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INTERNATIONAL/024: Offenes und faires Verfahren bei Auswahl des nächsten Weltbankchefs gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Februar 2012

Finanzen: Offenes und faires Verfahren bei Auswahl des nächsten Weltbankchefs gefordert

von Jim Lobe


Washington, 16. Februar (IPS) - Eine internationale Koalition aus Entwicklungsaktivisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hat die Weltbank-Gouverneure aufgerufen, bei der Suche nach einem Nachfolger von Weltbankpräsident Robert Zoellick für ein offenes und faires Auswahlverfahren zu sorgen. So müsse die Eignung des Kandidaten und nicht dessen Nationalität Vorrang haben und den Gläubigerländern ein größeres Mitspracherecht einräumt werden.

In einem offenen Brief kurz nach Bekanntwerden, dass Zoellick zum Abschluss seiner fünfjährigen Amtszeit im Juni kein weiteres Mal zur Verfügung stehen wird, forderten NGOs und Aktivisten aus aller Welt, nur eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu küren, der die Mehrheit sowohl der Weltbankmitgliedsländer als auch der Staaten niedriger und mittlerer Einkommen hinter sich bringt.

"Da die Bank nur in den Entwicklungsländern operiert und somit die Länder mit niedrigen Einkommen prägt, würde einem Kandidaten, dem die Unterstützung dieser Staaten fehlt, die Legitimität fehlen", heißt es in dem Schreiben einflussreicher Organisationen wie 'Oxfam International', 'Civicus', und dem Afrikanischen Forum und Netzwerk für Schulden und Entwicklung (Afrodad).


Traditionsmonopol in der Kritik

Der Auswahlprozess müsse ein öffentliches Bewerbungsfahren beinhalten und lang genug dauern, damit die entsprechenden Beratungen und Bewerbungsgespräche in aller Öffentlichkeit geführt werden könnten. Auch der Wahlprozess an sich müsse transparent vollzogen werden. Bisher werden die Spitzenpositionen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) traditionell mit einem US-Amerikaner beziehungsweise einem Europäer besetzt.

Trotz des Widerstands von NGOs und einigen Entwicklungsländern wurde das seit der Gründung beider internationaler Finanzorganisationen in Bretton Woods übliche und ungeschriebene Gesetz auch im letzten Jahr eingehalten. Damals löste die französische Finanzministerin Christine Lagarde ihren Landsmann Dominique Strauss-Kahn als IWF-Direktor ab.

US-Finanzminister Timothy Geithner zufolge werden die USA im Fall der Weltbank auf ihrem Traditionsrecht bestehen. Washington werde einen Kandidaten stellen, erklärte er. Doch der US-Monopolanspruch stößt auf Kritik. "Es handelt sich um eine Welt- und nicht um eine US-Bank", meinte der Afrodad-Geschäftsführer Collins Magalasi. "Den Job sollte nur der Beste bekommen, der zudem die Mehrheit der Weltbank-Mitgliedsländer hinter sich hat."

Der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer seit den 1990er Jahren hatte die Bedeutung der Finanzorganisation für die Länder des Südens geschmälert. Unter Zoellick und vor allem unter dem Eindruck der internationalen Finanzkrise erfuhr die Weltbank ein Comeback. So wurden die Kredite der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), wie die Weltbank offiziell heißt, und ihres 'weichen' Finanzierungsarms IDA von 24,7 Milliarden US-Dollar 2008 auf 47 Milliarden Dollar 2009 nahezu verdoppelt. 2010 stellten Weltbank und IDA sogar 58,7 Milliarden Dollar und im letzten Jahr 43 Milliarden Dollar bereit.

Während die IDA die armen Länder mit Darlehen versorgt, konzentriert sich die IBRD auf Länder mit mittleren Einkommen. Darüber hinaus ist der Weltbankchef Vorsitzender der Internationalen Finanzkorporation (IFC), die im letzten Jahr zwölf Milliarden Dollar für neue Projekte aufbrachte, und der Multilateralen Agentur für Investitionsgarantien (MIGA), die ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern absichert.

Zoellick war 2007 vom damaligen US-Präsident George W. Bush nominiert worden. Er ersetzte den ehemaligen US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, der sich wegen des Vorwurfs des Interessenkonflikts zum Rücktritt gezwungen sah.


Lob für Zoellick

Der moderate Republikaner Zoellick hat für seine Führungsfähigkeiten, seine hohe Arbeitsmoral und Leistungen viel Lob erhalten. Konkret sorgte er für die erste Kapitalerhöhung der Weltbank seit 1988. Sie war Teil eines Maßnahmenpakets, das den Schwellen- und Entwicklungsländern einen größeren Stimmenanteil verschaffte.

Zoellick wird ebenfalls dafür gerühmt, das IDA-Kreditvolumen auf ein Rekordniveau von 90 Milliarden Dollar gebracht, die Anti-Korruptionsbemühungen intensiviert, den Anteil von Frauen und Personal aus Entwicklungsländern in leitenden Positionen erhöht und die Operationen der Finanzorganisation transparenter gemacht zu haben. Darüber hinaus förderte er verstärkte Klimamaßnahmen, die landwirtschaftliche Forschung und Ernährungssicherheit. Im letzten Monat führte er zudem das sogenannte Ergebnisprogramm ein, das staatliche Operationen unterstützt und bei Erfolg finanziell belohnt.

Doch Zoellick wurde auch Zielscheibe von Kritik. So warfen ihm NGOs vor, vor allem die Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten und weniger der armen gesellschaftlichen Sektoren im Auge behalten zu haben. Sie monierten zudem, dass die üblichen ökologischen und sozialen Schutzbestimmungen bei Ergebnisprogrammprojekten unter den Tisch fallen. Diese Schutzbestimmungen jedoch ermöglichen den Opfern weltbankfinanzierter Projekte, sich an einen bankeigenen Ermittlungsausschuss um Hilfe zu wenden, wie Nancy Alexander vom Washington-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung zu bedenken gab.

Als Nachfolger Zoellicks sind bereits mehrere US-Politiker im Gespräch, darunter Außenministerin Hillary Clinton, Ex-Präsident Bill Clinton, der ehemalige Finanzminister Lawrence Summers, Minister Geithner und seine Staatssekretärin Lael Brainard. Hillary Clinton teilte mit, für den Posten nicht bereitzustehen, und eine Kandidatur von Summers, der Anfang der 1990er Jahre Chefökonom der Weltbank gewesen war, gilt als ebenso unwahrscheinlich. Summers steht im Ruf, überheblich und barsch zu sein.


Haltung Obamas unklar

Unklar ist bisher, inwieweit US-Präsident Barack Obama an der Durchsetzung eines US-Kandidaten gelegen ist. Er hatte auf dem G20-Gipfel der Industrie- und Schwellenländer vor zwei Jahren in Toronto ein Kommuniqué unterzeichnet, in dem ein offener, transparenter und auf Eignung des Kandidaten abzielender IWF-Auswahlprozess gefordert wurde.

Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass der US-Präsident das Monopol auf den höchsten Weltbankposten ausgerechnet in Wahlkampfzeiten aufgeben wird. Die Republikaner könnten Obama vorwerfen, die nationalen Interessen Washingtons nicht angemessen zu vertreten. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.brettonwoodsproject.org/art-569496
http://www.worldbank.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106773

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2012