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HEGEMONIE/1566: Schröder als Türöffner der Bundesregierung im Iran (SB)



Die geteilte Kritik am Besuch des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in Teheran unterstreicht den offiziösen Charakter seiner Reise. Da Regierungssprecher Thomas Steg die Visite als privaten, nicht im Auftrag der Bundesregierung erfolgten Besuch bezeichnete, hätte es eigentlich nicht der Klarstellung bedurft, laut der Bundeskanzlerin Angela Merkel davon ausgehe, daß ihr Vorgänger die Gespräche auf Linie der Bundesregierung geführt habe. Auch Stegs Aussage, man erwarte keinen Bericht von Schröder, sondern es liege an ihm, ob er die Regierung informiere, läßt erkennen, daß es sich beim privaten Charakter des Unterfangens um eine gewollt durchsichtige Camouflage handelt, hinter der die Bundesregierung einen eigenständigen diplomatischen Ansatz im Verhältnis zum Iran initiiert. Schließlich spricht eine von der Nachrichtenagentur Reuters (23.02.2009) nach einem Schwall kritischer Distanzierungen veröffentlichte Meldung unter dem Titel "Überwiegend positives Echo auf Schröders heikle Iran-Reise" für diese These, fußt sie doch vor allem auf einer positiven Stellungnahme der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Daß die Initiative mit der Regierung in Washington abgestimmt wurde, kann trotz der scharfen Kritik, mit der insbesondere Unionspolitiker Schröders Treffen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad verurteilten, nicht ausgeschlossen werden. US-Präsident Barack Obama könnte seiner früher angekündigten Bereitschaft, mit der Regierung in Teheran ohne Vorbedingungen zu sprechen, auf diese Weise vielleicht doch noch entsprechen. Nachdem ihm dies zum Nachteil im Wahlkampf zu gereichen drohte, unterblieben weitere Offerten unkonditionierter Art. Seine damalige Herausforderin im Vorwahlkampf und heutige Außenministerin Hillary Clinton hat eine entsprechende Annäherung stets davon abhängig gemacht, daß der Iran im Vorweg auf sein verbrieftes Recht zur Urananreicherung verzichtet. Diese Sprachregelung bestimmt auch die derzeitige Position der US-Regierung, die insbesondere vom Verbündeten Israel gedrängt wird, keine Jota von dieser Voraussetzung abzuweichen.

Der von den Unionsparteien wie der Linken erhobene Vorwurf, Schröder hätte Ahmadinejad mit seinem Besuch unnötige Wahlkampfhilfe gewährt, ist von jenem Ungeist paternalistischer Bevormundung gezeichnet, den auch das Verhältnis der Bundesregierung zu der palästinensischen Hamas kennzeichnet. Wenn Schröder in semioffizieller Mission in den Iran fährt und sein Besuch dort anerkanntermaßen als diplomatische Mission wahrgenommen wird, dann wäre es ein Affront gegenüber den Iranern, nur mit dem Herausforderer ihres Präsidenten, dem iranischen Ex-Präsidenten Mohammed Chatami, zusammenzutreffen. Wenn es so problematisch für einen deutschen Politiker ist, mit dem gewählten Staatschef des Irans als einem erklärten Gegner des Staates Israel zu sprechen, dann hätte dieser Besuch unterbleiben oder zumindest von der Bundesregierung - und nicht nur Außenpolitikern der Union - konsequent verurteilt werden müssen.

Da Ahmadinejad nach wie vor über erhebliche Unterstützung in der Bevölkerung des Irans verfügt und seine negative Haltung zu Israel - und nicht, wie oft behauptet, zu Juden allgemein - unter den Eliten des Landes weitverbreitet ist, sollten sich deutsche Politiker generell vom Iran fernhalten. Dies allerdings ist keineswegs im Sinne in der Bundesrepublik angesiedelter Wirtschaftsunternehmen, die nach wie vor gute Geschäfte mit dem Iran machen und zudem an dessen umfangreichen Erdgasreserven interessiert sind. Aus dieser Bredouille resultiert eine zwischen Distanzierung und Erzwingung changierende Diplomatie, die den Einfluß der Bundesregierung auf die Teheraner Regierung nicht wirksamer schwächen könnte.

Da sich zu dem ökonomischen Kalkül geostrategische Interessen insbesondere in Hinsicht auf Afghanistan gesellen, die auch für die US-Regierung bedeutsam sind, welche zudem als Besatzungsmacht im Irak erheblichen Verhandlungsbedarf mit Teheran hat, kann dieser Zustand für die EU-Staaten wie für die USA nur unbefriedigend sein. Für die Bundesregierung erschwerend hinzu kommt die Möglichkeit einer überraschenden Annäherung zwischen Washington und Teheran, was zur Folge hätte, daß die Berliner Diplomatie noch mehr an den Rand gedrängt würde. Auch von daher ist nicht auszuschließen, daß man in einer Art Dreiecksoperation zwischen Washington, Berlin und Teheran eine Entwicklung anzuschieben versucht, die bislang am Einspruch Israels scheiterte.

Schröders Reise kann als Versuch betrachtet werden, der Bundesrepublik wie der EU auf Umwegen eine aktivere Rolle in der Politik des Nahen und Mittleren Ostens zuzuschanzen. Realpolitik dieser Art erhält vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und dem daraus resultierenden Interesse an der Erschließung neuer Rohstoffressourcen und Absatzmärkte ein deutlich höheres Gewicht als die Berücksichtigung regionaler Antagonismen, die im Falle Israels nur mit Zugeständnissen an die Palästinenser aus der Welt zu schaffen wären. Ob man sich in Tel Aviv weiterhin darauf verlassen kann, daß man in Washington darauf verzichtet, dem Anspruch der Palästinenser auf einen eigenen Staat zumindest im Ansatz stattzugeben, bleibt auch die entscheidende Frage für die Entschärfung des Verhältnisses zum Iran.

23. Februar 2009