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HEGEMONIE/1748: Einkreisung Chinas schürt das Feuer des künftigen Krieges (SB)




Im asiatisch-pazifischen Raum treiben die Vereinigten Staaten unter Einbindung Taiwans, Südkoreas und Japans das Containment Chinas voran. Im November 2011 umriß Präsident Barack Obama während einer Rede vor dem australischen Parlament in Canberra die Strategie seines Landes in dieser Weltregion. Nach einem Jahrzehnt mit zwei blutigen und teuren Kriegen wendeten die USA ihre Aufmerksamkeit nun dem riesigen Potenzial der Asien-Pazifik-Region zu. Er habe die strategische Entscheidung getroffen, daß die USA als Pazifiknation eine größere und langfristigere Rolle in der Gestaltung dieser Region und ihrer Zukunft spielen würden: "Wir sind hier, und wir werden hier bleiben." Diese Präsenz genieße für seine Regierung höchste Priorität, weshalb Reduzierungen der Verteidigungsausgaben seines Landes nicht zu Lasten dieses Ziels erfolgten. Da außer der Mehrheit der Atommächte auch rund die Hälfte der Menschheit in Asien beheimatet sei, werde die Region in hohem Maße bestimmen, ob das kommende Jahrhundert von Konflikt oder Zusammenarbeit, unnötigem Leid oder menschlichem Fortschritt gekennzeichnet sein wird, drohte Obama den Chinesen.

Wie der US-Präsident betonte, fürchte man China nicht und wolle das Land nicht von seinen Wirtschaftsbündnissen im asiatisch-pazifischen Raum ausschließen. Die USA erwarteten jedoch, daß Peking den Verpflichtungen nachkomme, die es mit sich bringe, eine Weltmacht zu sein. Mit seiner Warnung vor Konflikten, der Erwähnung der Atommächte und dem Verweis auf die uneingeschränkten militärischen Kapazitäten der USA in dieser Weltregion verlieh Obama seiner Rede einen bellizistischen Unterton, der keinen Zweifel an der Bereitschaft Washingtons ließ, die Hegemonialinteressen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchzusetzen.

Feld des Konflikts ist insbesondere das Südchinesische Meer, der maritime Vorhof Chinas und dessen wichtigster Handelsweg, weshalb es Peking als seine Einflußsphäre ausgewiesen hat, in der man keine Einmischung der USA dulde. Dieses Seegebiet gehört zu den geostrategisch wichtigsten Wasserwegen der Welt und ist eine Schlüsselroute für die Energieimporte Chinas. Etwa achtzig Prozent aller chinesischen Öleinfuhren kommen aus dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika über den Indischen Ozean und die Straße von Malakka ins Südchinesische Meer. Ähnlich abhängig von dieser Passage sind jedoch auch Südkorea, Japan und andere asiatische Länder, was den Zündstoff in dieser Region vermehrt. Beschließen die USA und ihre Verbündeten eines Tages, Chinas Energienachschub zu blockieren, geschähe dies entweder hier oder im Indischen Ozean.

Zudem ist das Südchinesische Meer das einzige noch unerschöpfte Reservoir für Fischfang sowie insbesondere für Öl- und Gasressourcen. Dort sollen Lagerstätten mit 23 bis 30 Milliarden Tonnen Öl und bis zu 16‍ ‍Billionen Kubikmeter Erdgas liegen, ein Drittel aller bisher bekannten Vorräte Chinas. Vor wenigen Tagen hat die chinesische Offshore-Ölgruppe (CNOOC) die erste Plattform für Tiefseebohrungen im Südchinesischen Meer in Betrieb genommen. [1]

Die USA beharren jedoch auf dem Anspruch, als globale Ordnungsmacht ihre Flugzeugträgerverbände und U-Boote wie selbstverständlich bis dicht vor die chinesische Küste zu steuern und gemeinsame Seemanöver mit ihren Verbündeten in dieser Region abzuhalten. Zugleich erklärt Washington das Flottenprogramm Pekings zu einer expansionistisch motivierten Bedrohung der gesamten Region, der man frühzeitig entgegentreten müsse. Für die chinesische Führung ist der Aufbau einer Hochseemarine, wie er derzeit vorangetrieben wird, eine strategische Notwendigkeit, will man die Handelswege bewachen. Gesichert werden soll in erster Linie das Vorfeld bis zur "Ersten Inselkette". Wenngleich diese Ausweitung von den kleineren Anrainerstaaten durchaus als Bedrohung empfunden werden kann, handelt es sich seinem Wesen nach doch nicht um ein einseitiges aggressives Hochrüsten, als das es die Propaganda der USA bezichtigt.

Bei seinem eingangs erwähnten Besuch in Canberra hatte Obama den Ausbau der US-Streitkräfte auf dem australischen Kontinent angekündigt. Bis Mitte 2012 sollen Militärflugzeuge und bis zu 2.500 Mann, darunter viele Elitesoldaten der Marines, nach Darwin in den Norden des Kontinents verlegt werden. Berücksichtigt man, daß Darwin nur 820 Kilometer von Indonesien entfernt ist, zeichnet sich neben den Stützpunkten in Japan und Südkorea, die seit dem Zweiten Weltkrieg existieren, nun auch im südlichen Teil der Großregion eine permanente US-Truppenpräsenz ab.

Taiwan wird von den USA mit umfangreichen Waffenverkäufen aufgerüstet, während Washington zugleich die militärische Zusammenarbeit mit Südkorea intensiviert und Japan in den Kordon zur Abschnürung Chinas einbindet. Die japanische Führung hat die durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg bedingte pazifistische Phase längst entsorgt und in jüngerer Zeit ihre Militärdoktrin von Grund auf neu ausgerichtet. Der Verteidigungsauftrag des Kalten Krieges, einen möglichen Vorstoß der Sowjetunion in Ostasien zu verhindern, wurde ad acta gelegt, worauf sich die Stoßrichtung jetzt gegen Nordkorea und insbesondere China richtet. So wurden die schweren Panzer- und Artillerieeinheiten reduziert, die im Norden gegen Rußland in Stellung gebracht waren. Statt dessen werden weitere U-Boote und Kampfflugzeuge beschafft sowie verstärkt mobile Einheiten aufgebaut, die auf dem Luftweg zu den südlichen Inseln transportiert und dort eingesetzt werden können. Umstritten sind Inseln im ostchinesischen Meer, die man in Japan die Senkakus und in China die Diaoyu nennt. Dort kam es im vergangenen Jahr zu einer Konfrontation, die heftige gegenseitige Beschuldigungen nach sich zog.

Zudem heizen die USA bislang lokal begrenzte Konflikte zwischen China, Vietnam und den Philippinen an, um die Phalanx gegen Beijing zu komplettieren, die Lücken zu schließen und Kriegsvorwände zu produzieren. Im Jahr 2010 führte ein Verband um den Flugzeugträger George Washington nach der Artilleriekontroverse zwischen den beiden koreanischen Staaten zunächst eine Seeübung mit der Marine Südkoreas durch, um im Anschluß ein gemeinsames Großmanöver mit den japanischen Streitkräften abzuhalten. Im vergangenen Jahr kam es zu einer Konfrontation zwischen chinesischen und philippinischen Marineeinheiten, der weitere folgen sollten. Auch zwischen Vietnam und China nehmen die Kontroversen zu, bei denen es insbesondere um Rechte in den küstennahen Gewässern und um Inseln geht, die beiderseits beansprucht werden.

Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers sind neben China und den Philippinen auch Indonesien, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Brunei, Singapur, Thailand und Kambodscha, wobei vor allem die Inselgruppe der Spratlys, unter denen viel Öl liegen soll, als Pulverfaß gilt. Die mehr als 100 Inseln und winzigen Atolle werden von China, Vietnam und Taiwan zur Gänze, von Malaysia, Brunei und den Philippinen teilweise beansprucht. Bis auf Brunei haben alle diese Staaten bereits zahlreiche der Inseln besetzt, auf 40 von ihnen gibt es Militärgarnisonen. Die Philippinen und Vietnam, veranstalteten jüngst mit der US-Navy groß angelegte Flottenmanöver. [2]

Die aktuelle Krise zwischen China und den Philippinen läßt ahnen, wie im Grunde geringfügige Streitigkeiten im Kontext geostrategischer Einkreisungspläne die Bezichtigung Bejings als Aggressor verdichten und das Feuer künftiger Kriege schüren. Der jüngste Streit betrifft die 150 Quadratkilometer weite, vor allem aus Riffen bestehende Scarborough-Inselgruppe, die 124 Seemeilen von den Philippinen entfernt liegt und wegen ihrer reichen Fischgründe immer wieder chinesische Fangflotten von der 550 Seemeilen entfernten Inselprovinz Hainan anzieht. Die philippinische Marine macht seit vielen Jahren auf die unerwünschten Eindringlinge Jagd und hat Anfang April ein Dutzend chinesische Fischtrawler eingekesselt und durchsucht, die vor einem Sturm Schutz in einer Insellagune suchten. Schiffe der chinesischen Fischereiaufsicht kamen den Landsleuten zu Hilfe, wobei niemand ernsthaften Schaden nahm.

Seither eskaliert der Streit, in dem Manila eine internationale Schlichtung fordert, während sich Peking die Internationalisierung eines bilateralen Konflikts verbittet. Der stellvertretende Außenminister Fu Ying bestellte den philippinischen Geschäftsträger in Peking dreimal ein und erklärte ihm, daß man die Geduld verliere und Vorbereitungen für andere Optionen getroffen habe. Es sei der "schwerste Streit seit Jahrzehnten", schreibt die Nachrichtenagentur Xinhua, während man in Manila auf historische Rechte vor der Küste pocht und China aufruft, sich als aufstrebende Weltmacht und Regionalmacht in Südostasien an Recht und Gesetz zu halten. Vor der chinesischen Botschaft wurden Protestkundgebungen abgehalten, im Gegenzug stornieren Reisebüros in Peking und anderen chinesischen Großstädten derzeit kostenfrei alle geplanten Manila-Touren, da diese zu gefährlich seien.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte bei einem Besuch in Manila im November 2011 Hilfe bei der Verteidigung der philippinischen Seegrenzen zugesagt. Da sich Washington im aktuellen Streit bislang zurückhält, bezeichnete der philippinische Senator Joker Arroyo sein Land als "Waisenkind ohne Freunde" - wohl wissend, wie sehr solche Waisenkinder den USA ans propagandistische Herz gewachsen sind, wenn es gilt, systematisch eine Bezichtigungs- und Drohkulisse aufzubauen.

Fußnoten:

[1]‍ ‍http://derstandard.at/1336696643707/Streit-zwischen-Peking-und-Manila-wuehlt-das-Suedchinesische-Meer-auf

[2]‍ ‍http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article2274685/Umstrittenes-Seegebiet-Inselkrieg-im-Chinesischen-Meer.html

12.‍ ‍Mai 2012