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HEGEMONIE/1587: Aigners Gentech-Verbot - ein Nadelstich für Monsanto (SB)



Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat den Anbau und Vertrieb der gentechnisch manipulierten Maissorte Mon 810 verboten. Allzu erdrückend waren die Hinweise, daß der Mais mit dem eingebauten Insektizid nicht nur den Schädling Maiszünsler, sondern auch andere Insekten tötet. Damit hat der Chemiekonzern Monsanto, der die Maissorte vertreibt, eine kleine Niederlage erlitten. Es hat allerdings nicht den Anschein, als werde er dadurch bei der Verfolgung seines erklärten Ziels, die Nahrung der gesamten Menschheit kontrollieren zu wollen, ernsthaft aufgehalten.

Dem Unternehmen wird nachgesagt, daß es strategisch vorgeht. Erstens wechseln seine Mitarbeiter regelmäßig in die Administration beispielsweise der USA, wo sie an entscheidenden Stellen sitzen und Monsanto-Erzeugnissen grünes Licht erteilen. Zweitens werden Länder, die sich bislang gegen die Gentechnik gewehrt haben, durch illegale Einfuhren kontaminiert (Beispiel Brasilien) und vor vollendete Tatsachen gestellt. Drittens läßt Monsanto seinen Einfluß auf die US-Regierung spielen, um Hungersnöte in afrikanischen Ländern auszunutzen und "Hilfe" in Form von gentechnisch verändertem Mais zu schicken. Viertens nimmt der Chemieriese, der jahrzehntelang wider besseres Wissen Menschen mit hochgefährlichen und viel zu spät verbotenen PCBs vergiftet hat, Einfluß auf die Gesetzgebung, um seine faktische Monopolstellung auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik zu Lasten der Umwelt und Gesundheit weiter auszubauen.

Mit Aigners Entscheidung schließt sich Deutschland den EU-Mitgliedern Österreich und Ungarn an, die sich beharrlich weigern, gentechnisch veränderte Saatgut zuzulassen. Ermöglicht wird der Widerstand (noch) durch einen Dissens zwischen dem der Gentechnik gegenüber insgesamt ablehnend eingestellten EU-Umweltministerrat und der EU-Kommission. Diese hat schon häufiger Versuche unternommen, den Widerstand der Mehrheit der EU-Mitglieder gegen gentechnisch verändertes Saatgut zu brechen. Rückendeckung erhält die Kommission durch die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Deren Mitglieder bewerten unter anderem die Risiken von GMOs (gentechnisch manipulierte Organismen). Die EFSA hat noch niemals gegen die Gentechnik gestimmt, was nicht die Unbedenklichkeit dieser Technologie beweist. Vielmehr geht das darauf zurück, das das Gremium, das eigentlich unvoreingenommen sein sollte, eine große Nähe zur Industrie aufweist. Verkürzt gesagt: Die Biotechindustrie kontrolliert sich selbst.

In den USA wird der personelle Wechsel von Monsanto in die Regierung und wieder zurück unverhohlen betrieben. Den vorläufigen Höhepunkt bildet ein derzeit im US-Senat diskutiertes Gesetz mit der Bezeichnung HR 875 zur angeblichen Lebensmittelsicherheit. Sollte es angenommen werden, käme Monsanto seinem Ziel der globalen Lebensmittelkontrolle ein riesiges Stück näher, da durch das Gesetz große Konzerne begünstigt, Kleinproduzenten dagegen unmöglich zu erfüllenden Auflagen unterworfen werden.

Darüber hinaus ist der "Monsanto-Mann" Michael Taylor von der Obama-Regierung als möglicher Leiter der neuen Lebensmittelkontrollbehörde vorgesehen. Ausgerechnet Taylor, der in den neunziger Jahren als Leiter der US-Gesundheitsbehörde FDA das von Monsanto entwickelte bovine Wachstumshormon rBGH, das unter anderem bei Menschen Brustkrebs auslösen kann, für unbedenklich erklärt hat. Damit spielt der Chemieriese ganz weit oben in der US-Administration mit.

Gegenüber solchen Zugewinnen an Einfluß fällt der Verlust durch Aigners Nein zu Mon 810, so begrüßenswert es selbstverständlich ist, kaum ins Gewicht. Aigner betonte, daß sie nicht grundsätzlich gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft entschieden habe, sondern nur auf diese eine Sorte bezogen.

Der Zug der Chemieriesen und Biotechunternehmen, die bestimmen, was die Menschen essen sollen und was nicht, kann nicht aufgehalten werden, wenn nicht zugleich das Schienennetz beseitigt wird, über das die Konzerne Fahrt aufnehmen und an gesellschaftlichem Einfluß gewinnen. Letztlich korrespondiert bei der Frage der Nahrungsmittelversorgung das Profitinteresse Monsantos mit dem Verfügungsinteresse des Staates. Auch wenn es in diesem einen Fall anders erscheint, so befinden sich Wirtschaft und Politik in keinem diametral gegenüberstehenden, sondern einem komplementären Verhältnis zueinander. Beide brauchen den Mangel und fördern ihn. Ohne die Nahrungsmittelverknappung könnte ein Unternehmen wie Monsanto keine Geschäfte mit der Nahrung machen. Die Verwaltung des Mangels, nicht seine Behebung, ist ergänzend dazu das Geschäft der Politik.

14. April 2009