Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KOMMENTAR


HEGEMONIE/1813: "Trump trumps Trump" - von der Steigerungslogik eines nationalen Globalisten (SB)



Donald Trump verfährt mit der nun nicht mehr obsoleten NATO so wie seine Vorgänger auch - das transatlantische Kriegsbündnis ist ein willkommenes Instrument eigener Hegemonialpolitik, sofern es US-Interessen genügt. Sollte das nicht der Fall sein wie bei der Eroberung Afghanistans und des Iraks, dann wird kurzerhand eine Koalition der Willigen gezimmert, an der sich auch diejenigen NATO-Staaten beteiligen können, die gegen die Befehlsgewalt des Commander-in-Chief respektive US-Präsidenten nichts einzuwenden haben. Die NATO ist mindestens so flexibel wie Donald Trump, der diese Eigenschaft bei sich entdeckte, als er die im Wahlkampf vollmundig proklamierten Ausfälle gegen Establishment und Globalisierung revidierte. Nur als Einflußorgan US-amerikanischer Weltpolitik kann die NATO ihrerseits globaladministrativen Anspruch erheben, was Trumps Klage über den angeblich kostenarmen Konsum ihrer Gewaltdienstleistungen durch europäische NATO-Staaten als durchsichtiges Marktgeschrei eines passionierten Händlers erkennen läßt.

Das auch bei seinem Besuch im NATO-Hauptquartier angestimmte Lamento über die unfaire Behandlung US-amerikanischer Steuerzahler, die für Europas Sicherheit ebenso bluten müßten wie die Truppen ihres Landes, ruft denn auch eine Kategorie von Gerechtigkeit an, die Unterwerfung und Dominanz nicht nur als Übel voraus-, sondern als Ziel durchsetzt, um ihrem Anspruch zu genügen. Auch gegen Freihandel hat der angebliche Protektionist Trump nichts, wenn es nur fair, also zum Besten der Unternehmen seines Landes läuft. Wer aus einer schwächeren Position heraus mitmacht, darf zumindest darauf hoffen, beim Verteilen der Beute etwas abzubekommen. Wer sich von vornherein verweigert und eine eigenständige Politik betreibt, wird in die Ecke derjenigen gestellt, denen Regime-Change oder der große Knüppel droht.

In neuen Aggressionskriegen, ob gegen den islamistischen Terrorismus oder mißliebige Diktatoren, Sicherheit zu produzieren heißt, den Krieg im eigenen Land billigend in Kauf zu nehmen. An Personal für die in europäischen Staaten seit der Belagerung und Eroberung des Iraks erfolgten Anschläge besteht kein Mangel. Wenn der IS in den Ruinen des Iraks, Syriens und Libyens von Haß und Rachsucht erfüllte Kämpfer rekrutieren kann, dann nicht, weil es die dort schon immer gegeben hat, wie der antimuslimische Rassismus der Neuen Rechten unterstellt. Den selbst angerichteten Schaden mit noch mehr Waffen, noch mehr Kriegen und noch mehr Leichen beheben zu wollen ist eine Rezeptur des Scheiterns, die die Bevölkerungen Europas in Geiselhaft einer imperialistischen Politik nimmt, deren negative Bilanz so offenkundig ist, daß Trumps im Wahlkampf aufgestellte Behauptung, sich daran nicht mehr beteiligen zu wollen, zu seinem Sieg maßgeblich beigetragen hat.

Nun, da er davon nichts mehr wissen will, liefert er den NATO-Partnern einen Vorwand, höhere Militärausgaben gegenüber den eigenen Bevölkerungen durchsetzen zu können. Hätten die Regierungen in Berlin, Paris und London dagegen ersthafte Einwände, dann bräuchten sie sich nur auf die ausschließliche Verteidigungsfunktion der sogenannten Wertegemeinschaft NATO zu berufen oder, besser noch, ihre Mitgliedschaft darin aufzukündigen. Die Forderung, die transatlantische Kriegsallianz mit größeren Aufrüstungsbemühungen zu stärken, kommt viel mehr ihren eigenen hegemonialstrategischen Ambitionen entgegen. Dabei handelt es sich nicht nur um die Absicht, neue Investitions- und Absatzmärkte zu öffnen, sondern die aggressive Durchsetzung des eigenen Krisenmanagements nach außen wie innen im Treibsand stets möglicher Zusammenbrüche zu betreiben.

Nach außen im Kampf um verbliebene Ressourcen und gegen die von den NATO-Staaten unabhängige Hegemonialpolitik Rußlands und Chinas. Nach innen, um die nationale Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt durch die forcierte Ausbeutung der eigenen Bevölkerung zu steigern. Die US-Administration bietet mit ihrem aktuellen Haushaltsentwurf namens A New Foundation for American Greatness [1] ein anschauliches Beispiel dafür, daß imperialistische Weltpolitik stets der Stabilisierung der Herrschaftsverhältnisse im eigenen Land dient. Die angekündigte Streichung von Sozialprogrammen aller Art in einem Ausmaß, das durchzusetzen sich eine Regierung der Demokratischen Partei bei allem Eigeninteresse an der Steigerung der Profitrate zu Lasten sozialer Erleichterungen nicht getraut hätte, steht in direktem Begründungszusammenhang zur Ausweitung des ohnehin schon gigantischen Militärbudgets. Wenn Millionen Menschen mehr in den USA hungern, an vermeidbaren Krankheiten sterben, obdachlos werden und sozial verelenden, dann läßt sich der damit aufgespannte Eskalationsbogen auf die Formel From Welfare to Workfare to Warfare bringen.

In dieser Steigerungslogik steht der Wohlfahrtsstaat nicht für das Ideal einer demokratisch verfaßten Gesellschaft, sondern lediglich die am wenigsten zerstörerische Absicherung kapitalistischer Verwertung. Auch hierzulande vielgelobte Workfare-Regimes wie Hartz IV institutionalisieren die Armut, aber lassen noch Lücken widerständigen Aufbegehrens. Die nationale Kriegführung schließt auch diese durch den zum Regelfall gewordenen Ausnahmezustand exekutiver Ermächtigung und die Einspeisung sozialkämpferischer Potentiale in Armee und Arbeitsdienst.

So kann die Zunahme terroristischer Anschläge in westeuropäischen Metropolen als Vorschein eines sozialen Krieges verstanden werden, der in den Armutsgesellschaften Süd- und Osteuropas längst ausgebrochen ist, nun aber auch die bislang weitgehend verschont gebliebenen Zentren hochproduktiver Warenwirtschaft und Kapitalakkumulation bedroht. Die der Rechtsentwicklung immanente Instrumentalisierung nationalchauvinistischer Dominanz- und Ausgrenzungsstrategien für Staatszwecke lenkt das Konfliktpotential anwachsender Klassengegensätze in herrschaftsopportune Bahnen. Fluchtpunkt dieser Marschrichtung ist der offene militärische Krieg. Das ist keine Spezialität Trumps oder des Neoliberalismus US-amerikanischer Prägung, wie die anwachsende Bereitschaft europäischer Bevölkerungen zeigt, den Volkstribunen der Neuen Rechten zu folgen.

In diesem Fall könnte die durch diametrale Positionswechsel zwischen Wahlkampf und Präsidentenamt hervortretende Janusköpfigkeit Trumps sogar als Antidot gegen rechte Parolen wirken. Die in aller Welt bestaunte Wandlung des Trump vom Saulus zum Paulus und wieder zurück zum Saulus dient zu allem anderen, als das globalistische Establishment in die Schranken zu weisen. Mit dieser Scharade wurde Donald Trump zum neuen Aushängeschild der neofeudalen US-Oligarchie, was ihn weniger zum zwielichtigen Charakter oder infantilen Narziß denn zum personalisierten Interesse seiner Klasse macht.

"Trump Trumps Trump" [1] - Trump übertrumpft Trump, indem er die nationalprotektionistische und antiglobalistische Agenda, mit der er um die Stimmen des kleinen Mannes warb und zugleich die der kleinen Frau erhielt, in ein transnationales und globaladministratives Regime der Geld- und Funktionseliten nicht nur, aber vor allem seines Landes überführt. Unternehmer seines Schlages, die Führung der US-Demokraten wie der Nationalbourgeoisien Europas und der Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten können frohlocken. Wer im scharfen Wind der dadurch erst recht entfachten Krisenkonkurrenz überleben will, plant, während er vom Frieden redet, den Krieg.


Fußnote:

[1] Trump´s scorched-earth budget: $1.7 trillion in cuts to vital social programs
https://www.wsws.org/en/articles/2017/05/24/budg-m24.html

[2] Donald Trump, Empire, and Globalization: A Reassessment
https://zeroanthropology.net/2017/05/08/donald-trump-empire-and-globalization-a-reassessment/

25. Mai 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang