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INTERNATIONAL/042: Interne Prüfer warnen IWF vor Einflussnahme durch die USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Dezember 2012

Finanzen:
Interne Prüfer warnen IWF vor Einflussnahme durch die USA

Von Carey L. Biron



Washington, 21. Dezember (IPS) - Interne Prüfer haben Kritik an der Währungspolitik des Internationalen Währungsfonds (IWF) geübt. Sie werfen der Weltfinanzorganisation vor, sich zu sehr von Washington vereinnahmen zu lassen und Maßnahmen zu ergreifen, die jeder objektiven Grundlage entbehrten.

Die Untersuchungsergebnisse des Unabhängigen Evaluierungsbüros (IEO) des IWF sind in einen ungewöhnlich knapp gehaltenen Prüfungsbericht eingeflossen, der als ein Sieg Chinas und anderer Schwellenländer gilt, die geraten hatten, sich mit möglichst umfangreichen Währungsreserven gegen die internationale Finanzkrise abzusichern.

Hingegen empfiehlt der IWF seinen Mitgliedsländern bereits seit 2009, sich nicht allzu sehr von Währungsreserven abhängig zu machen. Die Institution mit Sitz in Washington bietet jährliche Inspektionen an und kontrolliert in Einzelfällen ganze Volkswirtschaften. Sie gehört zu den einflussreichsten Akteuren, die das derzeitige Finanzsystem dominieren.

Doch die Finanzkrise von 2008/2009 hat dieses Finanzsystem erschüttert, und inzwischen werden einige Eckpfeiler der IWF-Finanzpolitik vor allem von aufstrebenden Entwicklungsländern wie Brasilien, China und Indien in Frage gestellt. Der IWF selbst hat offenbar eingesehen, dass er mehr leisten muss als makroökonomische Hilfe.


Vorwurf an IWF: Symptome, nicht Ursachen bekämpft

Nach Ansicht der IEO-Auditoren war die IWF-Politik alles andere als hilfreich und hat dazu beigetragen, die Symptome und nicht die Ursachen zu bekämpfen.

Den Analysten zufolge belaufen sich die internationalen Währungsreserven auf lediglich zehn Billionen US-Dollar. Auch wenn der Betrag auf den ersten Blick hoch anmutet, nimmt er sich verglichen mit den 105 Billionen respektive 17 Billionen Dollar, über die das Bankensystem beziehungsweise die Fondsmanagementindustrie verfügt, eher bescheiden aus.

Hinzu kommt, dass Regierungen und Zentralbanken, die diese Reserven besitzen, ein größeres Interesse an der Stabilität dieses Währungssystems haben als private Institutionen und somit das Potenzial der Währungsreserven, die Unausgewogenheit des globalen Finanzsystems zu beheben, verringern. Es gebe viele IWF-Vertreter, denen zufolge die Finanzorganisation besser daran getan hätte, sich anderen und drängenderen Problemen zuzuwenden.

Die IEO-Prüfer ließen durchblicken, dass sich der IWF möglicherweise von politischen Interessen leiten ließ. Dass das IWF-Management die 'exzessive' Akkumulation von Auslandsreserven kritisiert, bringen sie durchaus mit dem Ärger einiger Mitgliedstaaten über die Unfähigkeit des IWF in Verbindung, Wechselkursanpassungen vor allem in asiatischen Ländern mit umfangreichen Währungsreserven zu erreichen. Viele Experten verweisen auf die langjährige Kritik des größten IWF-Anteilseigners USA am wirtschaftlichen Rivalen China.

"Immer wenn der IWF das Wort Unausgewogenheit in den Mund nimmt, meint er meist China und die USA", sagte Jo Marie Griesgraber vom internationalen Netzwerk 'New Rules for Global Finance' mit Sitz in Washington. "In dem verzweifelten Bemühen, der US-Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, halten die politischen Entscheidungsträger die Zinssätze niedrig. Damit werden jedoch die Versuche anderer Länder torpediert, eine Aufwertung ihrer eigenen Währungen zu verhindern. Brasilien ist in dieser Hinsicht das wohl hervorstechendste Beispiel." Das südamerikanische Land gehört zu den Staaten, die sich mit umfangreichen Währungsreserven vor den negativen Folgen der Finanzkrise zu wappnen suchen.


Schwellenländer entziehen sich dem IWF-Diktat

Griesgraber zufolge werden sich die einflussreichen Schwellenländer wie China und Brasilien dem Diktat des IWF zunehmend entziehen. Doch die kleineren Länder würden auch weiterhin durch sich überlappende Verpflichtungen zerrieben, die von der häufig unter dem Einfluss Washingtons stehenden Welthandelsorganisation und anderer bilateraler Abkommen auferlegt würden.

Der IEO-Bericht ist vor allem für China, das mit geschätzten drei Billionen Dollar über die weltweit höchsten Währungsreserven verfügt, interessant, zumal die USA Peking seit langem vorwerfen, den chinesischen Yuan zugunsten preiswerter Exporte niedrig zu halten.

Die Währungsreserven waren bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen ein Thema. So hatte der Herausforderer von US-Präsident Barack Obama, Mitt Romney, versprochen, China im Fall eines Wahlsiegs gleich am ersten Tag im Amt zum "Währungsmanipulator" zu erklären. Obwohl viele Analysten die Meinung vertraten, dass Pekings Währungsmanipulationen irrelevant geworden sind, wurde das Thema von beiden Kandidaten ausgeschlachtet und eine härtere Gangart in der Frage angekündigt.

Die IWF-Manager haben derweil einige Untersuchungsergebnisse des IEO als falsch zurückgewiesen. Sie werfen den Prüfern vor, die durch exzessive Währungsreserven verursachten potenziellen Schäden und die Bemührungen der Weltorganisation zu unterschätzen, angemessen auf die wirtschaftliche Bedrohung zu reagieren.


Des einen Freud, des anderen Leid

Während der IWF auf den Vorwurf der Politisierung nicht näher einging, haben andere Akteure auf die Multifunktionalität von Währungsreserven hingewiesen. "Sie haben vielfältige Funktionen", bestätigte Dev Kar, ein ehemaliger Weltbank-Ökonom, der sich inzwischen für das unabhängige Netzwerk 'Global Financial Integrity' engagiert. "So fungieren große Währungsreserven für einige Länder als Sicherheiten, können andererseits aber anderen Ländern Kosten verursachen - indem sie etwa Korrekturen an den Wechselkursraten verhindern."

Griesgraber zufolge weist die Tatsache, dass Länder das Bedürfnis haben, einen Puffer aus umfangreichen Währungsreserven anzulegen, auf ein grundlegendes Problem des IWF hin. Der IWF sei geschaffen worden, um schwachen Volkswirtschaften diese Form der Sicherheit anzubieten. "Wenn der IWF seinen Zweck nicht länger erfüllen kann, ist eine Art Selbstversicherung sinnvoll", sagte sie.

Die Expertin wies zudem darauf hin, dass Länder gezwungen werden, ihr eigenes Geld für Zinszahlungen auszugeben, anstatt es für den Bau von Straßen und den Ausbau der Gesundheitsversorgung und anderer Basisleistungen zu verwenden." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.ieo-imf.org/ieo/files/completedevaluations/IR_Staff_Response.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/12/internal-audit-warns-of-imf-politicisation-by-the-u-s/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2012