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HEGEMONIE/1744: Vollbremsung der Solarförderung - Schützenhilfe für atomar-fossile Energiekonzerne (SB)



Wohnhäuser, Scheunen, Garagen, Kindergärten, Kirchen ... in Deutschland werden die verfügbaren Dachflächen in einem so hohen Tempo mit Solarzellen zugepflastert, daß den Röslers und Röttgens Hören und Sehen vergeht. Mit jedem Schritt, den die Bundesregierung die Solarförderung absenkt, scheint der Zubau nur noch kräftiger zu wachsen. Das schmeckt den Neoliberalen nicht. Sie streben zwar gemäß ihrem Credo von der freien Marktwirtschaft eine private Energieversorgung an, aber die soll offenbar nicht auf Millionen Bürgerinnen und Bürger verteilt sein, sondern den Konzernen zugute kommen, und vor allem soll sie nicht in ernsthafte Konkurrenz mit der etablierten atomar-fossilen Energiebranche treten. Also wird sich der Staat schneller als geplant aus der Subventionierung des Solarstroms herausstehlen, obgleich beispielsweise die Kohleförderung und der Betrieb von Atomkraftwerken über Jahrzehnte hinweg mit Milliardensummen gestützt wurden.

Am Donnerstag haben der Wirtschafts- und der Umweltminister eine Tabelle mit konkreten Kürzungsvorhaben bei der Solarförderung präsentiert. Demnach würde schon vom 9. März an die Vergütung von Solarstrom um 20,2 bis 24,9 Prozent verringert. Der ursprüngliche Plan sah vor, den Degressionsschritt erst am 1. Juli zu vollziehen und dann auch nur um 15 Prozent. Die Maßnahmen richten sich zwar gegen die Solarenergiebranche insgesamt, vor allem aber gegen die kleineren Energieproduzenten. Das wird auch daran kenntlich, daß bis jetzt Solaranlagen bis zu 30 Kilowatt als "klein" galten und deshalb etwas mehr gefördert wurden; zukünftig liegt die Grenze für Kleinanlagen bei 10 Kilowatt.

Theoretisch eigneten sich die sogenannten erneuerbaren Energien als ein geradezu anarchisches Gegenmodell zu etablierten Energiesystemen - solange ausgeblendet wird, daß die Nutzung von Sonne, Wind und Wellen infrastruktureller Voraussetzungen bedarf. Eine ernsthafte Gefahr für Politik und Wirtschaft des Industriestandorts Deutschland, daß eine Öko-Occupy-Bewegung ihre Energieversorgung in die eigene Hände nimmt, hat nie bestanden, auch wenn sich hier und da Menschen vom Netz abgekoppelt und ihren Traum von partieller Energieautarkie erfüllt haben. Doch für die weitaus große Mehrheit der privaten Energieproduzenten gilt das nicht. Die Betreiber von Photovoltaikanlagen bleiben genauso der administrativen Verfügungsgewalt unterworfen wie die Betreiber von Ölheizungen. Der Staat sorgt schon dafür, daß er nicht überflüssig wird. Denn die Idee, sich von der fremdbestimmten Versorgung und damit der Kontrolle zu befreien, könnte Schule machen. Wenn sich immer mehr Menschen in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen der administrativen Verfügungsgewalt entziehen, stünde eines Tages die staatliche Ordnung in Frage.

Das ist natürlich nur blanke Theorie, viel zu tief in die Lebensbereiche jedes einzelnen hinein reicht der Einfluß des Leviathans. Bereits der Erwerb, das Aufstellen und der Betrieb einer Solaranlage setzt gewachsene industrielle und administrative Strukturen voraus. So sind die Solaranlagen verglichen mit früher sehr viel preisgünstiger geworden, weil sie in China produziert werden. Doch trotz der vielen Abhängigkeiten enthält die Photovoltaik noch ein Moment, das anarchisch zu nennen wohl übertrieben wäre, aber das einst in der sogenannten Alternativbewegung zu träumerischen Höhenflügen von einer vom Staat unabhängigen Lebensweise und -form beflügelt hatte. Diese Träume wurden längst vom Green New Deal, der grünen Kapitalherrschaft, vereinnahmt und so wurden auch die letzten Überbleibsel der Idee eines Gegenmodells zu den etablierten Energieversorgungssystemen unschädlich gemacht. Im Anwendungsbereich liegen die Ursprünge der Photovoltaik sowieso in der Weltraumfahrt, mit der von Anfang an militärische, bzw. hegemoniale Interessen verfolgt wurden. Daß sich diese Stromerzeuger theoretisch auch dazu eignen, individuelle Energiehegemonie zu erlangen, ist ein Nebeneffekt, durch den, wie gesagt, der Verfügungsanspruch des Staates nie gefährdet war

Wenn sich nun die beiden Bundesminister darauf einigen, die Solarenergieförderung stärker als geplant zurückzuschrauben, dann wird das zwar damit begründet, daß auf diese Weise der Zeitpunkt schneller erreicht ist, an dem sie wirtschaftlich konkurrenzfähig werden, aber es geht der Regierung auch darum, die bestehende Energiehegemonie der Konzerne gegenüber kleineren Anbietern (von einzelnen Produzenten bis zu mittelständischen Stadtwerken) und die zentralistische Energieproduktion zu sichern. So werden sich die riesigen Offshore-Windparks, die nur von kapitalstarken Unternehmen errichtet werden können, auch dann noch hoher Subventionen erfreuen, wenn die Photovoltaik Schritt für Schritt der Förderkürzungen an ihnen vorbeigezogen ist.

24. Februar 2012