahen den Fall Yunus als Zeichen dafür, dass die zivile Gesellschaft vor der Herausforderung steht, sich neue Freiräume zu schaffen. "Wir stellen fest, dass finanzieller Unterstützung aus dem Ausland immer mehr Restriktionen auferlegt werden", sagte Doug Rutzen, der Vorsitzende des 'International Center for Not-Profit Law'. Eine Art philanthropischer Protektionismus sei auf dem Vormarsch.

Die Schlagzeilen in der Presse scheinen diese Einschätzungen zu bestätigen. So berichteten Zeitungen darüber, dass sich die US-Botschaft in der ägyptischen Hauptstadt Kairo entschieden für Finanzhilfen der USA an die Regierung aussprach, nachdem Staatsanwälte die auswärtigen Geldquellen unabhängiger Organisationen untersucht hatten.

Dabei kam ein Gesetz aus der Amtszeit des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak zur Anwendung, das nur registrierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gestattete, aus dem Ausland Gelder zu beziehen. Politischen Beobachtern zufolge hatte Mubarak allerdings die Arbeit der Organisationen gezielt eingeschränkt, in dem er nur wenigen einen rechtlichen Status gab.

Berichtet wurde außerdem, dass die US-Entwicklungsbehörde USAID ihre humanitäre Hilfe für den Gazastreifen stoppen wollte. Zuvor sei der palästinensischen Hamas vorgeworfen worden, die Arbeit internationaler NGOs zu stören. Washington hat unterdessen die Sanktionen gegen Syrien verschärft, nachdem Präsident Bashar Assad die Armee mit brutaler Gewalt gegen Oppositionelle vorgehen ließ.

"Die Herausforderungen sind existentieller Natur. Es geht nicht allein darum, ob Aktivisten getötet werden", sagte Ingrid Srinath, die Generalsekretärin der Organisation CIVICUS. "Der Sozialvertrag muss neu ausgehandelt werden. Bis jetzt ist dies nur im Verborgenen geschehen."


Globale Finanzkrise gefährdet internationale Entwicklungshilfe

Die globale Finanzkrise hat nach Einschätzung von Srinath neue Akteure ins Spiel gebracht. Geber würden sich mit ihrer Hilfe mittlerweile eher auf die eigenen Länder konzentrieren. In den USA beispielsweise stellen die Abgeordneten des Kongresses unter Druck der Finanzkrise die gesamte auswärtige Entwicklungshilfe auf den Prüfstand. Srinath zufolge haben die NGOs das Ausmaß der Gefährdung ihrer Arbeit noch nicht begriffen. Im günstigsten Fall stehe eine Lähmung bevor, im schlimmeren Fall Anarchie.

Es genüge nicht, wenn eine Organisation einem Land zur Hilfe komme und ihre eigenen Projekte gut durchführe, sagte die Vizepräsidentin von InterAction, Lindsay Coates. Es sei viel wichtiger, mit anderen zusammenzuarbeiten und umfassende Lösungen zu finden.

Ken Wollack, der Präsident des 'National Democratic Institute', plädierte ebenfalls für eine stärkere Interaktion der zivilen Gesellschaft. Dabei könnten nicht nur Regierungen und ihre Behörden behilflich sein, sondern auch Parlamente, Parteien und einzelne Politiker. (Ende/IPS/ck/2011)


Link:
http://www.grameen-info.org/
http://www.interaction.org/event/2011-interaction-forum
http://www.civicus.org/
http://www.icnl.org/
http://www.ndi.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56844

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IPS-Tagesdienst vom 16. August 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2011