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HEGEMONIE/1627: Clinton feiert Vollendung des Coups in Honduras (SB)



Fast auf den Tag genau vier Monate nach dem Putsch in Honduras scheint der Vorhang nach der Schmierenkommödie zu fallen, die der Welt die Premiere eines Staatsstreichs vorgegaukelt hat, der angeblich gar keiner war. Das mögen Präsident Manuel Zelaya und der Widerstand gegen das Regime, die Hinterbliebenen der Toten, die Verletzten, Verhafteten und auf sonstige Weise Drangsalierten anders sehen, doch die haben nichts zu melden, wenn es nach dem Willen der einheimischen Eliten und deren Herren in Washington geht. Die USA putschen nicht mehr in Lateinamerika, lautet die aktuelle Doktrin, weshalb sie den Umsturz wie eine einheimische Erhebung aufrechter Bürger gegen eine diktatorisch ambitionierte Regierung aussehen lassen. Das war in Venezuela gescheitert und in Haiti gelungen.

Neu unter Barack Obama ist die Geschmeidigkeit, mit der die US-Regierung den naheliegenden Verdacht, ihr engster Verbündeter in Mittelamerika könne unmöglich eine derartige Umwälzung auf eigene Faust oder gar gegen ihren Willen lostreten, zu entkräften verstand. Zelaya sei der rechtmäßige Präsident von Honduras, schloß sich die Obama-Administration dem internationalen Trend an. Doch als Sanktionen gefragt waren, um die Putschisten zur Räson zu bringen, hielt man sich in Washington vornehm zurück - wohl wissend, daß einzig und allein Strafmaßnahmen der USA einschneidend genug wären, um das Regime in Tegucigalpa zum Einlenken zu zwingen.

Existierte ein Drehbuch zur Demontage Zelayas, der sich erdreistet hatte, im Laufe seiner Amtszeit ein Herz für die Armen und Gefallen an einer Emanzipation von den Nordamerikanern zu finden? Fast möchte man meinen, daß hier Regie geführt wurde und Roberto Micheletti solange die Rolle des wildgewordenen Schurken übernahm, bis endgültig feststand, daß sein Gegenspieler als tragischer Held enden würde - auf den Thron zurückgekehrt, doch aller Machtmittel beraubt. Sollte sich der Plot naturwüchsiger entwickelt haben, so hat man einander zwischen Washington und Tegucigalpa so geschickt die Züge signalisiert, daß man jederzeit treuherzig versichern kann, es habe nie ein hinterhältiges Zusammenspiel gegeben.

Außenministerin Hillary Clinton konnte vor Genugtuung über den geglückten Coup kaum an sich halten und erklärte triumphierend: "Wir haben mit großer Klarheit die verfassungsmäßige Ordnung wiederhergestellt." Was keiner geschafft hatte, gelang der US-Regierung mit links. Die Einigung von Tegucigalpa kam unter Vermittlung einer hochrangigen US-Delegation zustande, wird es fortan heißen, hatte Clinton doch ihren Lateinamerika-Beauftragten Thomas Shannon nach Honduras beordert, um dort zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Die Außenamtschefin begrüßte das Ende der Staatskrise, würdigte die Vereinbarung zur Lösung des Konflikts als "historisches Abkommen" und gratuliere dem honduranischen Volk, dem gestürzten Staatschef Manuel Zelaya und Putschpräsident Roberto Micheletti. Ihr falle kein anderes lateinamerikanisches Land ein, das einen Bruch in seiner demokratischen und institutionellen Ordnung durch Verhandlung und Dialog überwunden habe, sagte Clinton. Sie sei sehr stolz auf die Menschen in Honduras, die zur friedlichen Lösung der Krise beigetragen hätten.

Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! Die USA als sanftmütige Ordnungsmacht, die nicht interveniert, doch kraft ihrer unabweislichen Autorität vermittelnd einwirkt und die Streithähne zum Einlenken bringt. Eine Lösung, von der alle profitieren, so daß sich das Gezänk in Wohlgefallen auflöst und Glückwünsche die Runde machen. Und nicht zuletzt ein Novum, da es die Latinos erstmals in ihrer Geschichte geschafft haben, die gewohnheitsmäßige Streitsucht zu begraben und eine ernste politische Krise wie zivilisierte Menschen zu lösen. Darauf kann man so stolz sein wie der Bauer, der die aufgeregten Hühner in seinem Hinterhof beschwichtigt hat: Schluß mit dem Krakeelen, jetzt werden wieder Eier gelegt!

Da nimmt es nicht wunder, daß sich Roberto Micheletti keineswegs kleinlaut zeigt, sondern im Gegenteil mit stolzgeschwellter Brust der Welt verkündet, er habe der Vereinbarung zugestimmt, die die politische Krise des Landes beenden soll: "Mit Freude gebe ich bekannt, daß ich vor wenigen Minuten meine Unterhändler zur Unterzeichnung des Abkommens autorisiert habe, das den Anfang vom Ende der politischen Krisenlage des Landes markiert". Doch es sollte noch dreister kommen: "Schluß jetzt mit Ausreden, mit einer Rhetorik, die uns spaltet, Schluß mit politischen Spielen, das Volk von Honduras will dieses Abkommen, und jetzt haben wir die Chance, es zustande zu bringen." Seine Regierung habe große Zugeständnisse gemacht, um die Einigung zu erzielen, betonte der Interimspräsident. Nun werde er sich gleich bei den ausländischen Regierungen um eine Aufhebung der Sanktionen bemühen. (www.dw-world.de 30.10.09)

Aus dem Munde des Repräsentanten eines Regimes, das nach seinem Putsch monatelang alle Vermittlungsversuche blockiert und mit immer neuen Verzögerungsmanövern jede Verhandlungslösung sabotiert hatte, muten solche Worte nur dann nicht schizophren an, wenn sie in unverhohlener Siegesgewißheit unterstreichen, daß der Plan aufgegangen ist. Da paßt es ins Bild, daß die Polizei am selben Tag die Anhänger Zelayas noch einmal kräftig mit Tränengas eingedeckt hatte, um unmißverständlich klarzumachen, wer Herr im Haus ist und es auch bleiben wird.

Schluß mit dem Unfug der partizipativen Demokratie, der Volksbefragung, der Entfremdung von hegemonialer Suprematie und allem Liebäugeln mit regionaler Eigenständigkeit auf Grundlage solidarischer Bündnisse! Das Volk von Honduras darf nicht länger gespalten sein, und was das Volk will, entscheiden noch immer seine Herren, die schließlich am besten wissen, wie man Ausbeutung und Zurichtung in Frieden und Eintracht perpetuiert. Die Krise ist überwunden und Zelaya Schnee von gestern - oder etwa nicht?

30. Oktober 2009