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HEGEMONIE/1591: Israel und EU kommen sich näher (SB)



Auf seiner Europareise hat Israels Außenminister Avigdor Lieberman zuerst Station in der italienischen Hauptstadt Rom gemacht. Dort durfte er sich, wohl wissend um die ausländerfeindliche und autokratische Politik der Regierung Berlusconi, vor Kritik an seinen rassistischen Ansichten gegenüber den Palästinensern sicher fühlen. Doch der italienische Außenminister Franco Frattini, dem als EU-Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit die Durchsetzung einer strikten Flüchtlingsabwehr erstes Gebot war, ging sogar noch weiter und nahm Lieberman gegen die Kritik, die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner vor einigen Wochen an der Palästinapolitik der israelischen Regierung geübt hatte, in Schutz. Sie hatte die weitere Annäherung zwischen der Europäischen Union und Israel von der Zustimmung Tel Avivs zur Zweistaatenlösung und der Einstellung des täglich vonstattengehenden Ausbaus der Siedlungen im Westjordanland abhängig gemacht.

Frattini hingegen entsprach voll und ganz der Erklärung der israelischen Regierung, die Ferrero-Waldners Stellungnahme zum Anlaß genommen hatte, eine künftige Rolle der EU im Friedensprozeß in Frage zu stellen. Der italienische Außenminister erklärte gegenüber Lieberman, es sei "im gemeinsamen Interesse Europas, stärkere Beziehungen mit Israel zu haben, so daß Europa in der Lage sein wird, eine wichtigere Rolle" im Nahen Osten zu spielen. Erst die Vertiefung der gemeinsamen Beziehungen, dann kann man über deren politische Implikationen nachdenken. Damit sagte Frattini nichts anderes, als daß die Interessen der Palästinenser im Zweifelsfall den hegemonialen Interessen der EU geopfert werden.

Während die EU nicht nur jedem Beitrittskandidaten, sondern auch Ländern wie der Moldawien oder Belarus die Bedingungen einer Annäherung wie selbstverständlich diktiert, wird der Spieß in diesem Fall umgedreht. Auch wenn Frattini heute nicht mehr in Brüssel residiert, sondern als Außenminister eines Mitgliedstaats über geringeren Einfluß verfügt, repräsentiert seine opportunistische Haltung das Interesse diverser EU-Staaten und dabei nicht zuletzt der tschechischen Ratspräsidentschaft, sich zum Preise eigener Einflußnahme auch einer israelischen Regierung anzudienen, die noch entschlossener als ihre Vorgängeradministrationen ist, den Palästinensern so wenig Luft wie möglich zum Atmen zu lassen.

So nutzte Liebermann Frattinis Unterwerfungsangebot auf der gemeinsamen Pressekonferenz am Montag denn auch dazu, eine weitere Annäherung zwischen der EU und Israel unter den Vorbehalt zu stellen, daß diese nicht an andere Entwicklungen in der Region des Nahen und Mittleren Ostens geknüpft sein dürfe. Ihm geht es dabei insbesondere um den Iran, den er als "destabilisierenden Faktor für die Region und die ganze Welt" weiterhin isoliert wissen möchte.

Der letztes Jahr im Juni von den EU-Außenministern getroffene Beschluß, die Beziehungen zu Israel unter anderem in Hinsicht auf die Integration seiner Wirtschaft in den Gemeinsamen Markt und die Beteiligung Israels an den Planungen und Institutionen der EU beschleunigt voranzutreiben, soll trotz des mörderischen Überfalls auf Gaza und der andauernden Aushungerung seiner Bevölkerung, trotz des Siedlungsausbaus im Westjordanland und des weiteren Rechtsrucks in der israelischen Regierungspolitik unbeirrt fortgesetzt werden. Dieser Kurs sagt nicht viel Neues über eine sogenannte Wertegemeinschaft aus, die die dreiwöchigen Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung Gazas weitgehend akzeptiert und damit mitgetragen hat.

5. Mai 2009