Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

FRIEDEN/1055: Auf harsche Schelte folgen Treueschwüre an die Adresse Israels (SB)



Nach der ungewöhnlich harschen Schelte an der israelischen Siedlungspolitik aus dem Munde der US-amerikanischen Führungsriege hat diese umgehend Kreide gefressen und läßt nichts unversucht, das Banner ewiger Freundschaft im rasch abflauenden Sturm des eigentlich gar nicht vorhandenen Konflikts flattern zu lassen. "Israel ist einer unserer engsten Verbündeten", hob Obama in einem Interview des rechtskonservativen Fernsehsenders Fox News das besondere Verhältnis beider Staaten hervor. "Das israelische Volk und uns verbindet ein besonderes Band, das nicht verschwinden wird. Aber Freunde haben manchmal unterschiedliche Ansichten", reduzierte der US-Präsident das Schlamassel auf bloße Unwuchten in der Abstimmung gemeinsamer Absichten. "Es besteht Uneinigkeit in der Hinsicht, wie wir diesen Friedensprozeß voranbringen können", erklärte Obama im taktischen Rückzugsgeplänkel und merkte an, daß es für die Friedensbemühungen im Nahen Osten nicht hilfreich gewesen sei, daß Israel ausgerechnet während des Besuchs von Vizepräsident Joe Biden den Bau von 1.600 Siedlungswohnungen im völkerrechtswidrig annektierten Ostteil Jerusalems bekanntgegeben hat. (Der Standard 18.03.10)

US-Außenministerin Hillary Clinton, die zuvor die Furie gemimt und die Bekanntgabe der Siedlungspläne während des Biden-Besuchs als Beleidigung und Provokation gegeißelt hatte, die ernsthafte Zweifel am Friedenswillen der israelischen Regierung aufkommen ließen, steuerte versöhnliche Töne, eine Bekräftigung der Sicherheitsgarantien für Israel und das Bild unzertrennbarer Bande, die zwischen beiden Ländern bestünden, als Steilvorlage für ihren Kabinettschef bei.

Alles in Butter, beschwichtigt man auch auf israelischer Seite. "Niemand ist an irgendwelchen Spannungen interessiert", befand Präsident Schimon Peres, weshalb beide Seiten schnell zu einer Verständigung kommen sollten. Das rasant anbrechende Tauwetter der Versöhnung bestärkte Außenminister Avigdor Lieberman, der die Forderungen aus Washington nach einem Stopp des Siedlungsprojekts zuvor als "unverschämt" zurückgewiesen hatte, sofort nachzulegen. Nach einem Treffen mit EU-Außenministerin Catherine Ashton kanzelte er das Ansinnen der internationalen Gemeinschaft, Israel solle einen Baustopp einlegen, als völlig unangemessen ab. Es sei unzumutbar, daß Juden im arabischen Ostjerusalem nicht bauen oder Eigentum kaufen dürfen. Schließlich sei Jerusalem die Hauptstadt Israels und müsse für jedermann offen sein.

Zugleich forderte Lieberman die Palästinenser zur sofortigen Wiederaufnahme direkter Friedensgespräche mit Israel auf, als gäbe es tatsächlich etwas, worüber man mit ihnen ernsthaft verhandeln wolle. Premier Netanjahu hat bereits im vergangenen Jahr einen Kanon unverzichtbarer Voraussetzungen für Friedensverhandlungen verkündet, die für die Palästinenser wie im Grunde die gesamte arabische Welt unannehmbar sind. Statt einen eigenen Staat zu erhalten, sollen sie sich mit einem Protektorat unter israelischer Kontrolle begnügen, während Jerusalem zur ungeteilten Hauptstadt Israels erklärt wird. Da keine palästinensische Führung, gleich wie unterwürfig sie sein mag, diese Forderungen akzeptieren kann, ohne von ihrer eigenen Bevölkerung weggefegt zu werden, behält die israelische Regierung weiter alle Trümpfe in der Hand.

Barack Obama hatte anfangs einen vollständigen Siedlungsstopp Israels als Voraussetzung für eine Friedenslösung im Nahen Osten gefordert. Dies würde bedeuten, den erreichten Stand des Siedlungsbaus als unantastbar und unumkehrbar zu verankern. Die israelische Führung ist jedoch selbst zu diesem Schritt nicht bereit und verlangt de facto eine uneingeschränkte Fortsetzung des Ausbaus, auch wenn dieser hinter in Reihe von Täuschungsmanövern verschleiert wird. Längst ist die US-Regierung vom Siedlungsstopp abgerückt und verlangt lediglich vage eine Zurückhaltung bei Bauaktivitäten, was einem Freibrief für den weiteren Ausbau gleichkommt.

Auf israelischer Seite ist man hochzufrieden mit dem Rückzieher auf Raten, der es Netanjahu erlaubt, Ausflüchte in die Welt zu setzen, man baue keine neuen Ansiedlungen, sondern lasse nur das natürliche Wachstum der alten zu, bringe zu Ende, was im Bau sei, oder setze längst beschlossene Planungen um. Der Siedlungsbau in und um Ostjerusalem ist ohnehin von allen vorgeblichen Kompromißformeln ausgenommen, so daß praktisch ungehindert weitergebaut wird, während man zugleich behauptet, Israel unternehme nie dagewesene Dinge, um einen Friedensprozeß in Gang zu bringen.

Weder handelt es sich um eine Stagnation, noch ein Patt im blockierten Friedensprozeß, sondern vielmehr um eine ungebrochene Expansion zu Lasten der Palästinenser, bei der die Zeit der Okkupation in die Hände spielt und die Voraussetzungen eines Palästinenserstaats unterminiert, wenn nicht gar vernichtet. Das ist offensichtlich das Ziel der israelischen Regierung, gegen das auch die Obama-Administration keine nennenswerten Einwände erhebt, wie die jüngsten Treueschwüre an die Adresse Israels bezeugen.

18. März 2010