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HERRSCHAFT/1506: EU-Imperialismus gibt sich ein harmloses Gesicht (SB)



Die Europäische Union macht auf harmlos. Zum ersten EU-Präsidenten wurde der belgische Premierminister Herman Van Rompuy und zur Hohen Repräsentantin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik die Britin Catherine Ashton gewählt. Beide Personen eignen sich für die alles andere als unumstrittenen Posten vor allem durch Eigenschaften, die sie genau nicht haben, nämlich Großmachtgetue, Eloquenz und Charisma. Sie wirken unbedarft, bürokratisch und zurückhaltend. Als könnten sie kein Wässerchen trüben. Die vermutlich größte Leistung des Belgiers auf dem politischen Parkett bestand darin, eine wackelige Fünf-Parteienkoalition zusammenzuhalten, und die britische Frauenrechtlerin und Pazifistin Ashton von der Labour Party hat in ihrer Zeit als EU-Kommissarin ein Freihandelsabkommen mit Südkorea vereinbart. Kein Grund, sich vor den neuen Gesichtern der Europäischen Union zu fürchten, sollte man meinen.

Ganz anders beispielsweise als der lange Zeit als Kandidat für den Präsidentenjob gehandelte ehemalige britische Premierminister Tony Blair. Seine Gegner werfen ihm vor, er habe sein Land mit Lügenmärchen über die angebliche Gefahr eines bevorstehenden Raketenangriffs Saddam Husseins in den Irakkrieg hineingezogen. Der ehrgeizige Blair hat es nicht geschafft. Der erste Präsident der Europäischen Union sollte niemand werden, an dem das Makel des Krieges klebt. Was nicht bedeutet, daß die EU nicht bereit und willens ist, Kriege zu führen. Im Gegenteil. Die beiden neuen administrativen Funktionen sind sowohl Bestandteil als auch Ausdruck einer durch den Lissabon-Vertrag winkelzügig erlangten größeren Handlungsfähigkeit der EU auch in militärischer Hinsicht. Winkelzügig insofern, als daß eine eindeutige Absage des irischen Volkes an den europäischen Verfassungsvertrag einfach nicht akzeptiert und das Schriftstück in dezent modifizierter Form eines zweites Mal zur Abstimmung vorgelegt wurde.

Nun kann die EU ihre größere Schlagkraft ausspielen, um sich im Reigen anderer Hegemonialmächte wirtschaftlich und militärisch zu behaupten und sich wirksam daran zu beteiligen, den Rest der Welt einer tieferen, die nationale Souveränität mißachtenden Verfügungsgewalt zu unterwerfen. Somalia könnte einer der nächsten Kriegsschauplätze sein, an dem die EU-Soldaten aufmarschieren, um dort eine den Europäern genehme Regierung zu verteidigen. "Nation Building" lautet der Name dieser Variante, derer sich der EU-Imperialismus bedient.

Generell betrachtet die EU den afrikanischen Kontinent als ihren Hinterhof. Ob Tschad, Sudan oder DR Kongo, die Europäer spielen sich als Ordnungsmacht auf, und ihr Pendant Afrikanische Union erweist sich dabei als Juniorpartner und nicht als Antipode. Die Sicherung endlicher Rohstoffe und ihr Abtransport gewinnen in einer Welt mit sieben Milliarden und mehr Menschen an Bedeutung.

Nicht zu vergessen die pauschale Abwehr von Klimaflüchtlingen, politisch Verfolgten und anderen in Not geratenen Menschen, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, um vermeintlich attraktivere Gestade zu erreichen. Abwehr, das bedeutet ebenfalls, daß die EU-Jäger vor der Küste Senegals Flüchtlingsschiffen auflauern, den Insassen Wasser und Treibstoff stehlen und ihnen somit keine Chance lassen, den Kurs beizubehalten. Es bedeutet darüber hinaus, Fischer, die in Seenot geratene Menschen retten und an Land bringen, zu einer mehrjährigen Haftstrafe zu verurteilen. Und nicht zuletzt bedeutet es, in nordafrikanischen Staaten Lager einrichten zu lassen, damit die Flüchtlinge frühzeitig abgefangen und verbracht werden ... in der algerischen und libyschen Wüste werden schon zahlreiche Skelette von ehemaligen Lagerinsassen, die von ihren Wächtern ohne Brot und Wasser in sengender Hitze im Irgendwo ausgesetzt wurden, vom Sand glatt poliert.

Schaut man sich die unbedarft und freundlich wirkenden Gesichter Herman Van Rompuys und Catherine Ashtons an, ahnt man nicht, welche Politik sie mit ihrem Lächeln künftig vertreten werden.

20. November 2009