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HERRSCHAFT/1412: Fatah im Spannungsfeld zwischen Palästina und Israel (SB)



Die israelische Regierung hat den im UN-Sicherheitsrat debattierten Plan, der palästinensischen Regierung im Westjordanland Zutritt zum Gazastreifen zu verschaffen, um dort die Regierung der Hamas abzulösen, vorerst abgelehnt. Dies hat allerdings mehr damit zu tun, daß Tel Aviv jede Intervention im Namen der Vereinten Nationen strikt ablehnt. "Ich akzeptiere nicht, daß die Vereinten Nationen bei einem Krieg gegen den Terror entscheiden, wann er beendet wird", so Außenminister Tzipi Livni heute im israelischen Rundfunk. Indem sie diese brüske Zurückweisung einer bindenden Resolution des UN-Sicherheitsrats mit den Worten ergänzt, sie habe nicht den Eindruck, daß die internationale Gemeinschaft eine umgehende Umsetzung der Forderung nach einer Waffenruhe verlangt (Spiegel online, 12.01.2009), zeigt, daß Israel die Durchsetzung seiner Kriegziele von den internationalen Akteuren durchaus leicht gemacht wird.

Seitens der USA und Israels dürfte es ansonsten keine Einwände gegen die Ausweitung des Zuständigkeitsgebiets der von Präsident Mahmud Abbas eingesetzten Notstandsregierung unter Ministerpräsident Salam Fayyad auf den Gazastreifen geben. Schließlich dient die militärische Aufrüstung ihrer Sicherheitsdienste durch die USA keinem anderen Zweck, als die Unterdrückung der Bevölkerung auf die übliche neokolonialistische Weise in die Hände einer nationalen Oligarchie zu legen, deren Klasseninteresse sich mehr mit dem der Besatzer als der eigenen Bürger deckt. Seit die Hamas den gegen sie gerichteten Umsturzplan, der in Zusammenarbeit zwischen der US-Regierung und ihrem palästinensischen Gewährsmann Mohammed Dahlan ausgeheckt wurde, im Sommer 2007 durch die Vertreibung der dort stationierten Fatah-Kämpfer vereitelte, hat sich an der positiven Einstellung Washingtons zu Abbas und der von ihm geführten Fatah nichts geändert.

Ganz im Gegenteil, die Zusammenarbeit zwischen der Regierung in Ramallah erstreckt sich zusehends auf eine direkte Kollaboration mit den Besatzern. So berichtete der israelische Journalist Nahom Barnea (Yediot Ahronot, 19.09.2008; zitiert aus der Übersetzung ins Englische des palästinensischen Journalisten Khaled Amayreh, 24.09.2008) von einem sogenannten Sicherheitstreffen, das im Hauptquartier der israelischen Streitkräfte im Westjordanland in der Siedlung Beit El nahe Ramallah stattfand. Daran nahmen acht führende Fatah-Mitglieder in ihrer Eigenschaften als Offiziere der palästinensischen Sicherheitskräfte teil. Barnea war der einzige Journalist, der bei dem Treffen zugegen war. Dabei brachte er in Erfahrung, daß die Fatah-Mitglieder von einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit der Hamas im Gazastreifen anläßlich des Auslaufens der Präsidentschaft Abbas' am 9. Januar ausgingen. Sie hielten es für möglich, daß Abbas den Gazastreifen zu einer "rebellischen Provinz" erklärte, und baten ihre israelischen Kollegen, sie bei der Planung ihres Vorgehens und der Ausbildung und Aufrüstung der dazu erforderlichen Kräfte behilflich zu sein.

Der Chef des Allgemeinen Sicherheitsapparats der Fayyad-Regierung, Abu al Fath, erklärte gegenüber den israelischen Offizieren, daß die Palästinenser keinen Streit mit ihnen, sondern einen "gemeinsamen Feind", die Hamas, hätten. Dies bekräftigte der Chef des militärischen Geheimdienstes der Fayyad-Regierung, Majed Faraj. Man wolle alle Karten auf den Tisch legen und keine Spiele mehr mit den Israelis spielen: "Hamas ist der Feind, und wir haben uns entschieden, einen umfassenden Krieg gegen die Hamas zu führen. Ich sage Ihnen, es wird keinen Dialog mit der Hamas geben, weil man denjenigen, der einen töten will, zuerst tötet."

Faraj brüstete sich anschließend mit dem erfolgreichen Vorgehen seiner Sicherheitskräfte gegen die Einrichtungen der Hamas im Westjordanland und stellte dabei den Vorteil heraus, daß seine Männer im Unterschied zu den israelischen Soldaten die Moscheen und Universitäten betreten können, in denen Hamas-Mitglieder aktiv sind. Der Generalinspekteur der palästinensischen Polizei, Hazem Attalah, gab zu bedenken, daß man mit den israelischen Gesprächspartnern über einen "umfassenden Plan" spreche. Wenn die palästinensischen Sicherheitskräfte nicht zu Jahresbeginn 2009 vollständig vorbereitet wären, dann könne man später nur noch darüber debattieren, wer für ihre Niederlage verantwortlich sei.

Laut dem Bericht Barneas bekundete die israelische Seite, zu diesem Zweck mit den Sicherheitskräfte der Fatah zu kooperieren und sie mit dem erforderlichen Material auszustatten. Diese Planung dürfte vorerst zurückgestellt sein, haben die israelischen Streitkräfte die Aufgabe, die Hamas zu entmachten, doch selbst in die Hand genommen. Das schließt allerdings nicht aus, daß der Fatah noch die Aufgabe zukommen wird, zu der sie von der "internationalen Gemeinschaft" auserkoren wurde. Sie soll dafür sorgen, daß sich die Palästinenser endgültig damit zufrieden geben, als politisches Subjekt ausgeschaltet zu sein und ihr Leben in einem Protektorat zu fristen.

Bis es so weit ist, muß allerdings noch viel Blut fließen, denn bei allem Willen zur Unterstützung Israels kann die Fatah nur so weit gehen, wie es in den Augen ihrer Bevölkerung noch gerade erträglich ist. "Wir Moderaten sind jetzt in einem Käfig mit einem halb getöteten Tiger, der sich Hamas nennt", so der stellvertretende Generaldelegierte der Ramallah-Regierung in Den Haag, Jamal Nazzal (Deutschlandfunk, 05.01.2009). Wer also wird den tödlichen Streich führen und die Palästinenser davon befreien, daß sie sich befreien wollen?

12. Januar 2009