Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

FRIEDEN/1028: Einigung der Palästinenser nur gegen Willen der USA möglich (SB)



Die US-Regierung hat den Entwurf für eine Versöhnung zwischen den palästinensischen Regierungsparteien Fatah und Hamas abgelehnt. Der US-Sondergesandte George Mitchell hat gegenüber dem ägyptischen Geheimdienstchef Omar Suleyman erklärt, die Einigung zwischen den Kontrahenten sei nur möglich, wenn sich alle Beteiligten zum Existenzrecht Israels bekennen und dem Terror als politisches Mittel abschwörten (Deutschlandfunk, 15.09.2009). Es ist also nicht nur die "Unversöhnliche Hamas", die laut Titelzeile in der Süddeutschen Zeitung (16.10.2009) das Abkommen mit der Fatah ablehnt oder zumindest verzögert. Auch in Washington ist man nicht über die Aussicht begeistert, daß die Palästinenser auf selbstbestimmter Basis zusammenkommen.

Und so fährt man mit der bislang so erfolgreichen Strategie der Spaltung der Palästinenser fort, indem man Bedingungen an sie stellt, die ihr Handlungsvermögen von vornherein unter die Kuratel Dritter, namentlich der USA, stellt. Die Forderung der Hamas, das Recht der Palästinenser auf Widerstand gegen die israelische Besatzung explizit in dem Abkommen zu verankern, bietet sich als probates Mittel an, um die Einigung generell scheitern zu lassen. Die von Mitchell geltend gemachten Konditionen entsprechen im wesentlichen den Bedingungen, unter denen die Hamas seit ihrer Wahl durch die palästinensische Bevölkerung vor nunmehr bald vier Jahren isoliert und boykottiert wird. Die Anerkennung des Existenzrechts Israels ohne entsprechende Anerkennung des Existenzrechts Palästinas, sei es nun als separater Staat der Palästinenser oder als Staat aller Bewohner des ehemaligen britischen Mandatsgebiets, bedeutete, daß die Palästinenser ein zentrales Stück ihrer Verhandlungsmasse im Vorweg aus der Hand gäben. Für die Aufgabe des legitimen Rechts auf Widerstand gegen eine Besatzungsmacht gilt das gleiche, zumal die von den USA und Israel gewählte Sprachregelung, daß es sich dabei um "Terror" handelt, das herrschende Gewaltverhältnis von vornherein legalistisch überhöht.

Die angeblich guten Absichten des US-Präsidenten Barack Obama können nicht darüber hinwegtäuschen, daß dem machtpolitischen Interesse Washingtons am besten gedient ist, wenn die Palästinenser gespalten und damit schwach bleiben. Da die USA in der ägyptischen Regierung beim Versuch, die Hamas dauerhaft auszugrenzen, einen willigen Kollaborateur besitzt, während die Hamas durch die Verbindungen, die die Partei in den Iran unterhält, und als Vertreterin eines politischen Islam, der vor allem unter den subalternen Massen Anhänger findet, von vielen Regierungen der Region eher als Feind betrachtet wird, wird diese Strategie auch in Zukunft funktionieren.

Ihr Nachteil besteht darin, daß das Vorgehen der USA und der mit ihr verbündeten arabischen Regierungen den Bevölkerungen der Region vor Augen führt, daß sie keinen Anspruch auf selbstbestimmtes politisches Handeln besitzen. Die Verhältnisse werden von der führenden westlichen Ordnungmacht zugunsten Israels bestimmt, die EU unterstützt sie dabei und die eigenen Machthaber lassen sich eine Herrschaftsgarantie ausstellen, in dem sie auf dem Flugzeugträger der Ordnungsmacht anheuern. Wer sich nicht in neokolonialistische Abhängigkeiten begeben will, soll in seiner selbstgewählten Freiheit umkommen, so die Devise, die den zu ergreifenden ökonomischen bis militärischen Zwangsmaßnahmen zugrundeliegt.

Daran ändert auch das Vorgehen der islamischen Staaten im UN-Menschenrechtsrat wenig. Die dort zum Ärger Israels und der USA erfolgte Annahme des Goldstone-Berichts zu den Kriegsverbrechen, die Israel beim Überfall auf Gaza angelastet werden, ist ein symbolpolitischer Akt ohne jede faktische Konsequenz. Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß die vielbeklagte "Kultur der Straflosigkeit" in eine Strafverfolgung israelischer Politiker und Militärs mündet. Israel erkennt die Rechtshoheit des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) nicht an und wird durch die USA und EU davor geschützt, daß der ICC dennoch Anklage erhebt. An internationale Sanktionen ist aus nämlichem Grund erst recht nicht zu denken, so daß der Sturm im Wasserglas sich bald wieder legen wird.

Während die arabischen Regierungen mit ihrem Vorgehen gegen Israel im UN-Menschenrechtsrat, das vor allem durch den Verzicht auf die verlangte, das Gewaltverhältnis zwischen Israelis und Palästinensern negierende Ausgewogenheit in der Resolution zum Goldstone-Bericht wie eine Parteinahme für die Kriegsopfer Gazas wirkt, ein wenig Glaubwürdigkeit unter den eigenen Bürgern zurückgewinnen können, besitzen sie de facto keine Möglichkeit, den symbolischen Akt für eine Politik zu nützen, die die Dominanz der USA im Nahen Osten einschränkte. Hier entscheiden letztlich die Waffen, wer das Sagen hat, und die befinden sich allesamt in den Händen Washingtons und seiner Verbündeter.

Allein die Tatsache, daß Palästinenserpräsident Mahmud Abbas seine später revidierte Entscheidung, für eine Verschiebung der Resolution zum Goldstone-Bericht zu votieren, politisch überlebt hat und nicht sofort zurücktreten mußte, belegt, daß die Ansichten der palästinensischen Bevölkerung von denkbar geringem Gewicht sind. Zweifellos hat die Hamas mit ihrer im Verhältnis zur Fatah konsequenteren Ablehnung der an alle Palästinenser gestellten Unterwerfungsforderungen an Ansehen gewonnen, doch gerade deshalb muß nun verhindert werden, daß es bei Wahlen zu einem neuerlichen Sieg der Hamas kommt. Eine Einigung der Palästinenser, die nicht der Kontrolle äußerer Akteure unterliegt, kann nur unter Bedingungen erfolgen, die diesen nicht genehm sind. Indem Abbas und die Fatah sich weitgehend auf die Linie Washingtons eingelassen haben, versuchen sie, ihre Herrschaft mit fremder Hilfe zu sichern, womit sie sich im Endeffekt als Statthalter der Hegemonialmacht USA und Sachwalter des Siedlerkolonialismus zu erkennen geben.

17. Oktober 2009