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HEGEMONIE/1555: Im EU-Israel-Rat blickt man nach vorne (SB)



Das im Juni letzten Jahres zwischen der EU und Israel geschlossene Abkommen zur gegenseitigen Annäherung und Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen ist nicht in Gefahr. Das zumindest meint Israels Botschafter bei der Europäischen Union, Ran Curiel. Er gibt ganz im Gegenteil an, daß sich die Positionen Israels und der EU annähern (EU Observer, 07.01.2009). Die im EU-Israel-Rat verhandelten Fragen der Beteiligung Israels an Institutionen und Prozessen der EU, der verstärkten diplomatischen Kooperation und der Integration Israels in den europäischen Markt gehen jedenfalls unbeschadet von dem menschen- und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Israels weiter.

Curiel erinnert daran, daß die Hamas auf der Terrorliste der EU steht, und merkt an, daß die Annäherung zwischen seinem Land und der EU schließlich nicht nur zum Vorteil Israels, sondern auch der Union wäre. Die sich in der Stigmatisierung der Hamas als terroristische Organisation und der Beteiligung der EU an ihrem Boykott ausdrückende Gleichrichtung ist denn auch weit tragfähiger, als daß ein Massaker die guten Beziehungen zwischen Tel Aviv und Brüssel auf womöglich schwerwiegende Weise belasten könnte. Schließlich steht man auch in Washington entschieden an der Seite Israels, und welche Großmacht, als die die EU sich versteht, will schon mit ausgesprochenen Verlierern paktieren, wenn dies nicht, wie im Fall der Kosovo-Albaner, als Vorwand zur Ausschaltung eines anderen Verlierers fungierte.

In Gaza fahren die israelischen Streitkräfte die Ernte ein, die unter anderem mit der Nahostpolitik der EU ausgesät wurde. Die dort vor aller Augen vollzogene Gewalt setzt Maßstäbe für künftige EU-Interventionen, und das ist den Damen und Herren in Brüssel weit wichtiger, als sich hinter einem humanitären Feigenblatt zu verstecken, während sie den nächsten Krieg planen. Der vor zehn Jahren an der Bundesrepublik Jugoslawien exekutierte Interventionismus ähnelt in Legitimation und Ausführung auf vielerlei Weise dem Überfall Israels auf den Gazastreifen. Warum also jetzt Krokodilstränen vergießen und so tun, als sei man humaner, als die gemeinsame Werteordnung erlaubt?

Eigentlich nur aus einem Grund - die Europäische Union hat ein Imageproblem, das unter anderem den Plänen zur weiteren Militarisierung geschuldet ist, die im Reformvertrag von Lissabon festgeschrieben sind. Man gibt sich gerne harmloser, als man ist, und möchte nicht mit blutverschmierten Fingern am Konferenztisch sitzen, sondern gutbürgerliche Saturiertheit vorschützen. Aus diesem Grund riskiert das eine oder andere EU-Ratsmitglied dieser Tage, ein wenig über das Ausmaß der gegen die Palästinenser eingesetzten Gewalt zu klagen. Das ist mit einem Waffenstillstand schnell vergessen. Wenn man im EU-Israel-Rat wieder zur Tagesordnung übergegangen ist, wird man heilfroh darüber sein, daß man es nicht zu einem ernsthaften Affront hat kommen lassen, der Polarisierungen wie im Vorfeld des Irakkriegs hätte hervorrufen können.

14. Januar 2009