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INTERNATIONAL/039: Auslandsüberweisungen trotz Krise im Westen gestiegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. November 2012

Entwicklung: Auslandsüberweisungen trotz Krise im Westen gestiegen

von Jim Lobe


Migranten warten in El Naranjo in Guatemala auf den 'Kojoten', der sie nach Mexiko schmuggeln soll - Bild: © Wilfredo Díaz/IPS

Migranten warten in El Naranjo in Guatemala auf den 'Kojoten', der sie nach Mexiko schmuggeln soll
Bild: © Wilfredo Díaz/IPS

Washington, 21. November (IPS) - Trotz der Rezession in Europa und der schleppenden Erholung der US-amerikanischen Wirtschaft sind im letzten Jahr die Auslandsüberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer angestiegen. Dies geht aus einer neuen Untersuchung der Weltbank hervor, der zufolge sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

Die hohen Ölpreise in den Energie exportierenden Ländern, vor allem in den Golfstaaten und in Russland, waren ein Grund für den bemerkenswerten Anstieg der Auslandsüberweisungen in die Entwicklungsländer. Insgesamt erreichte der Geldtransfer der Migranten nach offiziellen Angaben 2011 einen Rekordwert von 381 Milliarden US-Dollar. Für das laufende Jahr werden 406 Milliarden Dollar erwartet.

Da in diesen Statistiken lediglich diejenigen Zuwendungen berücksichtigt werden, die über formelle und offizielle Kanäle fließen, dürfte das Gesamtvolumen der Auslandsüberweisungen deutlich höher ausfallen. Einige Experten schätzen, dass die inoffiziellen Überweisungen ebenso hoch sind wie die offiziellen.

Bis 2015 könnten die offiziellen Auslandsüberweisungen auf 534 Milliarden Dollar ansteigen, betont die Weltbank in ihrem zwölfseitigen Papier. Somit würde die im letzten Jahr von den reichen Ländern geleistete öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) um das Vierfache überstiegen.


Krisenresistente Hilfe

Dem Report zufolge haben sich die Auslandsüberweisungen trotz der Finanzkrise von 2008 als bemerkenswert stabil erwiesen. Lediglich 2009 kam es zu einem leichten Einbruch. "Obwohl Arbeitsmigranten in einem hohen Maß das verlangsamte Wachstum der Weltwirtschaft zu spüren bekommen, haben sich die Auslandsüberweisungen als resistent herausgestellt. Sie sind nicht nur für die armen Familien ein wichtiges Zusatzeinkommen, sondern stellen für die Empfängerländer eine verlässliche Quelle ausländischer Devisen dar", sagt der Weltbank-Entwicklungsökonom Hans Timmer.

"Dass die Auslandsüberweisungen im Vergleich zu anderen Finanzflüssen wie der ODA der wirtschaftlichen Rezession weitgehend trotzen konnten, hat Regierungen und Experten gleichermaßen überrascht", meint Jeanne Batalova vom 'Migration Policy Institute' (MPI) in Washington.

Den größten Anstieg der Auslandsüberweisungen in den letzten Jahren verzeichnen die Regionen Südasien, Nahost und Nordafrika, was weitgehend auf die Wirtschaftsdynamik in den Ländern des Golfkooperationsrats (GCC) zurückzuführen ist. Indien darf aller Voraussicht nach im laufenden Jahr mit 70 Milliarden Dollar und somit den höchsten Auslandsüberweisungen rechnen.

Ägypten (18 Milliarden Dollar) erlebt seit 2010 einen Rückgang der Auslandsüberweisungen und wird deshalb wohl in diesem Jahr der Weltbank zufolge nur den sechsten Platz belegen - vor Pakistan und Bangladesch mit jeweils 14 Milliarden Dollar. Rang zehn dürfte der Libanon mit sieben Milliarden Dollar einnehmen.

Auch die ehemaligen Sowjetrepubliken haben vom Erdölboom profitiert. Auslandsüberweisungen aus Armenien, Georgien, Kirgisistan, Moldawien und Tadschikistan werden den Prognosen zufolge in diesem Jahr ansteigen. Mit einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 47 Prozent belegte Tadschikistan 2011 Platz eins der Empfängerländer von Auslandsüberweisungen. Kirgisistan erreichte mit einem Anteil von 29 Prozent am BIP im letzten Jahr den dritten Platz.

Im Gegensatz dazu schnitten die Länder, die auf die Überweisungen ihrer Bürger aus westeuropäischen, zentralasiatischen und afrikanischen Ländern angewiesen sind, nicht so gut ab. Dies wird auf die fortgesetzte Rezession und die Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union sowie eine Zunahme der Fremden- und Islamfeindlichkeit zurückgeführt.

"Politische und andere Faktoren wirken sich auf die Höhe der Auslandsüberweisungen aus", bestätigt Batalova. "Wenn sich insbesondere in den europäischen Ländern Ausländerfeindlichkeit breit macht, wird es für Zuwanderer immer schwieriger, einen Job zu finden, der ihnen erlaubt, Geld nach Hause zu schicken. Es ist unwahrscheinlich, dass sie dann bleiben werden."

Während die wirtschaftliche Erholung in den USA schwächer ausgefallen ist als erwartet, sind die von dort getätigten Überweisungen in die lateinamerikanischen und karibischen Staaten weitgehend stabil geblieben. Dass die Geldsendungen nach Mexiko im laufenden Jahr nicht höher ausfallen werden als 2011 wird auf eine Verschärfung der Grenzkontrollen, einem Rückgang der Arbeitsstellen in der Bauwirtschaft und Veränderungen des Peso-Dollar-Wechselkurses zurückgeführt.

In diesem Jahr rangiert China als Empfänger von Auslandsinvestitionen mit 66 Milliarden Dollar gleich hinter Indien. Es folgen die Philippinen und Mexiko mit jeweils 24 Milliarden Dollar und Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria mit 21 Milliarden Dollar.


Gefahr durch schwankende Wechselkurse und hohe Überweisungskosten

Das Weltbank-Papier weist auf den Einfluss von Wechselkursschwankungen auf die Höhe der Überweisungen hin. Die Aufwertung des philippinischen Peso im Verlauf des letzten Jahres habe sich negativ auf den Geldzufluss ausgewirkt. Dem gegenüber sorgte die Abwertung südasiatischer Währungen seit Mitte 2011 für höhere Auslandsüberweisungen.

Auch die Überweisungskosten beeinflussen das Volumen der Auslandsüberweisungen. Die Länder der G8 haben sich 2008 und die G20-Staaten drei Jahr später dazu verpflichtet, die globalen Kosten um durchschnittlich fünf Prozent innerhalb von fünf Jahren zu senken. Tatsächlich jedoch sind die Kosten in den 20 größten Herkunftsländern der Überweisungen dem Weltbank-Bericht zufolge von 8,6 Prozent 2008 auf nur 7,5 Prozent 2012 gesunken.

Am preiswertesten gestalten sich die Auslandsüberweisungen in Russland. Dort belaufen sie sich gerade einmal auf zwei Prozent der Transfersumme. In Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Malaysia, Katar und den USA bewegen sie sich zwischen vier und sechs Prozent. Am teuersten ist in dieser Hinsicht Japan mit 17 Prozent, wenngleich auch Deutschland, Frankreich und Australien den Migranten mehr als zehn Prozent abverlangen.

Erwartet wird, dass die Überweisungen nach Osteuropa und Zentralasien am stärksten zulegen werden. Danach folgen Ostasien und die Pazifikregion. Für Südasien prognostiziert das Weltbankpapier für das nächste Jahr einen vorübergehenden Rückgang. Als langsamste Wachstumsregionen wurden Nahost und Nordafrika ausgemacht. (Ende/IPS/kb/2012)


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http://www.migrationpolicy.org/
http://www.ipsnews.net/2012/11/remittances-rise-despite-wests-economic-weakness/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2012